100 Jahre Niederdeutsche Bühne Norden: Ein Rückblick auf ein Jahrhundert Theatergeschichte
„De Vergantschoster“ war das erste Theaterstück der Niederdeutschen Bühne Norden. Mit dieser Komödie wird sie im März 2025 anlässlich des 100-jährigen Bestehens auch ins Jubiläumsjahr starten.
Norden Die Niederdeutsche Bühne Norden kann in 2025 auf ihr nunmehr 100-jähriges Bestehen zurückblicken. Dieses Jubiläum soll (der KURIER berichtete) das ganze Jahr über mit verschiedenen öffentlichen Aktivitäten gefeiert werden.
Es waren Peter Smit, Otto Köster, Cornelius Kieviet, Tjado und Hinrich de Vries sowie Annette Bruns, die in der Küstenstadt 1925 eine Spielergemeinschaft gründeten, und damit letztlich – bis heute – einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Belebung der Küstenstadt lieferten. Sie haben vor 100 Jahren schon vorausgesehen, wie wichtig es für die Heimatverbundenheit ist, die plattdeutsche Sprache zu erhalten und zu pflegen.
Schon am 16. April 1926 führte die kleine Theatergruppe in der Gaststätte Börse (heute: City-Kauf) ihr erstes Theaterstück auf: „De Vergantschoster“ von Alma Rogge. Die Norder Bühne hatte es zunächst nicht leicht, denn sie begann ihre Aktivitäten in einer Zeit, als die plattdeutsche Sprache vielen Leuten nicht mehr fein genug war. Allerdings gab es auch Mitmenschen, die den Wert der Muttersprache erkannten. Sie riefen in Norden und in anderen Orten Heimat- und Brauchtumsvereine ins Leben. Außerdem wurde die junge Bühne vom KURIER unterstützt, der sie anspornte und damit allmählich auch das Interesse des breiten Publikums weckte.
Die Krise der Arbeitslosigkeit Anfang der 1930er-Jahre und die tiefgründigen politischen Umwälzungen 1933 und 1945 konnten das Bestehen der Bühne ebenso wenig erschüttern wie die Schicksalsschläge, die einige Mitglieder im Lauf der Zeit erdulden mussten. Freundschaft und Zusammenhalt war immer das feste Fundament dieser Gemeinschaft.
Die Laiendarsteller hatten schon nach wenigen Inszenierungen eine stattliche Fan-Gemeinde hinter sich. Der Durchbruch gelang unter anderem mit der Einführung des traditionellen „Pingstmarktspills“ im Frühjahr, später ergänzt durch das „Beestmarktspill“ im Herbst, die heute fester Bestandteil der Norder Kulturszene sind. Mit ihren unzähligen Komödien und Musikstücken bereiteten und bereiten die Spielenden bis heute ihren Zuschauenden vergnügliche Stunden. Doch haben sie mehrfach schon bewiesen, dass sie durchaus in der Lage waren und sind, auch ernste Stücke in Szene zu setzen.
Die Zuschauerinnen und Zuschauer der Bühne kamen nicht nur aus Norden, sondern auch von weiter weg. Daneben gab die Bühne bis zum Beginn der 1980er-Jahre hinein Gastspiele in Nachbarorten und sogar in den Niederlanden.
342000 Zuschauende
Von 1925 bis 2000 hatte die Niederdeutsche Bühne Norden 303 Theaterstücke inszeniert (167 verschiedene Titel), die von rund 342000 Zuschauerinnen und Zuschauern gesehen wurden – zunächst in der „Börse“, später im Hotel Deutsches Haus und danach (ab 1970 bis heute) in der Aula des Schulzentrums Ekel, dem heutigen Theater Norden, das der Bühne hervorragende Bedingungen bietet, sodass sie sich dort nahezu professionell präsentieren kann, und das, obwohl alle Mitwirkenden völlig ehrenamtlich arbeiten.
Abenteuerliche Proben
Die Proben geschahen früher manchmal unter fast abenteuerlichen Bedingungen. In den ersten Jahren mussten die Kulissen auf der Straße in der Doornkaatlohne zusammengebaut und gestrichen werden. Und geprobt wurde dort, wo gerade Platz war – mal im Hotel Henschen oder im Hotel zur Post, mal bei Foto Paulsen im Studio und mal bei Jakob Oldewurtel in der Gaststätte Mittelhaus oder später auch auf dem Boden des Geschäfts von Poppe Schumann, der nur über eine Leiter zu erreichen war. Danach wurden die ehemalige Schule an der Waldstraße, das damalige Schulzentrum Ekel (heute Oberschule) und ein früherer Schulpavillon zu Probenstätten.
1990 bot die Stadt der Bühne an, die Immobilie der Tischlerei Gerdes in der Kleinen Hinterlohne 3 a (heutiges Bühnenheim) zu pachten. Ein Riesen-Glücksfall, denn hier herrschten und herrschen optimale Bedingungen für den Theaterbetrieb. Nach einigen Jahren ergab sich dann die große Gelegenheit, die Immobilie zu kaufen.
Geschichts-Auszüge
Es ist an dieser Stelle unmöglich, alle Höhepunkte der letzten 100 Jahre innerhalb des Vereins aufzuzählen. Aus diesem Grund werden nachfolgend nur einige bedeutungsvolle Auszüge aus der 100-jährigen Geschichte wiedergegeben:
Erste Regisseurin
Im Herbst 1979 wurde „…un boben wahnen Engel“ (Jens Exler) gespielt. In diesem Stück führte erstmals eine Frau Regie, nämlich Jutta Julius. Die Alt-Verlegerin des KURIER, Ursula Basse-Soltau, titelte damals dann auch: „Bei der Niederdeutschen Bühne führt eine Hausfrau Regie“. Das Stück wurde übrigens ein großer Erfolg…
Die Bühne scheute sich in den 1980er-Jahren auch nicht, ihr Publikum mit tollen Kostüm- und Musikstücken zu verwöhnen. Die Musikstücke wurden bis zu den 1990er-Jahren von Hermann Dirksen einstudiert. Gerhard Degenaar komponierte die Musik dazu.
Oosterpoort
1984 ließ das Bühnenbau-Team auf Bitten der Stadt anlässlich des Stadtfestes die sogenannte Oosterpoort wieder aufleben. Das einst prägende historische Tor vor der Ludgerikirche war im April 1940, wenige Monate nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, abgerissen worden. Sechs Bühnenbildner bauten die Oosterpoort in 500 Arbeitsstunden aus Holz, Pappe und Kunststoff originalgetreu nach und stellten sie in der Nacht zum Stadtfest-Start heimlich in Nähe des ursprünglichen Standorts vor der Kirche auf. Die Resonanz in der Bevölkerung auf den Nachbau war überwältigend. Im Dezember 1999 wurde die Nachbildung anlässlich des Weihnachtsmarktes noch einmal errichtet.
„Lebennig Krippenspill“
2005 überraschte die Niederdeutsche Bühne ihre Fans erstmals mit dem „Lebennig Krippenspill“ – ein Krippenspiel mit lebendigen Tieren –, das während des Weihnachtsmarktes auf dem Blücherplatz aufgeführt wurde. Die Freilichtveranstaltung war ein riesiger Erfolg und wird seither jährlich an mehreren Tagen im Advent angeboten.
Erste Bühnenleiterin
2006 ist mit Jutta Julius zum ersten Mal eine Frau zur Norder Bühnenleiterin gewählt worden. Damit gehörte Julius auch zu den Vorreiterinnen innerhalb des Niederdeutschen Bühnenbundes. Zwei Jahre später präsentierte sich die Norder Bühne dann mit einer eigenen Homepage erstmals auch im Internet.
Theater im Hellen
Um den Berufstätigen und den Älteren unter den Zuschauenden entgegenzukommen, wurde 2013 das „Theater im Hellen“ eingeführt. Seither werden seit 2013 sonntags jeweils Vorstellungen ab 17 Uhr angeboten.
Immaterielles Kulturerbe
2015 sind die Niederdeutschen Theater-Bühnen vom Niedersächsischen Ministerium und von der UNESCO als Immaterielles Kulturerbe ausgezeichnet worden. Diese Würdigung der Arbeit um den Erhalt des plattdeutschen Theaters und der plattdeutschen Sprache ist auch eine Ehre für alle Bühnen-Mitwirkenden in Norden.
Wieder Musik-Show
2016 hat die Norder Bühne nach Jahren wieder ein Musikstück dargeboten, und zwar „In de Haifischbar, dor is wat los“ (Autor und Regisseur: Philip Lüsebrink, Hamburg). Von dieser musikalischen Show waren nicht nur die Zuschauenden total begeistert, sondern auch das Ensemble, das sich daraufhin die Gründung eines Bühnenchors wünschte. 2017 wurde dieser Wunsch dann in die Tat umgesetzt und der Chor „Nörder Sing-Spill“ ins Leben gerufen.
Norder Stadtwette
2018 nahm die Bühne am Auftakt der NDR Sommertour teil und trug, insbesondere durch den Einsatz des Bühnenbau-Teams, maßgeblich mit dazu bei, dass die Stadt Norden die Wette gegen das Moderatorenteam von NDR 1 Niedersachsen und von Hallo Niedersachsen gewann.
Bühnenheim-Sanierung
2019 musste das Bühnenheim aufgrund eines unterirdischen Wasserschadens aufwendig saniert werden. Der hohe Schaden konnte nur mit einem kräftigen Zuschuss des Landes Niedersachsen und viel Eigenleistung behoben werden.
Corona-Pandemie
Wegen der Corona-Pandemie war die Bühne ab März 2020 gezwungen, ihre Aufführungen abzusagen und die Spielzeit in den Herbst 2021 zu verlegen.
Karten-Online-Verkauf
Und wieder eine Neuerung bei der Norder Bühne: Ab März 2024 bietet sie ihren Theater-Freunden nun auch einen Karten-Online-Verkauf an, und zwar über die Bühnen-Homepage www.ndb-norden.de. Außerdem präsentiert sich der Verein neuerdings unter ndb_norden_e.v über das soziale Netzwerk Instagram, das über das Smartphone abgerufen werden kann.
Seit jeher ist die Norder Bühne mit der Zeit gegangen und ständig dabei, die Qualität ihrer Arbeit noch weiter zu steigern, um ihren Zuschauenden sehr gutes plattdeutsches Theater zu bieten. Hierzu könnten die Namen vieler Bühnenmitglieder vor und hinter den Kulissen aufgereiht werden, die sich für die Niederdeutsche Bühne eingesetzt und mit dafür gesorgt haben, dass der Verein lebendig bleibt und zuversichtlich in die Zukunft blicken kann. Sie werden immer wieder genannt und unvergessen bleiben.