Zwei Frauen sitzen als Nebenklägerinnen im Berufungsprozess vor dem Landgericht Aurich ihrem Ex-Freund gegenüber, der auf der Anklagebank Platz nehmen musste. Der 40-Jährige Borkumer soll beide Frauen in der seinerzeit bestehenden Beziehung vergewaltigt und teilweise körperlich verletzt haben. In erster Instanz sprach ihn das Amtsgericht Emden schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Nicht nur der Angeklagte legte gegen das Urteil Rechtsmittel ein. Auch die Staatsanwaltschaft ging in Berufung. Sie möchte eine höhere Bestrafung erreichen.
Das Amtsgericht Emden war zu der Überzeugung gelangt, dass nach Streitigkeiten im Oktober 2011 in der ehemals gemeinsamen Wohnung mit einer Freundin ein Versöhnungsversuch unternommen werden sollte. Dabei kam es auch zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Dann aber soll der Angeklagte die Frau so fixiert haben, dass sie sich kaum rühren konnte, und mit ihr gewaltsam eine Sexualpraktik durchgeführt haben, die seine Freundin zuvor in Gesprächen abgelehnt hatte. Sie versuchte ihn von sich zu drängen, aber der Angeklagte habe bewusst sein überlegenes Körpergewicht eingesetzt, um die Gegenwehr zu ersticken, so hieß es im Urteil. Die Frau erlitt Schmerzen und eine blutende Verletzung. Danach trennte sie sich endgültig vom Angeklagten.
Gewaltvolle Sexualpraktiken
Eine „On-off-Beziehung“ kennzeichnete die Partnerschaft mit der weiteren Freundin, die er 2017 kennengelernt hatte. Im März 2018 wollte sie nach einem Gaststättenbesuch heimgehen. Der Angeklagte soll ihr gefolgt sein, was ihr missfiel. Die Frau soll ihm mit ihrer Handtasche auf den Rücken geschlagen haben. Daraufhin schubste er sie so heftig, dass sie auf dem Boden aufschlug und Schmerzen an den Rippen verspürte.
Auch sie lehnte die Sexualpraktik ab, die der Angeklagte immer wieder ins Spiel bringen wollte. Bei einem gemeinsamen Diskothekbesuch im Oktober 2018 verspürte sie „bleierne Schwere“, nachdem sie ein Glas Wein getrunken hatte, so hieß es im Urteil des Amtsgerichts. Der Angeklagte brachte sie nach Hause. Dort soll es dann ebenfalls zu einer Vergewaltigung gekommen sein. Bei einem weiteren Vorfall im Mai 2019 soll der Angeklagte die Frau in ihrer Wohnung zu Boden gestoßen und den Ellbogen auf den Kehlkopf gedrückt haben.
„Der Angeklagte sagt, die abgeurteilten Fälle haben so nicht stattgefunden. Die hat es nicht gegeben“, fasste der Verteidiger für seinen Mandanten zusammen, bevor der Borkumer selbst das Wort ergriff. Der Angeklagte schilderte, wie er beim Geschlechtsverkehr mit seiner früheren Freundin selbst aufgrund einer anatomischen Besonderheit an seinem Geschlechtsteil eine schmerzhafte und blutende Verletzung erlitten habe, die im Krankenhaus behandelt werden musste. Seitdem sei sein Sexualleben extrem eingeschränkt.
Der mutmaßliche Täter war selbst das Opfer – behauptet er
Auch seine neue Freundin aus dem jahr 2017 habe er nicht vergewaltigt. Vielmehr habe sie ihn förmlich terrorisiert. „Sie hat hinter meinem Rücken Recherchen über mich angestellt. Ich sollte alle Kontakte zu Frauen in den sozialen Medien löschen. Sie behauptete, ich hätte ein psychisches Problem und solle zum Arzt gehen. Sie hat hinter meinem Rücken sogar mit einem Psychologen über mich gesprochen“, trug der Angeklagte vor. „Man muss sich fühlen wie ein angeleinter Hund, der machen muss, was sie will.“
Doch Zeugen aus dem Umfeld der Frau berichteten etwas anderes, nämlich dass der Angeklagte der Frau nachgestellt, sie regelrecht gestalkt habe. Auch das bestreitet der Angeklagte. „Sie hat mich immer wieder rangeholt, um behaupten zu können, dass ich sie stalke.“
Die beiden Frauen machten ihre Aussage vor dem Landgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Der Prozess wird fortgesetzt.