125 Jahre „Klamottendenkmal“ auf Norderney

Denkmal im Jahr 1910 mit Büste des Kaisers Wilhelm I. und Reichsadler. Fotos: Wikipedia

Norderney Die wenigsten wissen es: der Tag des offenen Denkmals, der jährlich am zweiten Sonntag im September begangen wird, ist das größte Kulturevent Deutschlands. Am 8. September öffnen sich flächendeckend in der ganzen Republik über 5000 Denkmaltüren, um der Öffentlichkeit Zugang zu gewähren. Dabei sind geheimnisvolle Burgen, verwinkelte Fachwerkhäuser oder prunkvolle Kirchenanlagen. An diesen sonst nicht zugänglichen Orten hat an diesem Tag jeder die Gelegenheit, sich über die Historie der entsprechenden Bauwerke zu informieren und sie aus einer ungewohnten Perspektive zu betrachten.

125-jähriges Jubiläum

Letzteres wird beim Norderneyer Kaiser-Wilhelm-Denkmal, das auf dem Platz zwischen Bismarckstraße, Friedrichstraße, Herrenpfad und Knyphausenstraße steht, schwer, denn der 13 Meter hohe Obelisk ist massiv aus Stein gebaut. Pünktlich vor dem Tag des offenen Denkmals feiert das Gebilde sein 125-jähriges Jubiläum, denn am 2. September 1899 wurde es nach einjähriger Bauzeit enthüllt.

Warum das Denkmal im Volksmund auch „Klamottendenkmal“ genannt wird, gerät auch langsam in Vergessenheit. Grund hierfür ist der ältere landschaftliche Gebrauch des Wortes Klamotte als größerer Stein. Im Berlinerischen kann es aber auch abwertend als zerbrochener Mauerstein oder sogar Dreck und Schutz übersetzt werden.

Der Grund für das Errichten des Kaiser-Wilhelm-Denkmals hingegen ist zweifelsfrei. Zum einen soll es an die Reichseinigung von 1871 erinnern und zum zweiten natürlich an die Person Kaiser Wilhelm I.

Das Objekt ist als Obelisk aus Steinen von 75 Städten des Deutschen Reichs gebaut. 61 der Steine wurden von deutschen Städten, Reichsstädten und Provinzen gestiftet und tragen deren Namen eingraviert. Einige Steine haben eine symbolische Bedeutung, so beispielsweise die Steine aus Aachen und aus dem Römer in Frankfurt am Main als Krönungs- und Wahlorte der deutschen Könige und Kaiser. Ein Stein stammt aus der Kölner Stadtmauer und ein Stein aus Fehrbellin erinnert an die dortige Schlacht. Die schwersten Steine mit je fünf Tonnen Gewicht kamen aus Aschaffenburg, Baden-Baden und Leipzig. Der Granitblock aus Berlin wiegt sechs Tonnen.

Die Grundidee für das Monument stammte von Paul Wallot, nach dessen Plänen unter anderem das Reichshaus in Berlin erbaut wurde. Ursprünglich zierte den Obelisken ein auf dem obersten Abschlussstein nach Norden gerichteter preußischer Reichsadler. Die ebenfalls in Nordrichtung zeigende Bronzebüste des Namensgebers Wilhelm I. war ein Werk von Georg Küsthardt aus Hildesheim, gegossen in der Berliner Bleigießerei H. Gladenbeck. Die Steine wurden von Helfried Küsthardt arrangiert, die Betonarbeiten führte das Norderneyer Unternehmen Rath durch.

Bronze eingeschmolzen

Zur Zeit des Kaiserreichs waren zwei Bronzeplatten mit der Inschrift „Wilhelm dem Großen, Die deutschen Kurgäste“ und „Vom Fels zum Meer“ am Objekt angebracht. Die Bronzebüste und die beiden Bronzeplatten wurden 1917 an die Metall-Mobilmachungsstelle in Hamburg gegeben, um 1918 zur Waffenproduktion eingeschmolzen zu werden. Der Reichsadler wurde zum Kriegsende entfernt. An der Stelle der Kaiserbüste steht seit 1938 die von der Gemeinde Norderney gestiftete steinerne Nachbildung einer Möwe als Sinnbild für die Nordsee. Die Spitze des Obelisken wurde nicht wieder verziert.

139 Bauten schützenswert

Auf der Liste der geschützten Baudenkmale auf Norderney, die nach dem niedersächsischen Denkmalschutz erstellt wurde, ist das Klamottendenkmal nur eines von vielen. Insgesamt findet man hier 139 schützenswerte Bauten (Stand 25. Juli 2016). Die bekanntesten sind natürlich das Kap, der Leuchtturm, das Conversationshaus und das Kurtheater. Es sind aber weiterhin über 100 Wohnhäuser als Einzeldenkmal gelistet. Norderney war übrigens der erste Ort in Ostfriesland, an dem denkmalwürdige Bauten ab 1983 systematisch erfasst wurden. Denkmalschutz bedeutet für den Eigentümer die Pflicht zur Erhaltung des Gebäudes. Ein Abriss ist nur dann zulässig, wenn das Gebäude nicht wirtschaftlich ist oder es nicht zumutbar ist, es zu sanieren oder zu erhalten. Eine Erhaltungssatzung wurde vom Rat der Stadt am 25. März 1985 verabschiedet. Eine erste Liste Norderneyer Kulturdenkmale wurde 1987 fertiggestellt und trat am 7. Juli 1987 in Kraft. bos