Die Mobilität gerechter gestalten
Interessenverbände erörtern in Aurich Konzepte zur Verbesserung des Radverkehrs
Das Thema Radverkehr wird zu sehr ideologisiert und emotionalisiert, sagt Albert Herresthal vom Auricher ADFC. Foto: Werner Jürgens
Aurich Wie macht man Aurich fit für den Fahrradverkehr? Das war Thema einer Veranstaltung, die am Freitagabend im Auricher Güterschuppen stattfand. Eingeladen waren Vertreter und Vertreterinnen verschiedener Interessenverbände und Politiker, die anschließend in erweiterter Runde eine Podiumsdiskussion führten.
Moderiert wurde der Abend von Antje Gronewold, die zu Beginn anmerkte, dass der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) allein in Aurich immerhin 450 Mitglieder hat. „Das ist also nicht gerade ein kleiner Verein“, betonte Gronewold. Anschließend ergriff Albert Herresthal vom Auricher ADFC das Wort. Er hält das Thema Fahrradverkehr für zu sehr „ideologisiert“ und „emotionalisiert“. So würde die Forderung nach Tempolimits von manchem Autofahrer als Bevormundung der persönlichen Freiheit interpretiert. „Die Tatsache, dass Kinder nicht mehr auf der Straße spielen können oder dass viele Fahrradfahrer Angst haben, auf der Fahrbahn zu fahren, weil der schnelle und dichte Verkehr zu gefährlich ist, wird hingegen nicht als Einschränkung wahrgenommen“, so Herresthal weiter. Zudem wehrte sich der Auricher ADFC-Vertreter gegen das Vorurteil, sein Verein wolle Pkws abschaffen. „Das Auto hat in Ostfriesland eine wichtige Mobilitätsfunktion für die Infrastuktur“, konzedierte Herresthal. „Sprechen müssen wir allerdings über das rechte Maß des Kfz-Verkehrs. Das zweite Vorurteil, mit dem ich aufräumen möchte, ist, dass unser Ziel nicht darin besteht, die Menschen in ihrer Mobilität einzuschränken. Wir wollen die Mobilität nur gerechter gestalten. Es geht darum, den Menschen mehr Wahlmöglichkeiten zu geben.“
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen (AGFK) Niedersachsen-Bremen, Frank Otto, wies in seiner Rede auf das Gebot der Klimaneutralität hin. Niedersachsen will dieses Ziel ja bereits 2040 erreichen. „Manche glauben, wir müssten die Verbrenner einfach durch E-Autos ersetzen“, erklärte Otto. „Aber das wird nicht funktionieren. Wir werden nicht genug Energie herstellen können, um 49 Millionen E-Autos zu betreiben. Die Klimawende kriegen wir nur hin durch eine Änderung des Bewusstseins. Wir brauchen endlich ein Umdenken in unserer Gesellschaft, dass jeder von uns eine Aufgabe hat, daran mitzuarbeiten.“ Allerdings hat Aurich bereits einen Masterplan für den Radverkehr. „Wir investieren derzeit etwa anderthalb Millionen Euro“, wie Bürgermeister Horst Feddermann am Freitag darlegte. „Das ist mehr als der Nationale Radverkehrsplan vorsieht. Und das machen wir schon seit einigen Jahren.“ Jedoch sei Aurich ein Verkehrsknotenpunkt mit zahlreichen überregionalen Straßen, die nicht in den städtischen Kompetenzbereich fielen, weshalb oft entweder gar kein oder nur ein sehr geringer politischer Handlungsspielraum bestehe. Abgesehen davon gebe es in der Fläche viele weit entfernte ländliche Regionen. „Und ich kann niemandem einen Vorwurf machen, wenn er bei Regenwetter von Middels aus statt mit dem Rad lieber mit dem Auto in die Stadt fahren möchte“, meinte Feddermann.
In einer Videobotschaft schilderte der Emder Geschäftsmann Dirk Barghorn, warum aus seiner Sicht als Kaufmann die Aufenthaltsqualität in Innenstädten ein wichtiger Faktor ist, um Kunden anzulocken und verkehrsberuhigte Zonen ohne störende Autos dafür ein durchaus probates Mittel sein können. Als Beispiel nannte er den Neuen Weg in Norden, der früher einmal eine Durchgangsstraße war und inzwischen in eine attraktive Fußgängerzone umgewandelt worden ist. Zum Schluss kam noch die Behindertenbeauftragte der Stadt Aurich, Bärbel Pieschke, zu Wort. Sie kritisierte unter anderem, dass vor allem die meisten älteren Radwege inzwischen viel zu schmal sind. „Für ältere Leute, die sich nur noch per Dreirad fortbewegen können, ist ein Ausweichen fast unmöglich“, sagte Pieschke.