25 Jahre im Dienst der Seehunde: Dr. Peter Lienau feiert sein silbernes Jubiläum

Von Christian Schmidt

Dr. Peter Lienau ist Diplom-Forstwirt, der sich seit einem Vierteljahrhundert um die Seehundstation kümmert.

Norddeich Eigentlich will Dr. Peter Lienau den KURIER ja gar nicht treffen. Große Feierlichkeiten sind nicht so seins. Auch die Ballons, vor allem die beiden großen silbernen, eine geformte Zwei und eine Fünf, sind ihm nicht wirklich wichtig. Und doch: Wenn der Leiter einer der bekanntesten Einrichtungen in Norden silbernes Dienstjubiläum begeht, kommt er um gewisse Feierlichkeiten nicht herum. Seit 25 Jahren leitet er nämlich die Seehundstation in Norddeich. Das ist in einer schnelllebigen Zeit eine Ewigkeit für einen Geschäftsführer, für Lienau aber vor allem ein Zeichen für die gute Arbeit, die sein gesamtes Team leistet.

Entsprechend ruht er sich auf seinen Lorbeeren gar nicht aus, sondern erzählt bei der Begrüßung in seinem Büro erstmal, dass sein Kollege Walter Schumann aus der Verwaltung zeitgleich mit ihm in der Seehundstation angefangen hat. Zum Doppeljubiläum gab es ein Abendessen, dann wurde weiter gearbeitet.

Zu tun ist immer etwas. Wer in der Seehundstation, einer der touristischen Höhepunkte der Stadt und zeitgleich eine wichtige Natureinrichtung der gesamten Nordseeküste, arbeitet, hat sieben Tage die Woche Dienst. Und dabei geht es nicht nur um die sieben Stunden, die das Haus täglich geöffnet hat. Rund um die Uhr werden Funde gemeldet und müssen Tiere versorgt werden.

Das macht Peter Lienau nicht selbst. Er ist Diplom-Forstwirt, studierte in Göttingen, war in Afrika tätig, suchte einen Beruf im wildbiologischen Bereich. Seine Frau ist Norderin. Als er seinerzeit sah, dass es in Norden eine berufliche Perspektive gab, bewarb er sich. Und wurde eingestellt.

Perfekte Teamarbeit

Zu seiner Arbeit gehört heute viel Verwaltung, Absprachen, Bürokratie. Feldforschungen zu betreiben, ist ihm aus zeitlichen Gründen gar nicht mehr möglich. Aber er weiß auch, dass in seinem Team Menschen sind, die das „sowieso viel besser können“. Tierpfleger Tim Fetting und den Biologen André Marliani nennt er beispielhaft, und sowieso alle, die an der Kasse sitzen, und tagaus, tagein lächelnd die Besucher beraten und bedienen. Stets freundlich, auch wenn die Gäste ihrerseits nicht freundlich sind, sich zuweilen beschweren, dass man die Seehunde nicht streicheln dürfe. „Ich“, gibt Lienau zu, „könnte diesen Job nicht.“

Wenn Peter Lienau sich an seinen Start in der Seehundstation erinnert, fällt ihm ein, dass das Haus zuerst ausschließlich durch Spenden finanziert wurde. Ehrenamtler und 600-Mark-Kräfte sorgten für den Betrieb. Das war für ihn keine Perspektive, als er den Job antrat. Seine Frau bekam ein Kind, von Spenden konnte er die Familie nicht ernähren. Ein erster Schritt war im Jahr 2000 folgerichtig, ein Eintrittsgeld zu erheben. Lienaus Vorgänger Winhold Schumann war skeptisch. Würden durch einen Eintritt nicht die dennoch nötigen Spendengelder verloren gehen? Die Angst sei berechtigt, aber letztlich unbegründet gewesen.

Zehn Euro kostet einen Erwachsenen heute der Besuch, gespendet wird weiterhin. Seit der Einführung digitaler Tickets vermehrt übers Internet. Da werden Beträge, beispielsweise für die Familienkarte, schnell aufgerundet. Zudem gibt es den Freundeskreis der Seehundstation. Wer beitritt, darf immer kostenfrei in die Station. Wer eine Patenschaft übernimmt, darf sogar mit zur Auswilderung. Sein Patentier begleiten sei aber logistisch nicht möglich; einmal wäre es versucht worden. Doch kaum jemand kann genau dann anreisen, wenn ein Tier in die Freiheit entlassen wird. Daher darf man zur symbolischen Freilassung mit.

Zufriedene Kundschaft

Spenden und Tickets – beide Einnahmequellen sind noch heute wichtig. 80 Prozent der Betriebskosten werden durch Ticketverkäufe gedeckt, 17 Prozent durch Spenden. Die restlichen drei durch Fördergelder und Ähnliches. Dank der Eintrittsgelder ist das Einkommen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher. Reich werde man durch die Arbeit aber nicht, sagt Lienau.

Zehn Euro Eintritt ist ein Preis, der vollständig akzeptiert wird. Besucher werden regelmäßig nach ihrer Meinung zur Seehundstation befragt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis schneide dort immer gut ab.

Peter Lienau weiß, dass er die Besucher zufriedenstellen muss. Jeder einzelne zufriedene Gast hilft mit, dass die Station gut weitergeführt wird. Wenn sich jemand zu sehr beschwert, unterstützt er seine Mitarbeiter auch mal bei der Schlichtung und erklärt beispielsweise, dass es sich bei der Seehundstation nicht um einen Vergnügungsbetrieb handelt. „Es ist immer sinnvoll, wenn man sich vorab über das Angebot im Internet informiert“, sagt er.

Eine Fütterungsschau mit Kunststückchen wie im Zoo gibt es eben nicht. Dass die Futterfische dennoch im hohen Bogen ins Wasser geworfen werden, begründet er damit, dass die Fütterung gleichzeitig ein Training ist. Die Seehunde kämpfen um die Beute, trainieren Muskeln, werden fitter. Und Lienau weiß: „Sobald der erste Fisch ungefressen auf dem Boden landet, sind die Seehunde satt.“

Wenn die Seehunde gefüttert werden, um 11 und 15 Uhr, drücken sich die Besucher die Nasen an den Trennscheiben platt. Vor allem im Juli und August. Die besucherstärksten Sommermonate sind für Lienau und sein Team essenziell. Was hier erwirtschaftet wird, muss auch die Kosten von November bis Februar decken, wenn kaum Touristen kommen.

Ständige Entwicklung

Lienau weiß, dass sich die Seehundstation aus touristischen Aspekten immer weiterentwickeln muss. Die Halbwertszeit einer Ausstellung läge bei sieben bis zehn Jahren, sagt er. Entsprechend muss er immer wieder schauen, wo sich etwas verbessern lässt. Im Juli gab es eine neue Photovoltaikanlage, die alte, schattenspendende Planen ersetzte. 30 bis 40 Prozent des Strombedarfs deckt die Anlage täglich. Auch den Wartebereich vor der Tür würde er gern überdachen. Für die Ausstellung selbst ist zudem etwas Neues in Planung. Lienau weiß aber auch: Er hat schon so viel geplant und entwickelt, was dann nicht umgesetzt wurde; da will er über ungelegte Eier nicht sprechen.

Für das Waloseum sei ebenfalls einiges in der Pipeline. Die Schwesterneinrichtung der Seehundstation steht dem touristischen Magneten in Sachen Informationsgehalt in nichts nach. Nur, was die Besucherzahlen angeht, ist das keine sechs Kilometer entfernte Haus hintendran. 260.000 Besucher zählt die Seehundstation jährlich, ins Waloseum kommen nur 60.000, das Haus mit seiner Vogelausstellung und dem Pottwalskelett sei zudem sehr witterungsabhängig. Nur bei Regen würde es gut besucht. „Das Waloseum ist von der Fläche so groß wie die Seehundstation“, berichtet Lienau. „Wer dort durchläuft, hat aber deutlich mehr Abstand zu den anderen Besuchern.“

Wohlfühlmomente

Pläne für eine weitere Nutzung des Gebäudes, in dem auch Praktikanten einquartiert werden, bestehen. Sie werden aber noch nicht verraten. Nur: „Alle Ideen entstehen aus der Gruppe.“ Dieser Satz spiegelt seine Einstellung gut wider. Gefragt nach seinen Höhepunkten erwähnt er kein spezielles Tier oder eine besondere Freilassung, sondern die gute Zusammenarbeit mit dem Vorstand um Berend Brechters und Martin Behrendt sowie die Kooperation mit all den Ehrenamtlichen, die rund um die Uhr ansprechbar sind, wenn Menschen sich melden, die Heuler gefunden haben.

Oder vermeintlich gefunden haben. Lienau tritt an das Fenster seines Büros, von dem aus er auf die Salzwasserbecken schauen kann. 200.000 Euro jährlich kostet das Wasser, in dem die Seehunde und Kegelrobben trainieren, bevor sie nach durchschnittlich 63 Tagen wieder in die Freiheit entlassen werden können. Lienau zeigt auf einen Seehund, der sich in der Herbstsonne krümmt, die Schwanzflosse, Flipper genannt, wackelt eifrig. „Schauen Sie!“, sagt er. „Täglich erhalten wir Anrufe, weil Seehunde in dieser Position gesehen werden. Ein Tier sei in Gefahr.“ Die Anrufer müsse man beruhigen. „Jetzt fühlt sich der Seehund besonders wohl.“ Und Lienau, der so viel von der Station erzählen konnte und noch könnte, wohl auch. Obwohl die Presse wegen seines Jubiläums anwesend war.