Anzeige

Anzeige

Zum Artikel

Erstellt:
13. Mai 2023, 06:05 Uhr

Der „Axtmörder von Wiesmoor“ hatte einfach nur Angst

Weil zwei Frauen auf seinem Grundstück parkten, griff ein Mann zur Axt. Es könnte eine lustige Posse sein. Doch zurück blieben drei traumatisierte Menschen.

Lesedauer: ca. 2min 54sec
Kurioser Fall, ernste Folgen: Ein Mann hat zwei Frauen mit der Axt bedroht, weil diese auf seinem Grundstück parkten.

Das Landgericht muss einen kurios klingenden Fall einer Erpressung verhandeln. Archivfoto: Ute Bruns © Pixabay

Wiesmoor/Aurich Ein 51-jähriger Angeklagter aus Wiesmoor soll im November 2021 eine besonders schwere räuberische Erpressung begangen haben. Mit einem Beil in der Hand soll er von zwei Frauen Geld erpresst haben, weil sie unrechtmäßig auf seinem Grundstück parkten und er deshalb sein Auto nicht auf seiner Auffahrt abstellen konnte.

Er sieht sich selbst als das einzige Opfer

Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Aurich konnte man aufgrund der Aussage des Angeklagten den Eindruck gewinnen, dass der angeklagte Lehrer das einzige Opfer in dieser Angelegenheit war: Ein Opfer der beiden Frauen, die ihm einen furchtbaren Schrecken eingejagt und ein altes Trauma reaktiviert haben. Ein Opfer der Nachbarn, die die Geschichte an die Presse gegeben haben. Ein Opfer der Presse, die daraufhin gleich einen Artikel veröffentlichte. „Ich galt dann als der ‚Axtmörder von Wiesmoor‘“, sagte der Angeklagte. Ein Opfer der Polizei, die mit mehreren Beamten anrückten, einer von ihnen sogar die Hand an die Waffe legte, und ihn nicht über seine Rechte belehrte. Und nicht zuletzt ein Opfer der Staatsanwaltschaft, die nach Anklageerhebung eine Pressemitteilung herausgab.

50 Euro Parkgebühr - oder die Axt

Der Sachverhalt ist in der Anklageschrift recht kurz gefasst. Demnach parkten die beiden Frauen am Tattag gegen 18 Uhr ihre Autos auf dem Grundstück des Angeklagten, um mit ihren Kindern am Martini-Lauf teilzunehmen. Darüber war der Angeklagte erbost, als er heimkehrte. Als die Frauen zurückkehrten, soll er ein Handbeil aus dem Schuppen geholt und sich so bewaffnet den Frauen bis auf zwei Meter genähert haben. Als eine Art „Parkgebühr“ soll er 50 Euro gefordert haben. Aus Angst sollen ihm die Frauen schließlich 40 Euro übergeben und kurz darauf die Polizei über den Vorfall informiert haben.

Der Angeklagte gab in seiner Aussage an, dass seine Frau ihn ganz aufgeregt wegen der beiden fremden Autos angerufen habe. Sie fürchtete, dass Einbrecher die Umgebung für eine geplante Tat auskundschaften könnten.

Der Wiesmoorer, so hieß es weiter, erkundigte sich zunächst bei den Nachbarn, ob möglicherweise deren Besucher ihre Autos auf seinem Grundstück abgestellt haben könnten. Als die Nachbarn das verneinten, habe er sich auch Sorgen wegen möglicher Einbrecher gemacht. „Einen Bezug zum Martini-Lauf habe ich nicht hergestellt“, ließ der Angeklagte seinen Verteidiger verlesen.

Dunkle Gestalten nähern sich dem Auto...

Er habe unter seinem Carport gestanden, als sich dunkel gekleidete Gestalten den beiden Autos näherten. Eine von ihnen habe einen Gegenstand in der Hand gehalten, den er für eine Metallstange gehalten habe. Grund für eine mögliche Fehleinschätzung könne sein Augenleiden sein.

Auf jeden Fall habe ihn Panik erfasst. Ende der 1990-er Jahre sei er einmal angegriffen und zusammengeschlagen worden. Dieses Trauma sei beim Anblick der Gestalten wohl reaktiviert worden, habe der Psychiater „gut“ analysiert, zu dem er sich in Behandlung begeben habe. Doch dann habe er festgestellt, dass es sich bei den Gestalten um zwei Frauen handelte, die mit den Autos wegfahren wollten. Deshalb habe er das Beil weggelegt, aber nicht zurück in den Schuppen gebracht. Er habe ja nicht gewusst, ob vielleicht auch die Männer der beiden Frauen, die kaum größer als 1,60 m und von zarter Gestalt sind, in der Nähe seien.

Die Frauen waren flapsig. Das war zuviel.

Eine etwas flapsige Ansprache einer der Frauen habe ihn noch zorniger gemacht. Der behandelnde Psychiater habe die Steigerung der Wut als eine normale Reaktion nach Beendigung der Bedrohungssituation eingeordnet. Die 40 Euro habe er – gegen den Willen seiner Frau – genommen als „Ausgleich für den Schrecken“.

Angesichts der Schilderung seines psychischen Zustands in der Tatsituation entschied sich das Gericht, einen psychiatrischen Sachverständigen hinzuziehen. Der Prozess wird fortgesetzt.

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen