Er kennt Borkums dunkle Geheimnisse

Von Florian Ferber

Strandpiraterie, Friedhöfe, alte Bräuche: Nils Nörtemann ist Stadtführer. Seine Kunst: Sich perfekt auf die Gruppen einzustellen.

Er kennt Borkums dunkle Geheimnisse

Auf dem Friedhof fanden viele Seeleute ihre letzte Ruhestätte.

Borkum Wer bei Nils Nörtemann einen „Stadtrundgang zur Geisterstunde“ bucht, der ahnt: Es wird unheimlich. Zumindest teilweise. Denn der Borkumer weiß aus jahrelanger Erfahrung: Auf die richtige Mischung kommt es an.

„Eine Gruselgeschichte, dann etwas Lustiges, danach wieder ein Schocker.“ So lernt mancher Gast seine Lieblingsinsel ganz neu kennen. Denn der „schönste Sandhaufen der Welt“ hat auch eine dunkle, morbide Seite.

Die dunkle Seite der Insel

Nils Nörtemann ist überzeugter Insulaner – und bietet mehrere Themen-Touren an. Mit der Historie „seines“ Eilands ist er bestens vertraut. Was er erzählt, hat er sich in der Literatur und alten Akten angelesen. Er war in Archiven und Bibliotheken auf Anekdotenfang – und kann das, was er erzählt, anhand von Quellen belegen, wie er versichert. Wie die Geschichte des Walfängerfriedhofs. Oder die des Drinkeldodenkarkhoffs (übersetzt „Friedhof für Ertrunkene“).

Wo früher angespülte, namenlose Seeleute bestattet wurden und ihre letzte Ruhestätte fanden, ist heute der Spielplatz Sancta Maria. „Ende der 90er-Jahre musste da ein altes Holzgerüst, das morsch war, abgebaut werden. Darunter fand man ein menschliches Skelett und ein Pferdeskelett“, weiß Nils Nörtemann zu berichten.

Die Katholiken sind oft ein bisschen pikiert

Die Reaktionen auf derlei Geschichten sind unterschiedlich. „Es kommt vor, gerade wenn die Leute katholisch angehaucht sind, dass sie ein bisschen pikiert sind“, sagt der 54-Jährige, der sich ebenfalls mit kuriosen Borkumer Bräuchen auskennt. Denn da gibt es weitaus mehr als Klaasohm. Ließ sich früher zum Beispiel ein junger Mann nicht zur Heirat überreden, bekam er zwei „Entscheidungshilfen“ – ein Seil um den Brustkorb, ein Seil um die Füße gebunden – und wurde bis zum „Ja, ich will!“ bugwärts bis achtern und zurück durch den damaligen Süßwassersee gezogen.

Die Menschen aus dem Ruhrpott sind lustiger

Diese Methode kommt heute zum Glück nicht mehr zum Einsatz. Aber Nils Nörtemann weiß auch ohne derlei „Entscheidungshilfen“, wie er mit den Teilnehmenden seiner Führungen umgehen muss. „Wenn es eine eher trockene Gruppe ist, darfst du nicht zu tief in die Schwarze-Humor-Kiste greifen. Und wenn Leute aus dem Ruhrpott dabei sind, weißt du schnell, da sitzt der Clown, da sitzt der Klugscheißer, und mit denen spielst du dann.“

Die Geheimorte bleiben - geheim

Gefragt nach dem, was für ihn persönlich Borkum ausmacht, verweist Nils Nörtemann auf die Menschen. „Was mich unheimlich stolz gemacht hat, war 2016, als es bundesweit die Flüchtlingskrise gab. Da haben sich die Leute hier zusammengetan, Hilfe auf die Beine gestellt, Solidarität gezeigt.“ Und als jemand, der vermutlich jeden Winkel auf Borkum kennt, hat der 54-Jährige natürlich auch ein, zwei Geheimorte, die für ihn eine besondere Bedeutung haben, wo er gern hingeht und nur für sich ist. Welche das sind, bleibt aber sein Geheimnis.Der Heimatcheck Ostfriesland ist ein Gemeinschaftsprojekt ostfriesischer Verlage mit freundlicher Unterstützung der EWE AG und der Ostfriesischen Landschaftlichen Brandkasse. Bis zum 27. April kann man unter www.heimatcheck-ostfriesland.de an der Umfrage teilnehmen.