Ärzte werden in Ostfriesland Mangelware
Noch ist die Versorgung in der Region okay. Das wird sich aber ändern.
Laut Bedarfsplan liegt der Versorgungsgrad mit Hausärzten in fast allen Regionen Ostfrieslands um die 100 Prozent und teilweise sogar darüber. Auch in Sachen Aus- und Weiterbildung sieht es auf den ersten Blick gar nicht schlecht aus. Dies besagen zumindest die aktuellen Zahlen, die die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) am Mittwoch im Rahmen eines Pressegesprächs vorgelegt hat. Wenn Patienten trotzdem oft das Gefühl haben, sie müssten zu lange auf einen Arzttermin warten, so steht das dazu keineswegs im Widerspruch.
Versorgung noch gut
Vorweg ist wichtig zu wissen, dass die anvisierte Idealquote bei einem Versorgungsgrad von 110 Prozent liegt. Die erreicht momentan keine ostfriesische Region. Am besten schneidet der Bereich Norden mit einer Quote von 107,9 Prozent ab. Dazu gehören Baltrum, Berumbur, Dornum, Großheide, Hage, Hagermarsch, Halbemond, Juist, Lütetsburg, Marienhafe, Norden, Norderney, Memmert, Osteel, Rechtsupweg, Upgant-Schott und Wirdum. In diesem Bereich wäre noch eine zusätzliche Hausarztstelle frei.
In der Stadt Aurich sowie den Gemeinden Großefehn, Ihlow, Südbrookmerland und Wiesmoor liegt die Versorgung bei 99,1 Prozent und der weitere Bedarf bei sieben Hausärzten. Hinte und die Krummhörn werden ebenso wie die Inseln Borkum und Lüttje Hörn zum „Landkreis Emden“ gezählt. Dort liegt der Versorgungsgrad bei 104,8 Prozent. 2,5 Hausarztniederlassungen wären hier noch möglich. Leicht unterversorgt ist hingegen der Bereich Wittmund mit 97 Prozent und fünf möglichen weiteren Niederlassungen. Besonders große Diskrepanzen herrschen innerhalb des Landkreises Leer.
Während der Norden mit 103,8 Prozent recht ordentlich abgedeckt ist, sieht es im südlichen Bereich in den Kommunen Bunde, Jemgum, Ostrhauderfehn, Rhauderfehn, Weener und Westoverledingen mit einer Versorgung von gerade einmal 85,5 Prozent nach wie vor sehr schlecht aus. „Leer-Süd ist und bleibt unser Sorgenkind“, bestätigte die Vorsitzende des KVN-Bezirksausschusses, Mareike Grebe, am Mittwoch. Immerhin ist es gelungen, über einen Strukturhilfefonds zwei neue Ärzte für diese Region zu gewinnen. Bis die Idealquote erfüllt wäre, müssten es jedoch insgesamt zwölf sein.
50 Hausärzte und 33 Fachärzte befinden sich derzeit in der Weiterbildung. „Das ist eine unglaublich gute Quote“, freut sich Mareike Grebe. „In diesem Jahr werden 31 davon ihre Ausbildung abschließen. Natürlich hoffen wir, dass einige in Ostfriesland bleiben und hier ihre Patientenversorgung aufnehmen.“ Wie viele das tatsächlich tun werden, vermochte die Vorsitzende des KVN-Bezirksausschusses indes nicht zu prognostizieren. Dafür wusste sie zu berichten, dass stetig mehr Nachwuchs-Fachkräfte eine Teilzeitbeschäftigung anstreben.
Auf den klassischen Landarzt-Job, der seine 60 bis 80 Wochenstunden abreißen muss, um all seine Patienten vernünftig zu versorgen, haben die meisten keine Lust. Eine Konsequenz ist, dass sie auf die Gründung einer eigenen Praxis verzichten und stattdessen einen Angestelltenvertrag bevorzugen. „Deswegen ist eine Landarzt-Quote, wie sie jetzt in Niedersachsen eingeführt wird, allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein“, monierte der stellvertretende KVN-Vorstandsvorsitzende Thorsten Schmidt. „Die Quote allein genügt nicht. Wir brauchen einen Zuwachs an Studienplätzen in allen Bereichen der Humanmedizin.“
Mehr Studienplätze
Dies ist nicht zuletzt auch deshalb dringend erforderlich, weil die Hausärzte in Ostfriesland im Schnitt 55 bis 56 Jahre alt sind inklusive eines stattlichen Anteils an oder längst jenseits der Pensionsgrenze. „Allein daher ist es sinnvoll, einen Aktions- und Kooperationsplan aufzustellen, bevor ein Landarzt seine Praxis schließt und in Pension geht“, so der KVN-Vize Thorsten Schmidt in dem Pressegespräch. „Die Zukunft einer gesicherten Patientenversorgung liegt in der Kooperation mit der KVN, den umliegenden Gemeinden und den Landkreisen.“
Ungeachtet dessen hat sich auch das Verhalten der Patienten geändert. Ein einziger Hausarzt genügt den meisten offensichtlich nicht mehr. In Niedersachsen sind es inzwischen laut der aktuellen KVN-Statistik 1,7 pro Patient/-in. Zudem gehen die Menschen öfter zum Arzt als früher. Vor der Pandemie waren es in Niedersachsen etwa 12 bis 13 Millionen. Im ersten Quartal 2023 gab es einen Anstieg auf über 15 Millionen. Das sind fast doppelt so viele wie in Niedersachsen leben. Ostfriesland bewegt sich nur leicht unterhalb dieser Quote. Demnach kam die KVN hier im ersten Quartal bei 560000 Einwohnern auf rund eine Million Abrechnungen. Da lediglich eine Erfassung pro Quartal erfolgt, dürften die realen Zahlen aber noch wesentlich höher liegen. „Sicherlich spielt hier die demografische Entwicklung eine Rolle“, erklärte Mareike Grebe. „Wenn die Menschen immer älter werden, müssen sie eben auch häufiger zum Arzt.“