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22. März 2023, 18:42 Uhr

In der Klinik herrscht ein „Klima der Angst“

Mit schweren Vorwürfen ist der Klinik-Förderverein an die Öffentlichkeit gegangen. Mangelnde Patientenversorgung, Überlastung, Intransparenz würden vor allem in der Norder Klinik herrschen. Die Geschäftsleitung beschwichtigt.

Lesedauer: ca. 3min 42sec
In der Klinik herrscht ein „Klima der Angst“

Norden - Es sind schwere Vorwürfe, die der Förderverein der Ubbo-Emmius-Klinik am Standort Norden erhebt: Arbeitsbedingungen, die das Personal krank machen, überlastete Stationen und ein Klima der Angst. „Die Situation in den Krankenhäusern in Norden, Emden und Aurich verschärft sich. Uns sind inzwischen Fälle bekannt, in denen die Gesundheit der Patienten gefährdet wird“, so der Vorsitzende des Vereins, Dr. Axel Schönian.

Norden besonders betroffen

Die Fälle betreffen nach seinen Worten alle drei Klinik-Standorte. Besonders betroffen sei aber der Standort Norden, an dem der Landkreis Aurich und die Trägergesellschaft bei Weitem am meisten gekürzt hätten. „Diese Veränderungen waren nicht unausweichlich, sondern sind gezielt vorgenommen worden.“ Als Beispiel nennt Schönian die Versetzung des Chefarztes Dr. Raytarowski von Norden nach Aurich in 2020. Die Folgen bekomme man jetzt drastisch zu spüren.

Immer wieder Überlastung

Die Internistischen und Chirurgischen Stationen in Norden seien inzwischen in einem Maße reduziert worden, dass es immer wieder zu Überlastungssituationen komme. Dann müssen Patienten in der Zentralen Notfallaufnahme (ZNA) übernachten, obwohl diese nur für die Aufnahme oder eine ambulante Betreuung ausgelegt sei. Beispielsweise gebe es keine Zimmer mit Sanitäranlagen dort. Bis zu zehn Patienten seien davon in einer Nacht betroffen. Zusätzlich müssten Patienten auf den Stationen auf dem Flur übernachten, so voll sei es zeitweise. Die Krankenhäuser in Emden und Aurich könnten keine Patienten übernehmen, weil sie selbst überlastet seien. Auf der anderen Seite stünden im Krankenhaus Norden Stationen leer als Folge der Streichungen der letzten Jahre. Und das Personal traue sich nicht, etwas zu sagen aus Angst um den Arbeitsplatz.

Erst schlecht, jetzt schlechter

Die geplante Installation einer „halbstationären“ Versorgung mit dem StatAMed-Modellversuch am Standort Norden ist aus Sicht des Fördervereins keine Lösung, sondern nur ein Schritt zu einer weiteren Verschlechterung der Gesundheitsversorgung vor Ort. „Damit wird die bereits jetzt unzureichende Versorgung der Bevölkerung in Norden und Umgebung nur noch weiter zusammengestrichen.“ Die Einführung des StatAMed-Programms werde zu einer Umwandlung des Krankenhauses in eine bessere Pflegestation und zur Schließung der Notfallambulanz führen, sind die Vereinsmitglieder überzeugt.

„Heimlichtuerei“

Der Förderverein beklagt zudem Intransparenz und Heimlichtuerei bei den Entscheidungsträgern „ebenso wie deren Inkompetenz“: Die verantwortlichen Politiker planen offensichtlich schon seit knapp einem Jahr, dass das StatAMed-Projekt in Norden ausprobiert werden soll. Offensichtlich beschäftigten sich die Entscheidungsträger nicht mit der medizinischen Versorgung der Bevölkerung.

Vom neuen Geschäftsführer erwartet der Förderverein, dass der eingeschlagene Weg fortgeführt wird. Ihm seien offensichtlich nur Vorgaben zu Finanzen, aber keine zur Sicherstellung der Qualität der medizinischen Versorgung gemacht worden. Im Gegenteil fordern Kreispolitiker regelmäßig weitere Einschnitte. Dafür habe der Förderverein kein Verständnis.

Trägergesellschaft: „Überlastung ist keine Seltenheit“

Die Trägergesellschaft räumt auf Nachfrage ein, dass es im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und einer starken Infektionswelle Ende vergangenen Jahres zu Überlastungssituationen gekommen ist, die punktuell auch zu ungeplanten längeren Aufenthalten in den Notaufnahmen führten. Die Trägergesellschaft verweist auf eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA), wonach im vergangenen Jahr viele Notaufnahmen in Deutschland von diesem Phänomen betroffen waren. Schuld trage zudem der aktuelle Allgemeinzustand des Gesundheitswesens. „Überlastungssituationen sind in der aktuellen Verfassung des Gesundheitswesens leider keine Seltenheit“, heißt es. Ein effektiver Einsatz der Mitarbeiter sei daher wichtig.

Die Klinikgeschäftsführung verschaffe sich derzeit einen Überblick über die Situation der drei Standorte und prüfe „mögliche Szenarien“, um die Kliniken gut für die medizinische Versorgung der Region aufzustellen und um die Attraktivität der Kliniken für neues Personal zu erhöhen sowie das vorhandene Personal bestmöglich für die Krankenhausaufgaben einzusetzen. „Angst um seine Anstellung braucht kein Mitarbeiter aus dem medizinischen Bereich zu haben: Ihre Arbeitsplätze in den Kliniken sind sicher.“

Übernachten in der Notaufnahme - eher ein positives Zeichen

Zu dem Vorwurf, dass Stationen so überlastet sind, dass Patienten in der Notaufnahme übernachten mussten, schreibt die Trägergesellschaft: Dass Patienten in den Notaufnahmen längere Aufenthaltszeiten haben, ist so nicht vorgesehen, kann aber bei deutlich erhöhten Patientenzahlen punktuell vorkommen. Das zeigt aber auch die Handlungsbereitschaft der medizinisch Versorgenden, Patienten nicht abzuweisen, sondern ihnen eine bessere medizinische Versorgung zu ermöglichen, als es zu Hause möglich wäre.

Das Projekt StatAMed beurteilt die Trägergesellschaft naturgemäß völlig anders. Es sei eine „nachhaltige Chance, gemeinsam mit den vom Gesetzgeber entwickelten Möglichkeiten des Regionalen Gesundheitszentrums in Norden für die somatische Versorgung am Standort ein „relevantes medizinisches Angebot vorzuhalten“. Das Projekt verstehe sich als eine Brücke zwischen der ambulanten Versorgung durch niedergelassene Haus- oder Fachärzte und der stationären Versorgung. Mit dem Förderprojekt würden Standorte unterstützt, bei denen die stationäre medizinische Versorgung aufgrund des Fachkräftemangels voraussichtlich nicht aufrechterhalten werden kann.

Die Trägergesellschaft betont in ihrer Stellungnahme noch einmal die erwarteten finanziellen und personellen Entlastungen durch die Zentralklinik. „Ein wesentlicher Beweggrund für die geplante Bündelung von medizinischen Leistungen in der Zentralklinik ist die Reduzierung von Vorhaltekosten.“ Derzeit sei zum Beispiel die chirurgische und internistische Versorgung an allen drei Standorten rund um die Uhr erforderlich. Hierdurch würden erhebliche Kapazitäten gebunden, die heute anteilig durch externe Honorarärzte erbracht würden; insbesondere auch zur Entlastung der eigenen Mitarbeiter. „Es ist nicht davon auszugehen, dass ab April keine Honorarärzte mehr eingesetzt werden. Dies wird in der Zentralklinik in diesem Umfang nicht mehr notwendig sein.“

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