Dieses Buch ist einfach typisch ostfriesisch – im besten Wortsinn

Von Till Oliver Becker

Die Leeraner Skyline ziert das Buchcover. Grafik: Droste-Verlag

Ostfriesland Mit „Wer man früher war“ legt Carsten Tergast seinen ersten Ostfriesland-Krimi vor – und macht von Beginn an klar: Hier schreibt jemand, der die Region nicht nur tatsächlich kennt, sondern auch versteht. Der Leeraner Tergast, bekannt durch das Große Weihnachtsbuch Ostfriesland (erschienen im SKN-Verlag) und zahlreiche weitere Veröffentlichungen mit regionalem Bezug, unter anderem im Ostfriesland-Magazin, ist längst eine feste Größe unter den ostfriesischen Themenautoren. Dass er nun den Schritt ins Krimigenre wagt, überrascht daher weniger – wohl aber, wie überzeugend ihm dieser gelingt.

Im Zentrum der Geschichte steht eine Frau, die unvermittelt mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert wird. Eine kryptische Nachricht bringt Dinge ins Rollen, die sie längst hinter sich glaubte. Was folgt, ist eine Spurensuche, die nicht nur durch die weite ostfriesische Landschaft führt – von der Küste bis zu den Inseln – sondern auch tief in die Frage eintaucht, wie sehr wir von dem geprägt sind, „wer wir früher waren“.

Tergasts Heldin ist dabei keine Superdetektivin, sondern angenehm unaufgeregt – jemand, mit dem man sich identifizieren kann. Die Spannung entsteht weniger durch reißerische Wendungen als durch eine stete, unterschwellige Dringlichkeit. Dabei sind die Schauplätze alles andere als bloße Kulisse: Mithilfe zahlreicher atmosphärischer Bilder werden sie fast zu Mitspielern der Geschichte. Die visuelle Gestaltung gibt dem Buch eine ganz eigene Note – eine Mischung aus Roman, Reportage und Bilderreise durch Ostfriesland.

Sprachlich bleibt Tergast klar und bodenständig, ohne ins Banale abzugleiten. Seine Dialoge wirken natürlich, seine Beschreibungen pointiert, verlieren sich aber nicht in Details. Das Buch lässt sich leicht lesen – positiv gemeint. Denn unter der Oberfläche liegt mehr als nur ein Kriminalfall: Es geht um Identität, um Verdrängung, um das Aufdecken alter Wunden und das Weitergehen mit ihnen.

„Wer man früher war“ ist damit nicht nur ein gelungener Regionalkrimi, sondern auch ein Heimatbuch im besten Sinne – für alle, die Ostfriesland lieben oder besser kennenlernen wollen. Und für jene, die Krimis mögen, die ohne künstliches Tempo oder überzogene Brutalität auskommen.

Carsten Tergast gelingt ein atmosphärisch dichter, klug konstruierter Krimi mit Tiefgang. Ein Debüt, das Lust auf mehr macht – und hoffentlich nicht der letzte seiner Art bleibt. tob