Ein Hoffnungsschimmer am Horizont für die Meyer Werft
Mit einer Erweiterung des Portfolios um Offshore-Windenergie will die Meyer Werft der Krise trotzen Symbolfoto:privat
Papenburg Die Meyer Werft in Papenburg ist für ihre Kreuzfahrtschiffe weltweit bekannt. Derzeit steckt das Unternehmen in der größten Krise seiner Geschichte, weil sich eine riesige Finanzierungslücke von 2,7 Milliarden Euro auftut. Land und Bund stehen wegen Bürgschaften in Verhandlungen mit der Werft. Bei all den negativen Schlagzeilen gibt es nun aber eine positive Nachricht für das Unternehmen: Es steigt ins Offshore-Geschäft ein und baut sogenannte Konverterplattformen für Windkraftanlagen auf hoher See.
Was sindKonverterplattformen?
Eine Konverterplattform sieht ähnlich aus wie eine Ölbohrinsel. Es ist eine große technische Anlage, die auf fest verankerten Pfählen im Meer steht. Darauf befindet sich in einer vor Wind und Wetter geschützten großen Box die Konverterstation. Darin wird der von den Windkraftanlagen produzierte Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt. Gleichstrom hat bei langen Transportwegen deutlich geringere Verlustwerte als Wechselstrom.
Für die ambitionierten Ausbaupläne der Bundesregierung für die Offshore-Windenergie gelten die tonnenschweren Konverterplattformen als eine industrielle Schlüsselkomponente. Ohne sie kann kein Windpark auf See Strom an Land liefern.
Wie kommt derWindstrom an Land?
Der Gleichstrom wird von der Konverterstation per Seekabel auf dem Meeresgrund zur Küste geführt. An der niedersächsischen Küste sind für die Offshore-Kabel mehrere Korridore vorgesehen, die unter Inseln verlaufen. Einige Kabel liegen schon, weitere sollen noch folgen. Der Netzbetreiber Amprion hat in den vergangenen beiden Jahren für seine sogenannten Netzanbindungssysteme DolWin4 und BorWin4 die Insel Norderney mit Bohrungen unterquert. Vom Festland aus verlaufen diese Stromtrassen als Erdkabel weiter in Richtung Süden. Vor der Übergabe ins Verbrauchernetz wird der Strom wieder von Gleich- in Wechselstrom umgewandelt und über Umspannanlagen eingespeist.
Wie ist die Nachfrage nach solchen Plattformen?
Da zuletzt europaweit die Ausbauziele für die Offshore-Windenergie angehoben wurden, ist auch die Nachfrage nach Konverterplattformen hoch. Wie für viele andere Komponenten in der Offshore-Windindustrie, darunter auch Technik und Kabel, werden daher laut der Stiftung Offshore- Windenergie mehr Fertigungskapazitäten benötigt. Nach früheren Angaben des Koordinators der Bundesregierung für maritime Wirtschaft, Dieter Janecek, wird erwartet, dass von 2026 bis 2045 allein für den deutschen Markt 33 Plattformen benötigt werden, die jeweils ein Auftragsvolumen von 1,5 bis 2 Milliarden Euro hätten.
Wer baut dieKonverterplattformen?
Für den Bau tun sich üblicherweise Produzenten der Hochspannungs-Gleichstrom-Technik mit einer Werft zusammen. Die Plattformen werden an Land gebaut und später an ihrem Standort auf See installiert. Bislang gibt es nach Angaben der Stiftung Offshore-Windenergie für größere Plattformen mit einer Leistung von zwei Gigawatt nur einen größeren Produktionsstandort in Spanien, wo einige Plattformen schon in Auftrag sind.
„Da rund um die Nordsee über 300 Gigawatt Offshore-Wind installiert werden sollen, ist es für die deutschen und europäischen Ausbaupläne für Offshore-Wind wichtig, ausreichend Standorte für Konverterstationen zu haben“, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie Offshore (BWO), Stefan Thimm, der Deutschen Presse-Agentur.
Der Netzbetreiber Amprion hat für den Bau von insgesamt vier Konverterplattformen das spanische Unternehmen Dragados und Siemens Energy beauftragt. Das Konsortium hatte im vergangenen Jahr die Meyer Werft als Subunternehmer für den Stahlbau verpflichtet.
Welche Rolle spielt die
Meyer Werft?
Die Meyer Werft wird den Stahlbau für die Konverterplattformen übernehmen. Für die ersten beiden Plattformen, die für die Windparks DolWin4 und BorWin4 in der Nordsee gebaut werden, werden 11500 Tonnen Stahl benötigt. Für die größeren, weil leistungsstärkeren Konverterplattformen für die Windparks BalWin1 und BalWin2 sollen 32000 Tonnen Stahl verarbeitet werden. Der Werft zufolge entspricht die Stahlmenge dem Bau großer Kreuzfahrtschiffe.
Werden die Plattformen
in Niedersachsen gebaut?
Nein, nur der Stahlbau erfolgt in Papenburg. Anschließend werden die fertiggestellten Bauteile über die Ems in die Nordsee und von dort ins spanische Cádiz, dem Sitz von Dragados Offshore, gebracht und zu kompletten Plattformen zusammengebaut.
Inwieweit hilft dieserAuftrag der Meyer Werft?
Als Nachwirkung der Corona-Pandemie wird die Werft in Papenburg in den Jahren 2026 und 2027 jeweils nur ein Kreuzfahrtschiff ausliefern, statt zwei oder drei. Der Auftrag helfe damit, den Standort besser auszulasten, erklärte ein Werftsprecher. Außerdem sei der Auftrag das perfekte Projekt, um in den Bau von Konverterplattformen einzusteigen.
Will Meyer selbst insOffshore-Geschäft?
Die Meyer Gruppe hat ein Joint Venture mit dem belgischen Unternehmen Smulders gegründet. Die neue Firma, Neptun Smulders Engineering, will Konverterplattformen mit zwei Gigawatt Leistung entwickeln und bauen. Allerdings soll dieses Geschäftsfeld seitens Meyer in Rostock-Warnemünde angesiedelt werden. Für die erwarteten neuen Kreuzfahrtschiffsprojekte gebe es nicht genügend Bauplätze in Papenburg, hieß es.
Gibt es Unterstützung für
den Konverterbau?
Um den Bau von Konverterplattformen anzuschieben, haben Bund und Länder ein Sonderbürgschaftsprogramm auf den Weg gebracht, wie die Bremer Landesregierung in dieser Woche mitteilte. Denn für den Bau der Plattformen gibt es einen hohen Bedarf an Vorfinanzierungen. Indem Bund und Länder bis zu 80 Prozent der erforderlichen Vertragsgarantien mit Ausfallbürgschaften absichern, sollen mögliche Finanzierungsengpässe verringert werden. „Das Sonderbürgschaftsprogramm ist ein wesentlicher Baustein für den geplanten Konverterbau und damit auch für das Gelingen der Energiewende“, sagt Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD).
Auch die Offshore-Windkraft-Branche begrüßt diese Initiative. „Dies hilft den Standorten in Papenburg und Rostock-Warnemünde bei der Umsetzung von Projekten und verbessert die Chancen, dass auch Bremerhaven sowie mehrere Werften in Schleswig-Holstein hier künftig eine Rolle spielen können“, sagt BWO-Geschäftsführer Thimm. „Es geht bei Konverterplattformen um Aufträge in Milliardenhöhe – wenn diese mit Bürgschaften abgesichert sind, ist das ein gutes Geschäft.“