50 Jahre Kirchgemeinde Großheide: Ein Rückblick mit Hans Jenkner

Von Silvia Cornelius

Bau der Christuskirche im Jahr 1984: Der Vorschlag von Architekt Hans-Günther Rabe aus Norden hatte den größten Anklang gefunden.

Für einen Rückblick auf die Entwicklung in 50 Jahren Kirchgemeinde Großheide gibt es wohl keine Person, die als Zeitzeuge geeigneter wäre als Hans Jenkner, erster Pastor der Gemeinde und knapp 30 Jahre als Geistlicher im Amt. Jenkner hat in seiner Amtszeit die Weichen gestellt für die positive Entwicklung und Prägung eines gesunden Gemeindelebens. Jenkner war der erste Pastor, der in Großheide sowohl wirkte als auch wohnte.

Arle als einstiger Dreh- und Angelpunkt

Der Pastor erinnert sich noch gut an die Anfänge seiner Gemeinde und an das Leben davor: In den 1970ern gingen noch alle Blicke in Richtung Arle, die Gemeinde mit ihrem sakralen Kirchengebäude war damaliger Dreh- und Angelpunkt der Bezirke Westerende, Coldinne, Südarle, Menstede und Großheide – ein weitläufiges Gebiet.

Zum Dienstbeginn Jenkners im Jahr 1972 war in der politischen Gemeinde Großheide die Entscheidung gefallen, aus den einzelnen Bezirken die Einheitsgemeinde Großheide zu bilden – die kirchlich bislang nur im Verband mit der Kirchengemeinde Arle bestand.

Ein Antrag wurde gestellt und das Landeskirchenamt Hannover entsandte einen Beauftragten, in dessen Beisein die einzelnen Bezirke mit dem Auto abgefahren und so eine Einschätzung der Lage vorgenommen wurde. Mit dabei war auch der damalige Bauausschuss-Vorsitzende Tischlermeister Johann Dirks, der sich mit den Jahren durch sein Engagement um den Bau der Kirche einen Namen gemacht hat. Schnell wurde klar: Eine vollumfängliche Kirchengemeinde in Großheide würde aufgrund der Entfernungen der einzelnen Ortschaften zu Arle einen klugen Schachzug darstellen.

Pfarrhaus ohne fließend Wasser und Telefon

Ein Gemeindeleben in Großheide fand zu der Zeit bereits in reduziertem Umfang statt: Das Gemeindehaus an der heute bekannten Stelle in Großheide wurde zwar bereits im Jahr 1968 eingeweiht, jedoch fehlten Friedhof, Kirche und es gab lediglich ein „Übergangspfarrhaus“ am Wiesenweg, in dem Pastor Jenkner im Jahr 1972 einzog und bis 1974 lebte. Ein Neubau zwar, jedoch ohne fließendes Wasser oder Telefon, geschweige denn Straßenanbindung – so weit waren die Bauarbeiten zu dem Zeitpunkt noch nicht vorangeschritten. Holprige Voraussetzungen für den Geistlichen. Die erste Telefonverbindung erhielt er mit der abgelegten Nummer der politischen Gemeinde Großheide.

Gemeindehaus als Kirchenersatz

Das Gemeindehaus als erstes Gotteshaus sollte Zentrum des Gemeindelebens Großheides sein: Mit einem Raum mit 80 Sitzplätzen bot es zwar den Platz für Taufen, Konfirmandenunterricht, den ersten Gitarrenchor, Jugendarbeit und auch die Seniorenarbeit – wenn auch im Erdgeschoss mit unzumutbaren Luftverhältnissen aufgrund der fehlenden Größe. Unüberwindbare Grenzen entstanden vor allem bei den Konfirmationen: Wenn 40 Konfirmanden ihre Konfirmation feierten, blieben gerade noch 40 Plätze für die Angehörigen. „Eine katastrophale Situation“, so Hans Jenkner. „Später führte dies zu beschränkten Teilnahmen, was im Nachhinein sicherlich nicht sehr klug war und auch nicht gut ankam.“

Auch für Hochzeiten wählten die Großheider wie in den vorangegangenen Jahrzehnten die sakrale Kirche in Arle, Beerdigungen waren aufgrund des fehlenden Friedhofs ja ohnehin nur dort möglich. „Von 1800 Gemeindemitgliedern in Großheide wandte sich ein Teil nach Berumerfehn, zwei Drittel der Gemeinde blieben in Arle“, erinnert sich Jenkner.

Kirchengemeinde wurde gefordert

Dem Pastor wurde als in Großheide Ansässiger zunehmend deutlich, dass die Interessen der Großheider in der Vergangenheit nicht so sehr wahrgenommen worden waren, Defizite bestanden und somit großer Nachbesserungsbedarf – Grund genug für ihn, den Bau der Kirche zu forcieren. Die Differenzen zwischen den Vorstellungen der Landeskirche und der Kirchengemeinde Großheide, was das Gebäude anbelangte, verzögerten jedoch das Vorhaben: Das Gebäude war kleiner geplant als gewünscht, was zwangsläufig zu einem Rückgang der Kirchgänger geführt hätte. Architekt Vogel des Landeskirchenamtes Hannover hatte bereits das Gemeindezentrum und Pfarrhaus geplant und eigentlich auch das Vorrecht auf den Kirchbau.

Die Auseinandersetzungen der Landeskirche mit der Kirchengemeinde Großheide gingen so weit, dass die Förderung des Gotteshauses kurzerhand gestrichen wurde. Nur die Bereiterklärung der Gemeinde, die Trauerfeiern nach Anlegung des Friedhofs zukünftig in der Kirche auszutragen, statt eine separate Friedhofskapelle zu errichten, führte schließlich zu einer finanziellen Zusage von 200000 DM. Bei 800000 DM Gesamtkosten eigentlich ein Tropfen auf den heißen Stein, der zu der Frage führte: Schaffen wir das, eigenständig einen Kirchbau mithilfe von den umliegenden Gemeinden zu finanzieren?

„Alle haben mit angepackt“

Es sollte funktionieren, wie sich herausstellte, und zwar so, wie es sich bis heute noch in der Großheider Kirchengemeinschaft etabliert hat: Alle haben mit angepackt. Unter Einsatz der eigenen Kräfte legten die Gemeindemitglieder und Mitarbeiter der Kirche Außenanlagen an, erledigten Pflasterarbeiten und Anpflanzungen. Vereine, Gruppen und Bürger generierten zudem Gelder durch Klootschießer-Wettkämpfe, Glühwein- und Würstchenverkauf, Haussammlungen oder Gemeindeveranstaltungen. Der Fußball-Verein TuS Großheide beispielsweise stellte die Einnahmen aus einem Freundschaftsspiel gegen Emden dem Kirchbau zur Verfügung.

Dass die Nachbargemeinden ein Jahr lang auf Zuwendungen für Bauvorhaben verzichteten, um den Kirchbau zu unterstützen, brachte abschließend dann den Erfolg: Die Errichtung des lang ersehnten Gotteshauses war gesichert.

Kirchenform mit Geborgenheitsfaktor

Nach der Ausschreibung für das neue Kirchengebäude, auf die sich mehrere Architekturbüros gemeldet hatten, fand der Vorschlag des Architekten Hans-Günther Rabe aus Norden den größten Anklang: Die finale Form sollte wie bei einer Glucke unter den Gottesdienstbesuchern ein Geborgenheitsgefühl hervorrufen, wie „unter die Flügel“ genommen und trotzdem den sakralen Charakter erkennen lassen.

Ein Gänsehautmoment für die Gemeindemitglieder war sicherlich, als nach dem Glockenguss die Glocken für den separaten Glockenturm in offenen Anhängern durch den Ort zur Kirche gebracht wurden. Die Schulen hatten hierfür den Schülern sogar frei gegeben, damit diese die Schloßstraße säumen und die Glocken auf ihrem Weg begleiten konnten, erzählt Hans Jenkner.

Rasante Entwicklung des Gemeindelebens

Von da an nahm die Entwicklung rasant Fahrt auf: Im Jahr 1985 wurde die Kirche eingeweiht, der Friedhof 1989 und nebenbei waren die Baugrundstücke günstig, sodass viele junge Familien sich in Großheide niederließen. Das führte in der Gesamtheit dazu, dass die Zahl der Gemeindemitglieder sich bis zur Verabschiedung von Pastor Jenkner nahezu verdoppelt hatte. „Ich hatte das Glück, dass ich alle zehn Jahre vom Kirchenvorstand wiedergewählt wurde, wir haben einander stets unterstützt. Der erste Pastor im Ort zu sein, hat zudem den Vorteil, man kann die eigenen Vorstellungen verwirklichen und den Grundstein legen für den erfolgreichen Gemeindeaufbau“, so der ehemalige Gemeindepastor. „Auch wenn anfangs noch oft der Vergleich zu Arle gezogen wurde.“

Verabschiedung von Großheide

Nach knapp 30 Jahren beschloss Pastor Jenkner, den Ruhestand anzutreten und den Wohnort komplett zu wechseln: „Es war die klügste Entscheidung, auch für meinen Nachfolger Pastor Peter Riesebeck.“ Für ihn wäre der Start schwerer gewesen. Wenn man 30 Jahre lang die Menschen in der Gemeinde tauft, konfirmiert und verheiratet, wollen die meisten gern durch die gleiche Person weiterbetreut werden“, erklärt der Theologe.

„Es ist uns sehr schwergefallen, Großheide war unser Zuhause, wir waren dort fest verwurzelt.“

Heute wohnt Hans Jenkner in Hatten und hat es sich mit 83 Jahren nicht nehmen lassen, am Erntedankfest zum Jubiläumsgottesdienst in seine alte Heimat zurückzukehren.