Das Leuchten in der Nachbarschaft fehlt

Von Lena Rosen

Wie eine 14 Meter hohe Tanne eine Freundschaft prägt – und jetzt Abschied nimmt

Die Tanne stand jahrzehntelang an der Kreuzung Schulstraße/Rosenweg.

Norden Schon von Weitem kann man die Spitze der imposanten Tanne an der Kreuzung Schulstraße/Rosenweg erkennen. Mit ihrer Höhe von über 14 Metern überragt sie deutlich die Dächer der umliegenden Häuser. So groß wie die Tanne heute ist, so viele Erinnerungen und Geschichten bringt sie auch mit sich – und eine ganz besondere Freundschaft. Dennoch heißt es nun: Abschied nehmen.

Seit dem Jahr 1995 steht die Tanne auf dem Grundstück von Mario Demuth. Zunächst wurde sie 15 Jahre vorher auf einem Grab eingepflanzt; eigentlich sollte sie als veredelte Tanne flach und eher klein bleiben. Doch der Nadelbaum hatte andere Pläne, war irgendwann zu groß für das Grab. „Sie hat zwei Mal im Jahr einen Wachstumsschub. Sowohl in der Höhe als auch in der Breite“, erzählt Demuth. Im November des Jahres 2008, also vor über zehn Jahren, begann der Norder dann damit, die große Tanne für die Weihnachtszeit zu schmücken.

Ausgestattet mit einigen Lichterketten und überdimensional großen Christbaumkugeln stieg Demuth seitdem Jahr für Jahr auf einen Teleskopsteiger in luftige Höhe. Der Anblick der geschmückten Tanne erfreute dabei nicht nur ihn und die vielen Menschen, die an seinem Haus vorbeikamen, sondern auch seine Nachbarschaft.

Eine besondere

Freundschaft

Eines Tages sah Mai Han Zimmering durch Zufall, wie ihr Nachbar Mario Demuth auf dem Steiger in schwindelerregender Höhe stand, um eine 60 Meter lange Lichterkette um seine inzwischen 14 Meter hohe Tanne zu winden.

„Da musste ich an die Worte meines verstorbenen Mannes denken“, erzählt Han Zimmering. Dieser fragte sich nämlich Jahr für Jahr, wie der Nachbar es schaffe, die Tanne bei der Höhe immer wieder so schön zu schmücken. Nun kannte sie die Antwort und kam so mit ihrem Nachbarn ins Gespräch: „Mario erzählte mir davon, dass die Tanne ursprünglich gar nicht so groß werden sollte.“ Er habe sich dazu entschieden, die Tanne zu schmücken, um der Nachbarschaft zur Weihnachtszeit ein besonderes Leuchten zu schenken. Für Mai Han Zimmering und ihre Kinder ist die geschmückte Tanne zu einem besonderen Symbol geworden.

„Wenn wir die Lichter der Tanne schon von Weitem sahen, wussten wir: Da ist unser Zuhause“, erzählt Han Zimmering mit einem Lächeln im Gesicht. Durch die anfängliche Nachbarschaft und das Gespräch über den großen Nadelbaum entstand zwischen Mario Demuth und Mai Han Zimmering „eine enge Freundschaft mit vielen kleinen Momenten und großen Erinnerungen“.

Doch im vergangenen Jahr blieb die Tanne zum ersten Mal seit langer Zeit dunkel. Sie war einfach zu hoch, das Schmücken zu aufwendig und gefährlich. „Auch wenn ich sehr traurig darüber bin, muss ich mir eingestehen, dass die Tanne zu groß geworden ist“, sagt Demuth.

Dadurch, dass der Baum stetig wächst, werde die Pflege auch mit Blick in die Zukunft nicht leichter. Also entschied sich Demuth schweren Herzens dazu, sich von seiner Tanne zu trennen. Doch der Nadelbaum sollte seinen letzten Auftritt bekommen: Demuth spendete die Tanne an die Feuerwehr Leybucht, damit diese sie in diesem Jahr als zentralen Weihnachtsbaum der Gemeinde aufstellen könne.

Als der Nadelbaum gefällt und abgeholt wurde, blieben viele vorbeigehende Nachbarn stehen. Es war schließlich die Tanne, der sie jahrzehntelang beim Wachsen zuschauen konnten. „Es ist schade um die Tanne“, sagt eine Anwohnerin. „Aber man kann es verstehen. Und wir werden auf jeden Fall nach Leybucht fahren, um sie noch ein letztes Mal strahlen zu sehen.“