Ein Mahnschreiben brachte der Mutter den Tod
Weener Es muss ein minutenlanger Kampf gewesen sein, den die 87-jährige Frau in Weener vergebens führte, als ihr 61-jähriger Sohn am Abend des 25. November ein Kissen auf ihr Gesicht drückte. Die betagte Frau starb einen Erstickungstod. Diese Schlussfolgerung zog die Rechtsmedizinerin Vanessa Preuss nach der durchgeführten Obduktion. Der Sohn muss sich wegen Mordes vor dem Landgericht Aurich verantworten.
Das Opfer wies laut der Rechtsmedizinerin erhebliche Verletzungen im Gesicht und an den Unterarmen auf. Das Gesicht war gezeichnet von einem Brillenhämatom, Kratzern und punktförmigen Einblutungen. Für die Sachverständige waren das Zeichen stumpfer Gewalt, die durch Schläge, aber auch durch die feste Kompression und Quetschungen mit dem Kissen hervorgerufen worden sein können.
Von rechtlicher Bedeutung könnten die großflächigen Hämatome an beiden Unterarmen der Getöteten sowie Hämatome in Höhe der Beckenknochen sein. Für die Rechtsmedizinerin sprechen diese Verletzungen für das Szenario, dass sich der Angeklagte auf den Brustkorb der Mutter setzte und ihre Unterarme mit Unterschenkeln und Knien fixierte, um eine Gegenwehr zu unterbinden. Denn die Mutter schien sich zuvor mit den Händen gewehrt zu haben.
Der psychiatrische Sachverständige Wolfgang Trabert arbeitete in seinem Gutachten den Lebensweg des Angeklagten und sein Verhältnis zur Mutter auf, um sich so dem zu nähern, was den Angeklagten zu der Tat getrieben haben könnte.
Der Angeklagte, der fast blind zur Welt kam, inzwischen fast taub und in einem katastrophalen gesundheitlichen Zustand ist, hat fast sein ganzes Leben mit seiner Mutter zusammengelebt. Der 61-Jährige war immer ein Eigenbrötler, fühlte sich ausgegrenzt und war nicht in der Lage, Freundschaften zu schließen.
Überlegungen und Ansätze, sein Leben ohne seine Mutter zu gestalten, habe sie unterbunden auch mit dem Versprechen, sich bis zum Ende um ihren Sohn zu kümmern. „Es war fast eine symbiotische Verbindung mit der Mutter, aber nicht harmonisch, sondern ambivalent. Er war auf die Hilfe der Mutter angewiesen“, erklärte Trabert.
Am Tattag sei ein gerichtliches Schreiben mit einer Zahlungsforderung eines Telefonanbieters gekommen, das die Mutter ihm nicht vorgelesen, sondern beiseitegelegt habe. Das habe wieder zu Sorgen und „monströs aufgeblähten Ängsten“ beim Weeneraner geführt. Hinzu sei die Enttäuschung und Wut über die Mutter gekommen. Die 87-Jährige konnte aufgrund ihres sich rapide verschlechternden Gesundheitszustandes den Alltag nicht mehr bewältigen. Für den Angeklagten brach sie damit ihr Versprechen, sich um ihn zu kümmern.
Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren kam der Gutachter zu dem Schluss, dass der Angeklagte zur Tatzeit in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt und damit nur vermindert schuldfähig gewesen sei. Eine Wiederholungsgefahr für weitere Taten schloss der Sachverständige aber aus. „Die Tat konnte nur unter ganz bestimmten Umständen begangen werden.
Der Prozess wird fortgesetzt.