Das letzte Sommerkonzert in der Ludgeri-Kirche Norden
Die Besucher kamen in den Genuss eines Wettstreits der besonderen Art:
NORDEN Der Titel allein war schon etwas Besonderes: „Cembalo und Orgel – ein musikalischer Wettstreit“. Was für ein Wettstreit in der Norder Ludgerikirche konnte das sein? Einer zwischen den Instrumenten, ihrem Klang, ihren Stücken, zwischen Thiemo Janssen an der Orgel und Peter Waldner am Cembalo und an der Truhenorgel? „Andere Titel wären auch möglich gewesen“, versicherte der Gast aus Österreich schon vor Beginn, um dann dem Norder Kollegen Janssen den Vortritt zu lassen am „großen“ Instrument, der Arp-Schnitger-Orgel.
Viele Gäste waren zum letzten Sommerkonzert gekommen, ein würdiger Rahmen an diesem Mittwoch. Sie waren, so formulierte es Waldner, eingeladen, im „phantastischen Stil“ mitzureisen, oder auch im phantastischen Spiel. Eingeladen, die Lehrer, Ideengeber, Inspiratoren des großen Johann Sebastian Bach im ersten Teil des Abends neu und anders kennenzulernen, um dann Bach selbst zu vernehmen. Dieterich Buxtehude, Georg Böhm, dann Bach – Künstler des Barock, an diesem Abend dargeboten an den drei verschiedenen Instrumenten.
Janssen hatte vorab schon von den „großen Klängen“ an der Orgel gesprochen, von „zwei kräftigen, wuchtigen Stücken“, eben von Buxtehude und von seinem Lieblingskomponisten Böhm, vom „Strahlen“ der Musik geschwärmt, daneben das „filigranere Cembalo“ erwähnt. Waldner schwärmte schon vorab von „Überraschungen“ und „Brillanz“ - keine Frage, da trafen sich zwei Organisten, die ganz in dieser Musik aufgehen.
Um sich dann im „Wettstreit“ zu treffen? Gegeneinander anzutreten? Nun, vielleicht hätte man ab und an in eigener Phantasie den Vergleich mit einer Pferderennbahn anstrengen können, gerade, wenn man Peter Waldner am Cembalo zuhörte. Wie seine Finger über die Tasten flogen, wie die Töne in atemberaubender Geschwindigkeit durch den Raum sausten, wie sie Hindernisse meisterten, durch schweres Gelände sprangen und hüpften, mal in Trab verfielen (selten), um dann wieder vorzupreschen. Aber alles spielerisch leicht, federnd, so als habe das Pferd Spaß daran, sich zu verausgaben, jubiliere es unterwegs und führe neben Freudensprüngen auch noch mal eine Pirouette vor. Eine große Orgel kann da im Tempo vielleicht nicht mithalten, aber sie gibt die Richtung vor, war an diesem Abend so etwas wie der große Bruder des Cembalo, steckte eben mit gewaltigen und starken Klängen den Weg ab und schien auch zwischendurch mal den Hinweis zu geben: gemach und überhaupt – hier geht es lang!
Ein Wettstreit… und natürlich doch keiner! Eher ein Abenteuer für die Besucher-Ohren, die sich nach Buxtehudes Praeludium in a-Moll erstmal auf die Cembalotöne im „Partite diverse sopra l‘aria ‚La Capricciosa ‚“ einhören mussten. Das Feine, Zarte, Zerbrechliche erkennen, den labilen Klang wahrnehmen, der wie eine Gardine im Wind durch den Kirchenraum schwebte. Die sprudelnden Töne auffangen – ein Glück, dass gerade dieses erste Waldner-Stück ein langes war, genug Zeit, sich einzustimmen.
Einzustimmen auf das Wechselspiel Orgel-Truhenorgel: „Freu dich sehr, o meine Seele“. Was für ein Titel für das Böhm-Stück, und was für eine besondere Erfahrung. Wie sich „große“ und „kleine“ Orgel die „Tonbälle“ zuwerfen, sie auffangen, weiterspielen – oder, um im Pferderennenbild zu bleiben, die „Tonpferde“ mal in unterschiedliche Richtungen galoppieren, sich gegenseitig einfangen, ein Pferd trippelt, das andere wild galoppiert. Und als Zuhörer, Zuhörerin darf man von außen diesem Spiel beiwohnen, ist selbst gefordert, sich jeweils neu zu orientieren, aufmerksam dranzubleiben. Es zählt: nicht wer zuerst im Ziel ist, sondern das Miteinander, Nebeneinander für sich und doch im Ganzen zu würdigen. Was das Publikum anschließend minutenlang tat – und auch „Zugabe“ gerufen wurde. Die gab es zwar nicht, aber die Höhepunkte hatten alle Gäste ja schon weit über eine Stunde lang genießen dürfen. ish