Elfeinhalb Jahre Haft für Stich ins Herz
Einen todbringenden Dritten hat es laut Gericht nicht gegeben, Angeklagter mit Tötungsvorsatz
Aurich/Weener Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Aurich hatte keinen Zweifel daran, dass der 52-jährige Angeklagte in Weener viermal auf einen 37-jährigen Mann eingestochen und mit einem Stich ins Herz getötet hat. Die Kammer verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von elf Jahren und sechs Monaten.
Die Kammer schloss sich der Beweiswürdigung an, die Oberstaatsanwältin Annette Hüfner in ihrem Plädoyer vorgetragen hatte. Die Richter kamen ebenfalls zu der Überzeugung, dass der Angeklagte am 27. Januar in die Wohnung des 37-jährigen Opfers eindrang, obwohl der Wohnungsinhaber ihn zuvor schon vor der Tür mit einem Fleischerbeil in der Hand aufforderte, sich „zu verpissen“. Die Wortwahl des 37-jährigen Weeneraners zeigte die aufgeladene Stimmung, die an diesem Tag herrschte.
Denn es war zuvor schon zu einem Zwischenfall an der Wohnungstür des Mieters gekommen, bei dem Blut floss. Die Freundin des Angeklagten war mit zwei Männern aufgetaucht. Ein Bekannter des Opfers, der die Tür öffnete, bekam einen Besenstiel gegen den Mund gerammt. Von all dem wusste der Angeklagte nichts, als er mit dem Fahrrad vor dem Haus des Opfers auftauchte.
Aber Richter Björn Raap stellte unmissverständlich klar, dass der drogenabhängige Angeklagte von Anfang an die Verantwortung für alles hatte, was dann folgte. „Das Opfer hatte das Hausrecht. Sie sollten sich entfernen“, betonte der Vorsitzende. „Es ist Ihnen ein erheblicher Vorwurf zu machen, weil Sie mit einem Messer bewaffnet in eine fremde Wohnung eingedrungen sind.“
Richter Raap stellte auch klar, dass der Angeklagte entgegen seiner Einlassung nicht in Notwehr gehandelt hatte, sondern zum Angriff übergegangen war. Es sei vielmehr das Opfer gewesen, das sich verzweifelt wehren wollte und dabei erneut das Fleischerbeil in die Hand nahm, das auf der Küchenzeile lag. Die Kammer berief sich dabei auf die Berichte von Augenzeugen, die sich zu jener Zeit in der Wohnung aufhielten.
Der intensiven Arbeit der Ermittler war es zu verdanken, dass eine genaue Zeitleiste der Abläufe im Umfeld des Geschehens gezeichnet werden konnte. „Wir haben eine akribische Auswertung aller Überwachungskameras, die die Polizei in der Innenstadt von Weener finden konnte“, stellte Richter Raap fest. „Wir wissen wer wann wo war.“
Anhand dieser Zeitleiste stand auch fest, dass der heftige Kampf, in dem der 37-Jährige getötet wurde, nur drei Minuten dauerte. Zeugen berichteten, dass der Angeklagte dabei die Oberhand hatte. „Sie haben dann das Messer eingesteckt und sind gegangen“, trug der Vorsitzende vor und benannte dabei „die einzige Lücke, die nicht geschlossen werden konnte“, denn das Messer wurde trotz intensiver Suche bis heute nicht gefunden. „Es ist wohl ein Reflex, eine Waffe nach einer solchen Tat zu entsorgen“, meinte der Schwurgerichts-Vorsitzende.
Allerdings war auch klar, dass nur ein Messer verwendet wurde, weil alle Wunden die gleichen Merkmale aufwiesen. Und damit war Richter Raap auch bei der Version der Verteidigung, dass ein Dritter die tödlichen Stiche gesetzt haben musste. „Wir sehen keine Luft für einen Dritten“, bezog sich der Vorsitzende auf den zeitlichen Rahmen.
Es habe zudem niemand außer dem Angeklagten einen Grund gehabt, das Opfer nach dem Kampf nachträglich zu töten. Der Verteidiger hatte in seiner Version einen ganz bestimmten Zeugen im Auge. Die Freundin des Angeklagten hatte ausgesagt, dass dieser Zeuge die Gelegenheit hätte nutzen wollen, um sich der Drogen, die angeblich in der Wohnung des Opfers lagen, zu bemächtigen. „Das ist an den Haaren herbeigezogen“, meinte Richter Raap. Die Legende vom todbringenden Dritten bezeichnete er mehrfach als „Nebelkerze“. Der Angeklagte sei intelligent, habe lange genug Zeit gehabt, sich mit der Beweislage zu befassen und dann die „Nebelkerze“ zu zünden.
Tatsächlich sei es der 52-jährige Angeklagte gewesen, der mit Tötungsvorsatz auf das Opfer eingestochen habe. Aufgrund der Angriffsrichtung und der Massivität des Angriffs, bei dem eine Rippe durchstochen wurde, kam das Gericht zu dem Schluss: „Sie wollten den Tod herbeiführen, Sie haben ihn nicht nur billigend in Kauf genommen. Richter Raap: „Die Schwere der Schuld, die Sie auf sich geladen haben, ist eher im oberen Bereich anzusiedeln.“ Der Haftbefehl gegen den Angeklagten blieb aufrechterhalten.