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3. Juni 2023, 06:00 Uhr

„Das ist mein zweiter Geburtstag“

Am heutigen Samstag ist der Tag der Organspende. Stefan Maas weiß, worum es dabei geht. Denn er lebt seit 20 Jahren mit der Niere seiner Mutter

Lesedauer: ca. 3min 32sec
Stefan Maas und seine Mutter Christiane Klaassen: Die Organspende hat das Band zwischen ihnen noch enger werden lassen. Foto: Janssen

Stefan Maas und seine Mutter Christiane Klaassen: Die Organspende hat das Band zwischen ihnen noch enger werden lassen. Foto: Janssen © Heidi Janssen

Emden Es ist ein Datum das Christiane Klaassen und ihr Sohn Stefan Maas nie vergessen werden. Am 13. März 2003 wurde dem damals 15-Jährigen eine neue Niere transplantiert. „Seitdem ist das mein zweiter Geburtstag“, sagt Stefan Maas.

20 Jahre lebt er jetzt mit dem Spenderorgan. Das ist lang. Die meisten gespendeten Organe versagen nach durchschnittlich 15 Jahren. Die Erfolgsaussichten steigen allerdings bei einer Lebendspende. Wie bei Stefan Maas. Seine Mutter spendete ihm eine ihrer Nieren.

Schleichendes Nierenversagen

Wenn Christiane Klaassen an die Zeit vor 20 Jahren zurückdenkt, steigen ihr noch die Tränen in die Augen. Lange musste sie ihrem Kind beim Leiden zuschauen. „Man hat lange nicht festgestellt, was ihm fehlt“, so die Norderin. Sieben, acht Jahre lang sei sie mit ihm von einer Klinik zur nächsten gerannt. Wilhelmshaven, Oldenburg, Bremen und zur Medizinischen Hochschule nach Hannover, wo schließlich ein Gendefekt als Ursache für das schleichende Nierenversagen ausgemacht wurde. Zunächst habe man versucht, mit Medikamenten und Nahrungseinschränkungen eine Blutwäsche zu vermeiden. Am Ende waren die Nieren so geschädigt, dass Stefan Maas um eine Dialyse nicht herumkam. Eine unbeschwerte Kindheit habe ihr Sohn bis zur Transplantation nicht gekannt, so Klaassen.

Aber dann konnte auch die Dialyse nicht mehr helfen. „Es ging ihm plötzlich sehr schlecht.“ Christiane Klaassen musste befürchten, dass Stefan das Krankenhaus nicht mehr lebend verlässt. „Es war eigentlich schon 10 nach 12.“ Die Organtransplantation war die Rettung.

Eine Organspende rettete Stefan das Leben

„Bis dahin war es aber ein harter Weg“, sagt Christiane Klaassen. Denn auch als Muter musste sie für die Lebendorganspende strenge Voraussetzungen erfüllen. In psychologischen Einzelgesprächen wurde beispielsweise die Freiwilligkeit der Lebendorganspende sichergestellt. „Man hat mich beispielsweise gefragt, ob ich Geld erhalten würde.“ Damals erschien die Frage ihr absurd: „Er ist doch mein Kind.“ Heute weiß Klaassen dass die Befragung dazu dient, jegliche Form des Organhandels zu unterbinden. Aus diesem Grund ist die Lebendorganspende in Deutschland nur zulässig, wenn sich die spendende und die empfangende Person nahestehen. Das ist zum Beispiel der Fall bei Verwandten ersten oder zweiten Grades, Verlobten oder Lebenspartnerinnen und -partnern. Finanzielle Erwägungen dürfen keine Rolle spielen.

Operation in Hannover

Am 13. März 2003 ist es dann endlich so weit. Mutter und Sohn werden in Hannover operiert. Das Glücksgefühl, das sie verspürt habe, nachdem man ihr gesagt habe , mit ihrem Sohn sei alles gut gelaufen, könne man nicht beschreiben. Eine nette Stationshelferin habe sie dann im Rollstuhl zu Stefan auf die Intensivstation geschoben. Dort habe er in seinem Bett gelegen „hochrot und verschwitzt“. „Und dann haben wir beide geweint ohne Ende.“ Die Erleichterung sei so groß gewesen.

Die Medikamente waren eine Quälerei

Vier Tage musste Stefan Maas noch auf der Intensivstation bleiben, drei Wochen später durfte er nach Hause. „Und dann musste er zügig lernen, mit allem klarzukommen.“ Organtransplantierte sind zeitlebens auf Medikamente angewiesen. Sie verhindern unter anderem, dass der Körper das fremde Organ wieder abstößt. „Eine ganze Handvoll Tabletten musste er nehmen“, so die Mutter. Für den Teenager sei es zunächst eine Quälerei gewesen. Dann habe er Routine entwickelt. „Und heute ist das gar kein Problem mehr“, sagt Stefan Maas. Er lebe mit der Niere seiner Mutter überwiegend ganz normal. Natürlich müsse er auf bestimmte Dinge achten. Wegen der Immunsuppression sind Infektionen für ihn gefährlich. „Die Corona-Pandemie war deshalb für uns eine besonders harte Zeit“, so Maas. Tabak ist verboten. Alkohol nur in geringen Mengen erlaubt. Auch auf bestimmte Nahrungsmittel verzichtet der gelernte Koch. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind selbstverständlich. „Am Anfang sind sie häufiger, heute muss ich nur noch einmal im Jahr zur Transplantationskontrolle.“ Außerdem passt der 35-Jährige auf, dass er, beispielsweise beim Sport, keinen Hieb abbekommt, dort wo die Ärzte die neue Niere platziert haben.

Und auch Christiane Klaassen hat, obwohl sie nach der Entnahme einer Niere nur noch etwa 70 Prozent der Nierenleistung hat, keine Beschwerden. Diese Nierenleistung reicht für ein normales Leben aus.

Stefan Maas weiß, dass er Glück gehabt hat und seine Mutter als Spenderin infrage kam. Die Niere ist das am häufigsten für eine Transplantation benötigte Organ. Ende 2021 standen in Deutschland 6593 Menschen auf der Warteliste für eine Nierentransplantation. Viele warten viele Jahre vergeblich auf ein Spenderorgan.

Für die Widerspruchslösung

Deshalb ist es Christiane Klaassen und Stefan Maas ein Anliegen, am heutigen Tag der Organspende auf das Thema aufmerksam zu machen und zu zeigen: Eine Organspende rettet Leben – sei es eine postmortale Organ- oder Gewebespende oder eine Lebendorganspende. Beide hoffen, dass sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit seinem erneuten Reformversuch durchsetzt. Sein Ziel ist die Einführung der Widerspruchslösung. Sie gilt in den meisten Ländern Westeuropas. Die Widerspruchslösung besagt, dass einer verstorbenen Person Organe entnommen werden dürfen, wenn diese einer Entnahme zu Lebzeiten nicht aktiv widersprochen hat. Das Schweigen wird als Zustimmung gewertet.

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