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24. September 2023, 10:00 Uhr

Corona? „HabenSiekeineAngst,aberRespekt!“

Der ostfriesische Allgemeinmediziner Lukas Bockelmann über die derzeitige leichte Covid-Welle und was jeder selbst tun kann

Lesedauer: ca. 4min 26sec
Dr. Lukas Bockelmann aus Timmel ist Sprecher des Ärztevereins im Landkreis Aurich und war während der Corona-Pandemie an vorderster Front aktiv. Foto: privat

Dr. Lukas Bockelmann aus Timmel ist Sprecher des Ärztevereins im Landkreis Aurich und war während der Corona-Pandemie an vorderster Front aktiv. Foto: privat ©

Lukas Bockelmann ist Hausarzt in Timmel und Vorsitzender des Ärztevereins Aurich. Im KURIER-Interview gibt er einen Überblick über die aktuelle Situation bei den Corona-Erkrankungen. Sie nehmen – gefühlt – seit einiger Zeit wieder zu. Kein Wunder: Es ist Herbst. Wohlfühlwetter für Viren.


Der Winter kommt, damit auch die Grippe und leider auch Corona. Wovor muss man sich eigentlich mehr fürchten?

Furcht ist ja ein schlechter Ratgeber und statistische Erhebungen helfen im Einzelfall wenig. Beide Erkrankungen können in Einzelfällen recht schwer und unangenehm verlaufen. Die gute Nachricht ist, dass wir alle viel gelernt haben, wir können Ansteckungsrisiken erkennen, ihnen aus dem Weg gehen, wir haben viel zum Beispiel über Händehygiene gelernt und wir können uns impfen lassen. Angst oder Furcht? Eher nicht, Infektionskrankheiten begleiten uns Menschen ja schon immer; Respekt schon eher, Rücksicht, Schonung und Fürsorge im Krankheitsfall, das sind Stichworte, die mir einfallen, wie gesagt, wir haben doch alle viel gelernt.

Kaum jemand nimmt Corona noch so richtig ernst. Zu Recht?

Das kann ich so nicht bestätigen, viele meiner Patientinnen und Patienten fragen doch schon danach und zeigen meines Erachtens gerechtfertigt Respekt vor einer möglichen Covid19-Erkrankung. Diese Erkältungssaison wird erst zeigen, wo wir stehen und welche Sorgen gerechtfertigt sind oder waren. Im Einzelfall – und das ist ja die eigentliche Perspektive des Hausarztes oder der Hausärztin – können sich viele wohl schon auf die erworbene Immunität stützen und verlassen, in der Summe wird sich im Verlauf des Winters zeigen, wie gut wir alle zurechtkommen, zurechtgekommen sind mit Covid-19 und der Influenza. Aber jeder Einzelne sollte etwas Respekt zeigen – vor beiden Krankheiten.

Und welche Rolle spielen Corona-Infektionen bei Ihnen in der Praxis?

Aktuell sehen wir in der Praxis noch wenige Fälle, oft genug erfahren wir auch erst im Nachhinein von einer Erkrankung, so war erst in dieser Woche ein junger Mann bei mir, dem der Brustkorb noch weh tat, und der doch recht beeindruckt davon war, dass nicht nur er, sondern eben auch seine Ehefrau und das wenige Monate alte Baby erkrankt waren, zum ersten Mal sahen die Eltern in, so beschrieb er es, fiebernde, glasige Augen des Kindes – das hat ihn schon beeindruckt.

Seit Kurzem gibt es eine auf die neuen Varianten angepasste Impfung. Wer sollte sie sich geben lassen?

Die Impfempfehlungen sind ja recht klar und gut nachvollziehbar, über 60-jährige Menschen und Menschen jeden Alters mit chronischen Erkrankungen sollten sich impfen lassen, in jedem Fall ist man gut beraten, sich mit seinem Hausarzt zu besprechen, ganz Ähnliches gilt ja auch für die Influenza-Impfung. Wer Vorerkrankungen hat oder mit Risikogruppen arbeitet, beispielsweise in der Pflege, sollte sich ebenfalls impfen lassen. Wesentliche Vorerkrankungen sind beispielsweise Lungenerkrankungen, Diabetes sowie andere chronische Erkrankungen.

Kann mir mein Hausarzt eigentlich auch die Impfung verweigern, wenn er mich für zu gesund hält?

Spontan möchte ich sagen, dass der Hausarzt oder die Hausärztin ganz selbstverständlich frei ist in seiner Entscheidung, das gilt ja für den gesamten Bereich von Behandlung und das ist ja auch gut so. Um genauer zu antworten: Wenn man überrascht ist, dass der behandelnde Arzt von einer Impfung abrät, wird sich der Grund dafür sicher im Gespräch klären lassen. Dazu würde ich immer raten – in jedem Fall sieht die Impfempfehlung des Robert-Koch-Institutes Folgendes vor: Gesunden Erwachsenen, die jünger als 60 Jahre alt sind, sowie Schwangeren wird derzeit keine weitere Auffrischimpfung empfohlen.

Grippeimpfung und Corona gleichzeitig – haut mich das um oder kann man das so machen?

Kurze Antwort? Kann man machen! Sicher wird das immer auch individuell entschieden werden.

Bei vielen Menschen gibt es immer noch eine Impfskepsis ...

...vielleicht gestatten Sie mir kurz diese Anmerkung: Dass wir überhaupt geimpft sind und so viel Impfstoff zur Verfügung haben, ist doch auch ein großes Glück. Nur die Impfungen haben einen Weg aus der Pandemie geebnet, der ohne unnötige Todesfälle gegangen werden konnte. Man geht ja von bis zu einer Million geretteter Menschenleben allein in Europa aus. In Deutschland konnten etwa 130000 bis 150000 Todesfälle vermieden werden.

Wenn der Hals kratzt, der Kopf schmerzt und man hustet – muss man eigentlich wissen, ob es Corona ist? Oder kann man sich einfach ins Bett legen und sich auskurieren?

Das ist ja das Glück der aktuellen Situation. Man muss es oft genug auch nicht wissen, was es ist. Am wichtigsten ist doch eher die Rücksicht auf andere, das Vermeiden von Übertragung. Und das gilt immer, egal welche Erkrankung ich habe. Und wenn die Beschwerden dann wirklich mild sind, so wie in Ihrer Frage formuliert, ich dazu vielleicht recht gesund, fit und widerstandsfähig bin, ich mit niemandem aus einer Hochrisikogruppe zusammenwohne, dann relativiert sich das schon.

Dann ist Bettruhe also nicht immer notwendig?

Nein. Und generell muss man sagen, dass es in jedem Fall gut ist, nicht allzu stramm zu liegen, immer mal wieder aufstehen, etwas leichte Bewegung, etwas trinken, die Füße bewegen … Das ist gut für Kreislauf und Erholung.

In welchen Situationen könnte es nützlich sein, in diesem Herbst und Winter eine Maske zu tragen?

Je mehr Infektionen in der eigenen Umgebung auftauchen und je mehr ich selbst unbedingt geschützt sein möchte (zum Beispiel kurz vor einem Urlaub oder dergleichen), je mehr ich vielleicht chronisch erkrankt oder von schwerer Erkrankung noch nicht recht erholt bin: Das alles sind sicher Situationen, in denen das Tragen einer solchen Maske günstig sein kann. Es signalisiert (bei eigenem Infekt oder eigenen unklaren Symptomen) ja auch Rücksichtnahme gegenüber anderen und bietet Sicherheit. Wenn ich zu einer Zeit, in der viele Menschen offensichtlich erkrankt sind, eine Bahnreise antreten muss oder eine Menschenansammlung in geschlossenen Räumen nicht vermeiden kann, dann würde es durchaus Sinn machen, eine Maske zu tragen. Bei uns in der Praxis oder in Krankenhäusern werden wir natürlich auch sehr genau hinzuschauen haben, was uns und unsere Patientinnen und Patienten am besten schützt.

Ein Blick in die Glaskugel: Ist dies der letzte Herbst, in dem wir uns noch explizit mit dieser Infektionskrankheit herumschlagen müssen? Oder ist sie gekommen, um zu bleiben?

Ich bin weder Wahrsager noch Orakel, und wir Ärzte arbeiten auch eher selten mit Glaskugeln. Aber: Mit dem Sars-CoV2-Virus ist die Welt nicht besser geworden. Eine weitere Erkrankung ist da und wird bei uns bleiben, durch das große Glück besonders der Impfungen und des sich stetig hoffentlich immer weiter verbessernden Immunschutzes wird die Bedeutung abnehmen. Aber das Gleichgewicht zwischen Immunität und Infektion wird uns ganz bestimmt immer neu vor Herausforderungen stellen.

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