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3. Juni 2023, 06:00 Uhr

Ostfriesische Kliniken haben 2022 nur ein Organ explantiert

Die Situation in Aurich, Emden und Norden ist exemplarisch für die Misere

Lesedauer: ca. 2min 19sec
Ein Organ auf dem Weg zum neuen Patienten.

Ostfriesland Auf Seite 8 des Jahresberichts steht die Grafik, die nüchtern zeigt, dass immer mehr Menschen sterben, die eigentlich leben könnten. Seit 2018 ist die Zahl der Spenderorgane rückläufig. Nur noch 2662 Organe wurden bundesweit 2022 entnommen. Minus neun Prozent zum Vorjahr.

Warum ist das so?

Der genaue Blick auf die Situation in den Kliniken Aurich, Norden und Emden ist exemplarisch für die bundesweite Situation.

908 Betten, über 34000 stationäre Fälle – doch im Jahr 2022 wurde nur ein Organ entnommen. Müssten es nicht viel mehr sein? Wird das Thema vernachlässigt, weil es selbst für Ärzte schwierig ist, Angehörige von sterbenskranken Menschen ein „Ja“ zur Organspende abzuringen?

So einfach ist es nicht. Die Sprecherin der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) möchte dem Klinikverbund in Ostfriesland trotz der hohen Fallzahlen keinen Vorwurf machen. „Diese Situation haben wir in Deutschland häufig“, sagt Birgit Blome, die Sprecherin der Organisation. Im Gegenteil: Sie lobt die Bemühungen der ostfriesischen Kliniken um Aufklärung der Menschen, stellt aber auch fest: Die wirklich schweren Fälle, die für eine Organspende infrage kommen, werden nicht in Kliniken wie in Emden, Aurich oder Norden behandelt, sondern in den großen Zentren wie Oldenburg oder Westerstede.

Nur C

Der Klinikverbund Anevita hat keine neurochirurgische Station und ist deshalb als „C-Klinik“ eingestuft. Unterste Stufe.

Im Emder Klinikum wurden 2022 zwei Gespräche mit Angehörigen über eine potenzielle Organspende geführt, ein Organ ist entnommen worden. Das weist die Statistik der DSO aus. Zum Vergleich: Das evangelische Krankenhaus Oldenburg hat drei Organe entnommen, die Uni-Klinik Münster fünf.

Diese niedrigen Fallzahlen – selbst in den High-End-Kliniken – spiegeln die ganze Misere wider. Man muss sich in Deutschland aktiv für eine Organspende entscheiden. Im restlichen Europa nicht. Gibt es keine dokumentierte Entscheidung, müssen Ärzte die Angehörigen eines Sterbenskranken überzeugen. Selten mit Erfolg.

Im Jahr 2022 verhinderte zudem Corona viele Spenden. Und wenn dann doch alle Hürden genommen sind, dann hapert es laut DSO oft am benötigten Personal. Der Fachkräftemangel in Krankenhäusern verhindert viele Entnahmen – und ist damit tödlich.

Wer nicht aktiv nein sagt, sagt schweigend ja

In den ostfriesischen Kliniken gibt es Transplantationsbeauftragte. Ralf Köcher, er ist für Norden zuständig, wünscht sich die europaweit gängige Widerspruchslösung auch für Deutschland: Wer nicht aktiv Nein sagt zur Spende, sagt automatisch Ja zur Organspende.

In Deutschland gehöre der Tod nicht zum Leben, sagt die Beauftragte in Aurich, Dr. Ulrike Brünjes. Der Hirntod sei schwer zu verstehen, gern schieben Angehörige eine Entscheidung auf – selbst wenn klar ist, dass das Ende naht. sb

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