Buchvorstellung: Im Gerichtsaal brennt noch Licht

Von Irmi Hartmann

Ein ehemaliger Richter gibt erneut Einblicke in die Welt des Gerichts.

Das neue Buch von Heinz-Dieter Mündel ermöglicht einen Einblick in das Richterleben.

Norden Es ist schon ein ganz spezielles Buch, das jetzt auf den Markt gekommen ist. Nicht unbedingt etwas für literarisch Feinsinnige, nichts für Leute, die mal eine nette Geschichte vorm Schlafengehen lesen möchten, auch nichts für jene, die sich mit einem guten Buch die Zeit vertreiben und in Traumgeschichten versinken möchten. Für wen also ist das was: „Im Gerichtssaal brennt noch Licht“? Noch einmal 43 Geschichten von Heinz-Dieter Mündel, der mehr als 40 Jahre juristisch tätig war, zuletzt als Vorsitzender Richter am Landgericht Aurich. Kurz beantwortet: Das ist ein Buch für jene, die schlicht mal was ganz anderes in den Händen halten, dabei staunen, aber auch nachdenken und hinterfragen wollen.

43 neue Geschichten

Dass sich Menschen für Gerichtsfälle interessieren, hat Mündel spätestens festgestellt, als er vor zwei Jahren sein Erstlingswerk: „Ich eröffne die Sitzung, bitte nehmen Sie Platz“ auf den Markt brachte. Kurz, knapp, analysierend – vermutlich auch schon in seiner aktiven Zeit. Mündel lässt einige „seiner“ Fälle noch einmal Revue passieren. Es ist offensichtlich, dass sie ihn begleiten, nicht so wirklich loslassen, warum sonst jetzt der Nachfolgeband mit 43 neuen Geschichten auf 247 Seiten, die Mündel in seiner Zeit als Richter im Gerichtssaal vor den Tisch kamen?

Es ist wie im Premierenband: Mündel beschreibt den Sachverhalt aus seiner ganz persönlichen Sicht – und anders als im Verfahren hält er vom ersten Satz an nicht hinterm Berg mit seiner Ansicht. Der Mann liebt es, nicht nur scharfsinnig zu urteilen, sondern auch scharfkantig. Da muss man als Leser schon mal schlucken und staunt gelegentlich, mit welchen Begrifflichkeiten der Autor so umgeht: „Ja, da haben sie Dich am Arsch!“ oder „Das Leben läuft in die Grütze“, Leute haben einen „Dachschaden“. Und Lehrer sind auch nicht immer Freunde des ehemaligen Richters. Sein Kommentar zu einem Fall: „Allzu früh arbeiten macht auch nur müde!“ Der gute Mann lehnt sich mit seinen Beschreibungen von handelnden und betroffenen Personen manchmal doch recht weit aus dem Fenster.

Vermutlich muss man ein dickes Fell haben, wenn man über Jahre die Welt aus Justiz-Sicht zu betrachten hatte. Mit jenen zu tun, die gescheitert sind, die sich über jegliches Recht hinwegsetzen oder. es äußerst großzügig zu ihren Gunsten auslegen. Die es nicht kümmert, ob sie anderen schaden, die ohne zu zögern Juristen ins Gesicht lügen. Und in jedes andere Gesicht nicht minder…

Märchen auf der Spur

Menschenkenntnis, gesunde Skepsis, Einfühlungsvermögen – dass man davon eine gehörige Portion benötigt, kann man sich in etwa ausmalen, wenn man die Fälle liest. Immer wieder Drogen, zu denen natürlich auch der Alkohol gehört, Körperverletzungen, Betrugsfälle, Vergewaltigungen – oder auch nicht, dazu Übereifrige auch aufseiten des Gesetzes oder Menschen, die ohne mit der Wimper zu zucken Geld in private Taschen fließen lassen. Und ja: Es gibt auch, zumindest vermittelt das dieses Buch immer mal wieder, ziemliche Idioten…

Mündel genießt es, hier und da, wenn es der Fall zulässt, sehr detailliert zu beschreiben, wie man welchen Märchen auf die Spur kommen kann, man erfährt, wozu „Weg-Zeit-Berechnungen“ notwendig, ja äußerst wichtig sein können, man blickt in Abgründe. Aber keine Sorge – allzu tief fällt ein Leser nie, Heinz-Dieter Mündel passt da schon auf, allein, weil er es durch seine manchmal derbe, gern zynische Wortwahl verhindert, dass man selbst zu tief in die Geschichten reinrutscht. Man bleibt automatisch distanziert, weil Mündel gern provokativ schreibt, in seiner Sprache gern angreift und in alle Richtungen austeilt. Also auch im eigenen Juristenbereich kein Blatt vor den Mund nimmt – der Richter geht auch mit den Vorinstanzen am Amtsgericht und mit den Kollegen aus den Reihen der Verteidiger und Staatsanwälte alles andere als zimperlich um.

Wer es „sachlich“ haben möchte, der kann in vielen Fällen, wie schon in Band eins, die ebenfalls abgedruckten Zeitungstexte nachlesen, die jeweils Martina Ricken verfasst hat. Ein interessantes Nebeneinander…

Das Buch „Im Gerichtssaal brennt noch Licht“ von Heinz-Dieter Mündel ist im Ostfriesland-Verlag SKN erschienen und kostet 19 Euro.