„Alles schreit nach echter Reform“
Beim Kaufmannsmahl in Emden gibt sich Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kämpferisch. Sie habe die Ampel noch nicht komplett abgeschrieben, sagt sie in ihrer Sonntagsrede. Die Kaufleute hielten dagegen.
Kaufmannsmahl in Emden - auch ein Ort, an dem große Politik gemacht wird - oder gemacht werden will.
Emden Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) und der niedersächsische Finanzminister Gerald Heere (Bündnis 90/ Die Grünen) sind offensichtlich noch nicht so ganz im Wahlkampfmodus. Beim traditionellen Kaufmannsmahl, das am Freitagabend im Emder „Klub zum guten Endzweck“ stattfand, beschränkten sich beide Ehrengäste jedenfalls auf recht allgemein gehaltene Sonntagsreden. Gastgeber Dr. Claas Brons und Timo Siebahn, der als jüngster Kaufmann das Wort ergreifen durfte, zeigten im Gegensatz dazu deutlich klarere Kante.
Nur die Hälfte erreicht
Klara Geywitz war bekanntlich mit dem Versprechen angetreten, dass in Deutschland 400.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut werden sollten. Diese Zielvorgabe ist buchstäblich haushoch verfehlt worden; und auch 2024 wird man unter der Marke von 200.000 bleiben. Immerhin habe ihr Ministerium jetzt im Zuge der Wachstumsinitiative der Bundesregierung ein Gesetz verabschiedet, das „schnelleres und einfacheres Bauen“ ermöglichen soll, so die SPD-Politikerin. An die Adresse der CDU-Opposition appellierte sie in dem Zusammenhang, sie möge „mitziehen und nicht den „guten Endzweck über wahltaktische Überlegungen stellen“. Mit Blick auf Ostfriesland sprach die Ministerin von einer „Leuchtturmregion“ für nachhaltige Energieerzeugung und Elektro-Mobilität. Das Emder VW Werk habe zwar momentan Probleme. „Aber VW hat auch ein riesiges Potenzial“, betonte Geywitz. Gleiches gelte für die Papenburger Meyer-Werft, deren Schiffen weltweit gefragt seien. Ansonsten lobte die Ministerin die Ostfriesinnen und Ostfriesen für deren Traditionsbewusstsein und Bodenständigkeit. Daran könnte sich manch einer im politischen Berlin ein Beispiel nehmen, empfahl Geywitz.
Atomare Abschreckung und weniger Migranten
Ausgehend vom Ukraine-Krieg und Donald Trumps Wahlsieg in den USA forderte der Vorsitzende der Emder Kaufmannschaft Dr. Claas Brons eine Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie unter Einbeziehung von atomarer Abschreckung, um mehr Eigenständigkeit und Sicherheit zu gewährleisten. Deutschland könne sich da auf Dauer nicht „heraushalten“. Insgesamt müsse „das Thema Sicherheitspolitik in der gesellschaftlichen Meinungsbildung wesentlich präsenter werden“, postulierte Dr. Brons. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Rede widmete sich der Migration. „Wahr bleibt, dass Deutschland Zuwanderung braucht“, räumte der Vorsitzende der Emder Kaufmannschaft ein. „Deutschland muss für schlaue Köpfe attraktiv sein, ihre Ideen und Innovationen werden unserer Wirtschaft und damit uns allen guttun.“ Allerdings dürften die negativen Auswirkungen von Migrationspolitik nicht unter den Teppich gekehrt werden.
Viele Gesetzesinitiativen gegen die Interessen der Bürger
Daran anknüpfend plädierte auch Timo Siebahn als jüngster Kaufmannsredner für eine „gezielte Einwanderung in notwendigem Ausmaß“. Der Geschäftsführer des Hafendienstleisters Emden Port Agency wies ferner darauf hin, dass etliche Gesetzesinitiativen nicht den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen würden. Das viel diskutierte „Heizungsgesetz“ nannte er als nur Beispiel. „Wir brauchen eine zukunftsgerichtete Wirtschaftspolitik und Investitionen in eine Infrastruktur, die einem G20-Staat würdig ist“, erklärte Siebahn. „Das Bildungssystem muss modernisiert werden, der demografische Wandel und die Altersvorsorge dürfen nicht länger aufgeschoben werden. Unser Gesundheitssystem und die Bürokratie – all dies schreit nach echter Reform und weniger Regulierung.“