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6. Juni 2023, 07:30 Uhr

Die Lotsin ist an Bord

Anne Böing ist verantwortlich für Gemeinwesenarbeit und Ansprechpartnerin für viele Probleme, Belange und Themen auf Norderney

Lesedauer: ca. 3min 35sec
Die Lotsin ist an Bord

Bürgermeister Frank Ulrichs hatte sie in seinem jüngsten Bürgerbrief bereits vorgestellt und auch auf der morgigen Sitzung des Ausschusses für Soziales, Schulen, Sport und Kultur ist die neue Mitarbeiterin für Gemeinwesenarbeit Tagesordnungspunkt: Anne Böing, die seit dem 1. April ihre neue Arbeitsstelle bei der Stadt antrat, um sich um die Koordination und Umsetzung der Inhalte des Lebensraumkonzeptes zu kümmern.

Das ist ein schnell gesagter Satz, aber bereits die Titulierung des Rathaus-Chefs, der die Position von Anne Böing als die einer „Insellotsin“ bezeichnete, lässt vermuten, dass eine Arbeitsplatzbeschreibung etwas umfangreicher ausfällt.

Ein Blick auf die Definition des Begriffs hilft. Dort kann man lesen, dass Gemeinwesenarbeit sich daran ausrichtet, in Zusammenarbeit mit den Bürgern, die Lebensqualität vor Ort zu steigern und die das Gemeinwesen beeinträchtigenden Probleme aufzugreifen und langfristig zu lösen. Die tätigen Fachkräfte sehen sich entweder in der Rolle eines außenstehenden, neutralen Moderators oder in der eines Akteurs).

Ein wichtiger zentraler Bestandteil der Gemeinwesenarbeit ist die Mobilisierung der Bürger, damit sie sich selbst für die Verbesserung ihrer Lebensqualität einsetzen. Motto: Die Betroffenen zu Beteiligten machen.

Frau Böing. Trifft die allgemeine Definition auch in Ihrem speziellen Fall zu?

Viele Leute haben Schwierigkeiten, sich unter dem Job etwas vorzustellen, aber die Definition trifft schon den Kern. Auf jeden Fall muss man ein Allrounder sein. Die erste Phase meiner Arbeit war erst einmal die Orientierung. Denn jedes Gebiet, in dem Gemeinwesenarbeit stattfindet, hat individuell gewachsene Strukturen. Ich musste die verschiedenen Akteure kennen lernen, war zum Beispiel beim AWO-Teekreis, im Jugendcafé, der Kindertagesstätte, der KGS und vielen mehr und hab mich mit verschiedensten Leuten getroffen und ausgetauscht. Das sind natürlich alles Akteure, mit denen ich in Zukunft zusammen arbeiten möchte und die mir persönlich natürlich am besten erzählen können, was gut läuft und was nicht so gut läuft.

Womit beschäftigen sich zur Zeit?

Viele Dinge müssen bei meiner Tätigkeit parallel laufen. Am Herzen liegt mir die Situation der Hebammenversorgung, denn auf den anderen Inseln funktioniert das ja auch, es ist nur eine Menge administrativer Arbeit nötig. Die Stadt unterstützt diesen Vorgang in jedem Fall auch finanziell. Seit kurzem gibt es wieder eine Hebamme, die nach Norderney kommt, aber es wird ein Raum benötigt, in dem die Hebamme Untersuchungen anbieten kann – dann können die Termine enger getaktet und mehr Frauen betreut werden. Das befindet sich gerade in Klärung.

Auch betreue ich gerade das Skaterprojekt, das im vergangenen Jahr durch die Elterninitiative angeschoben wurde. Durch das EU-Programm Leader, das besonders für Förderungen ländlicher Räume da ist, haben wir die Möglichkeit, auch größer Projekte wie dieses durchzusetzen. Der Standort steht und die Planung ist bereits relativ weit.

Wie erkennen Sie, wo es Schwierigkeiten gibt?

Einige Dinge stehen einfach schon länger im Raum und natürlich habe ich eine subjektive Wahrnehmung, wo Hilfsbedarf ist, aber natürlich ist es auch nötig, dass Konflikte an mich herangetragen werden. Bei vielen Dingen, gerade im ehrenamtlichen Bereich, kann man effektiv unterstützen, denn dort fehlt es oft an Zeit oder jemand weiß nicht, wer die richtige Ansprechperson ist. Wichtig ist es, Dinge transparent zu machen und mit der Bürgerschaft in Kommunikation zu bleiben. Man darf nicht glauben, dass man mit einem Workshop über ein bestimmtes Thema ein Problem erledigt hat. Man muss auch danach weiter am Thema und damit weiter am Bürger bleiben.

Wie helfen Sie konkret?

Man sollte eine Schnittstelle bilden zwischen den Bürgern und der Verwaltung. Natürlich gibt es Menschen, die sich in vielen Dingen engagieren, zum Beispiel in Vereinen. Denen sind die Abläufe natürlich bekannt und die haben auch keine Problem, sich an den Bürgermeister zu wenden. Aber viele Bürger kennen die Abläufe gar nicht und wissen nicht, an wen sie sich mit ihrem Problem wenden sollen. Für viele ist es eine Hemmschwelle, überhaupt ins Rathaus zu gehen und ihnen ist unklar, wer dort der jeweilige Ansprechpartner ist. Hier bilde ich die Schnittstelle. Mir ist wichtig, die Leute zu unterstützen, damit sie auch die Eigenverantwortung von Bürgern bewusst macht. Man kann nicht immer alles von der Stadt oder anderen verlangen, sondern jeder ist selbst Teil einer Gemeinschaft und kann sich auch aktiv einbringen. Natürlich haben die Menschen generell durch den wirtschaftlichen Wandel immer weniger Zeit, aber die generelle Eigenverantwortung ist ein wenig in den Hintergrund geraten. Oft herrscht eine Erwartungshaltung, dass etwas gemacht wird, das ist ja richtig, aber man kann auch ganz viel selber mache und umsetzen, gerade auf so einer kleinen Insel, wo man sich schnell Partner suchen kann, mit denen man zusammen arbeiten kann. Das sieht man Initiativen wie verwenden statt verschwenden. Da war Leuten etwas wichtig, also kümmern sie sich selbst darum. Da geht es mir auch um die Sache, die Menschen zu motivieren, indem ich unterstütze. Aber Eigeninitiative ist notwendig. Ein zentraler Punkt ist, nicht nur Leute zu betreuen, sondern sie in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken.

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