Erhöhung der Grundsteuer in Norden: Denkt die Politik jetzt um?
Die nächste Kandidatin für eine Anliegerstraßensanierung: Die Raiffeisenstraße mitten in der Norder Innenstadt. Mit etwas Glück müssen die Anlieger für die Arbeiten nicht bezahlen.
Norden Die KURIER-Recherche über eine mögliche Steuererhöhung zu Lasten von Grundstücksbesitzern hat im Hintergrund einiges in Bewegung gesetzt. Das Grundproblem jedoch ist geblieben: Die Anliegerbeiträge nach einem Ausbau von Straßen sollen abgeschafft werden. Hier Fragen und Antworten zum Thema.
Was plant die Stadt Norden?
Werden Straßen ausgebaut, müssen sich Anlieger bisher an den Kosten beteiligen. Dies können dann – ja nach Ausbaustandard der Straße und Grundstücksgröße – mehrere Tausend Euro sein. Im September überraschte Stadtbaurat Christian Pohl die Norder Politik mit dem Vorschlag, die Beiträge zum 1. Januar 2025 abzuschaffen. Seine Argumente: Immer wieder Ärger mit den Anliegern, viel Arbeit in den Ämtern für die Abrechnung und auch Rechtsstreitigkeiten. Die Stadt nimmt zurzeit einen „niedrigen sechsstelligen Betrag“ ein.
Und wie machen es die anderen Kommunen?
Norden ist mit seinem Plan nicht allein. Laut dem Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen haben im Jahr 2020 407 von 942 Kommunen keine Straßenausbaubeiträge erhoben. Der Steuerzahlerbund verknüpfte diese Umfrage mit der Forderung, die Straßenausbaubeiträge landesweit abzuschaffen. Das Ansinnen scheiterte, wohl auch, weil das Land nicht bereit war, den Kommunen die Verluste auszugleichen. Die Rede ist von 50 Millionen Euro im Jahr.
Aber wer soll die Kosten dann bezahlen?
Der Bund der Steuerzahler, vom KURIER zur aktuellen Diskussion in Norden gefragt, begrüßte gestern das Vorhaben der Stadt, die Anliegerbeiträge abzuschaffen. Sprecher Nico Steinert: „Manche Kommunen nehmen das Geld aus dem eigenen Haushalt, einige erhöhen die Grundsteuer.“
Aber dann macht Norden doch alles richtig?
Jein. „Ich würde nicht dazu raten, es so zu machen wie Norden“, sagt Steinert. Man hätte die Abgaben vorher abschaffen können, oder erst später. Aber nicht genau zeitgleich mit der Grundsteuerreform. Hat das ein Geschmäckle? Steinert: „Ja!“
Was hat die Grundsteuer damit zu tun?
Viele Bürger, aber auch Ministerien und die IHK Niedersachsen befürchten, dass die Kommunen die Grundsteuerreform nutzen werden, um mehr Steuern einzunehmen. Es dürfe keine „Erdrosselungssteuer“ geben, fordert beispielsweise das Bundesfinanzministerium. Bund und Länder, auch Niedersachsen, fordern, dass die neue Grundsteuer „aufkommensneutral“ sein soll. Zwar könnten sich in Einzelfällen höhere oder niedrigere Steuersätze ergeben – wenn Häuser über die Jahre wertvoller oder wertloser geworden sind. Doch in Summe solle eine Gemeinde dafür sorgen, dass ihr die Grundsteuerreform nicht mehr Geld in die Kassen spült. Wenn doch, solle sie die Hebesätze senken.
Was war der Plan der Norder Politik?
Bis Montag dieser Woche war man sich offenbar einig, dass man die Abschaffung der Anliegerbeiträge mit der erhöhten Grundsteuersumme nach der Reform gegenfinanzieren will. Beschlossen werden sollte dies bei einem geheimen „interfraktionellen Gespräch“. Die Verwaltung hatte ausgerechnet, dass künftig jährlich 800.000 Euro mehr eingenommen werden, wenn man die Hebesätze nicht verändert. Jeder der 14300 steuerpflichtigen Haus- und Grundbesitzer müsste rund 60 Euro mehr im Jahr bezahlen. Betroffen ist übrigens jeder. Denn Vermieter dürfen diese Steuer komplett auf ihre Mieter umlegen.
Gibt es jetzt vielleicht doch eine andere Lösung?
Offenbar ja. SPD-Fraktionschefin Dorothea van Gerpen, am Telefon hörbar genervt von den KURIER-Fragen, ließ gestern durchblicken: „Wir haben gegebenenfalls neue Erkenntnisse diesbezüglich.“ Die Verwaltung habe den Auftrag, das alles durchzurechnen. Mehr wolle sie aber nicht sagen. CDU-Fraktionschef Volker Glumm wurde etwas deutlicher: „Wir werden wohl finanziell etwas besser dastehen als gedacht“, das sei die Aussage der SPD gegenüber den Fraktionsvorsitzenden.
Das Fazit:
Eine Erhöhung der Grundsteuer ist noch nicht vom Tisch. Doch offenbar lotet die Politik eine Alternative aus, um sich nicht vorwerfen zu lassen, sie hätten – gegen die explizite Aufforderung von Bund und Land – die Grundsteuerreform genutzt, um ihre Einnahmen kräftig zu erhöhen.