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2. August 2023, 09:30 Uhr

Ostfriesland: Wie rechtsextrem ist dieses Konzert?

Lesedauer: ca. 3min 10sec
Besucher einer rechtsextremen Konzertveranstaltung vor der Bühne. Steht der Krummhörn am Sonnabend etwas Ähnliches bevor? Foto: dpa

Besucher einer rechtsextremen Konzertveranstaltung vor der Bühne. Steht der Krummhörn am Sonnabend etwas Ähnliches bevor? Foto: dpa ©

Pewsum Steht der Krummhörn ein Aufmarsch von Rechtsextremisten bevor? Wenn es nach der Einschätzung des Bündnisses „Partnerschaft für Demokratie“ geht, dann wird genau das am Sonnabend passieren. Denn dann findet auf dem Gelände eines Lohnunternehmers an der Emder Landstraße ein Rockkonzert statt, dessen Teilnehmer der rechtsextremen Szene zuzuorden seien, so das Bündnis in einer Mitteilung.

Und tatsächlich, der ursprüngliche Headliner des „Live in Krummhörn 2“, die Böhse-Onkelz-Coverband „Gehasst, Verdammt, Vergöttert“, ist zweifelsfrei dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. Die Musiker der Band waren oder sind immer noch Mitglieder anderer offen rechtsradikaler Musikgruppen oder Vereinigungen und geben sich auch keine Mühe, das zu verbergen. Das Logo der Band schließlich beinhaltet eine prägnante „28“ – in der bei Rechtsextremen genutzten Numerologie stehen die Zahlen für einzelne Buchstaben. Die „2“ symbolisiert das „B“, die „8“ ein „H“. B und H stehen in der Szene für „Blut und Ehre“, ein Schlagwort, das besonders in der Hitler-Jugend genutzt wurde.

Auf die offensichtliche Problematik reagierten die Veranstalter bereits mit einer Umbesetzung. Der neue Headliner ist erneut eine Coverband der Böhsen Onkelz, die Gruppe „Viva Los Tioz“. Unternehmer Friedrich Voss, auf dessen Gelände das „Live in Krummhörn 2“ stattfinden soll, gab die Änderung am späten Dienstagabend in einem Facebook-Post bekannt. Offensichtlich unter einigem Leidensdruck, denn Voss betonte, dass er nicht der Veranstalter sei, sondern lediglich das Gelände stelle und dass die Veranstaltung grundsätzlich nicht politisch sei. Außerdem wehrten sich seine „Familie und die Firma gegen haltlose Vorwürfe“.

Aber wurde der Headliner tatsächlich ausgetauscht? Ein Teilnehmer des für Dienstagnachmittag eilig einberufenen Pressegesprächs des Bündnisses „Partnerschaft für Demokratie“ äußerte den Verdacht, dass es sich bei „Viva Los Tioz“ um dieselben Musiker handle wie bei „Gehasst, Verdammt, Vergöttert“. Tatsächlich ist über die Nachrücker nichts weiter bekannt als der Name – KURIER-Recherchen zur Band brachten keine Ergebnisse. Es wirkt so, als existiere „Viva Los Tioz“ gar nicht.

Derweil formiert sich in der Krummhörn der Unmut über das Konzert. Während die Teilnehmer des Pressegesprächs noch zögerten, entschiedenere Protestformen anzuregen und sich stattdessen auf eine Mahnwache vor dem Gelände verständigten, fällt der Tenor, besonders in den sozialen Medien, um einiges entschlossener aus. Für den Fall, dass sich tatsächlich linksradikale Gruppen auf den Weg zum „Live in Krummhörn 2“ machen, könnte es ein heißer Sonnabend werden.

Die Polizei wäre allerdings entsprechend darauf vorbereitet. Die Sprecherin der Polizeiinspektion Aurich/Wittmund, Wiebke Baden, führt auf KURIER-Anfrage außerdem an, dass es sich bei dem Konzert um eine ordungsgemäß angemeldete öffentliche Veranstaltung auf privatem Grund handle. Und: „Die Bands, die nach unserem Kenntnisstand dort auftreten sollen, sind nicht verboten.“ Auf dem Gelände selbst falle die Sicherheit in die Verantwortung des Veranstalters.

Damit spricht Baden unbeabsichtigt einen weiteren Kritikpunkt der besorgten Bürger an, die sich auf Einladung des Bündnisses im Café Multi Kulti in Pewsum getroffen hatten. Denn, bei der ersten Auflage des Konzerts stellte der „Nordland Sanitätsdienst“ mindestens die Sanitäter – eine Organisation, die aus ihrer nationalistischen Gesinnung kein Geheimnis macht und deren Anfangsbuchstaben „NS“ kein Zufall sein sollen. Sollten diese Sanitäter erneut zum Einsatz kommen, und danach sieht es zumindest aufgrund eines Eintrags auf der Facebook-Seite der Organisation aus, wäre spätestens dann jede Diskussion überflüssig, dann würden die Kritiker bestätigt: Ja, dieses Konzert ist Bestandteil der rechtsextremen Szene.

Wieso wurde das Konzert genehmigt?

Aber wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass dieses Konzert genehmigt wurde? Für die Gemeinde Krummhörn fasst die parteilose Bürgermeisterin Hilke Looden den Sachstand zusammen: „Wenn die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung eines Antrags vorliegen, müssen wir ihn genehmigen“, da habe man wenig Spielraum. Allerdings habe die Gemeinde eh nur über den Ausschank entscheiden können, die Genehmigung der Veranstaltung obliege dem Landkreis Aurich. Dessen Pressesprecher Rainer Müller-Gummels erklärt, der Kreis sei in diesem Fall lediglich baurechtlich verantwortlich und habe eine befristete Nutzungsänderung genehmigt, da es keine baurechtlichen Aspekte gab, die dagegen sprachen. Beim Pressegespräch des Bündnisses wurde zusätzlich ein weiterer Punkt genannt. Dort mutmaßte man, der Landkreis habe nicht genau geschaut, weil an derselben Stelle bereits andere Veranstaltungen stattgefunden hatten. „Die haben das deshalb durchgewunken“, so ein Teilnehmer.

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