Ein „eigentlich ganz netter Kerl“

Von Martina Ricken

Ein „eigentlich ganz netter Kerl“

Der 44-Jährige im Gerichtsaal: Ihm werden die Handschellen abgenommen.Foto: Martina Ricken

Der Stich in den Rücken kam für das Opfer völlig überraschend. Einen solchen Angriff hatte der 34-Jährige nicht erwartet. Als der Jüngere zum Wettautomaten ging, stürmte der Angeklagte von hinten auf den jüngeren Mann zu und stach zu. Für das Opfer fühlte es sich an wie ein Schlag.

Auf dem Überwachungsvideo ist deutlich zu sehen, mit welcher Dynamik der Angeklagte auf den Landsmann zu rannte. Alle beschrieben die Wut des Angeklagten in diesem Moment. Doch woher sie rührte und was der Auslöser war, konnte niemand erklären.

Andere Gäste gingen dazwischen, einer nahm dem Angeklagten das Messer ab und wurde dabei an der Hand verletzt. „Das war keine Absicht“, sagte der Helfer. Auch die anderen Zeugen schilderten das Aggressionspotenzial des Angeklagten an diesem Abend. Dennoch bezeichneten sie ihn unisono als einen eigentlich „ganz netten Kerl“.

Auch an diesem Abend hatte der Angeklagte wie fast immer Bier getrunken. Er wurde von allen als stark betrunken beschrieben. Die Aggressivität legte der Auricher auch zunächst gegen die eingesetzten Polizeibeamten an den Tag. Er schrie sie an und beleidigte sie, wie die Bodycam eines Beamten anschaulich zeigte. Erst als ihm Handschellen angelegt wurden, beruhigte sich der Angeklagte.

Vor dem Eintreffen der Polizei hatte ein anderer Zeuge eine andere Beobachtung gemacht. Der Angeklagte sei aus der Sportsbar gekommen, habe einen verwirrten Eindruck gemacht und die Hände auf seinen Kopf geschlagen. „Dann wollte er auf die Straße vor ein schnell fahrendes Auto treten. Das sah aus wie ein Suizidversuch. Das Auto konnte so eben noch ausweichen. Aber auch der Angeklagte zuckte zurück“, so die Darstellung des Passanten.

Der 44-jährige Angeklagte hatte aber noch mehr im Repertoire. Als er in die Zelle geführt werden sollte, schien er ohnmächtig zu werden. Der herbeigerufene Rettungsdienst rückte schnell wieder ab, weil er kein gesundheitliches Problem feststellen konnte. Der erfahrene Polizeibeamte, der die Situationen miterlebt hatte, charakterisierte knapp: „Das wirkte nicht echt.“

Der Prozess wird fortgesetzt.