Familie aus Dornum lagert Handgranate im Schuppen

Von Insa Pölking

Dornum In einem Anbau in Dornum liegt 2020 eine Handgranate – voll funktionsfähig. Der Schuppen gehört zu einer Wohnung, die zum damaligen Zeitpunkt eine Familie aus Nordrhein-Westfalen bewohnt. Zur Familie gehören ein 54-jähriger Mann aus Düsseldorf und seine damalige Lebensgefährtin – eine 43 Jahre alte Frau aus Meschede. Auch Teil der Familie sind drei Kinder. Kinder, die auf dem Gelände in Dornum leben und die zum Tatzeitpunkt lediglich ein Garagentor von der jugoslawischen M75-Granate trennt.

Wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz musste sich deshalb nun der 54-jährige Kfz-Mechaniker – der 1990 für die Bundeswehr tätig war – vor dem Amtsgericht Norden verantworten. Denn seine Ex-Frau warf ihm vor, die Granate in das Heim der Familie gebracht zu haben. Kurz bevor das Ex-Ehepaar im Mai 2020 nach Dornum zog, soll der Düsseldorfer seiner Frau die Handgranate gezeigt haben. Sie habe ihn daraufhin aufgefordert, die Waffe schnellstmöglich zu entsorgen.

Granate zieht mit nach Dornum

Einige Zeit später muss das Dach in der neuen Wohnung des damaligen Paares in Dornum aufgrund eines Sturmschadens repariert werden. Dafür war die Räumung des Schuppens nötig, wie die 43-Jährige dem Gericht als Zeugin erzählte. Als sie sich darüber mit ihrem Nachbarn unterhält – der sie in den vergangenen Jahren regelmäßig in der Kinderbetreuung unterstützte – scherzt sie und fragt: „Und was ist, wenn wir beim Ausmisten eine Handgranate finden?“ Eigenen Angaben zufolge habe die Leiterin einer Bildungsstätte diesen Satz spaßeshalber fallen lassen und zu dem Zeitpunkt die Existenz der Handgranate nicht präsent gehabt.

Der Nachbar hingegen – der ebenfalls als Zeuge geladen war – habe die Aussage deutlich ernster genommen. Er entschied, die Mutter mit ihren drei Kindern auszuquartieren und den Schuppen allein auszumisten – und sich gleichzeitig auf die Suche nach der M75 zu machen. Aufgefunden wurde diese tatsächlich im Anbau des Dornumer Wohnhauses und schließlich an die Polizei Norden übergeben.

Zu der Zeit lief ein Sorgerechtsstreit zwischen den Eltern. Inzwischen leben die Kinder auch nicht mehr bei der Mutter und sind in einer Pflegestelle untergebracht.

Ehepaar beschuldigt sich gegenseitig

Dass es die Handgranate im Haushalt der Familie gegeben hat, bestritt auch der 54-Jährige nicht. Er jedoch gab an, die Waffe im Keller einer früheren Wohnung der 43-Jährigen gefunden zu haben. Seinen Aussagen zufolge habe es sich wie folgt zugetragen: Gemeinsam mit seiner Frau räumt der Düsseldorfer den Keller der Nordrhein-Westfalin auf. Dabei stößt er auf ein „Riesen Sammelsorium“. Zwischen „Buttonmaschine“ und anderem Fundus entdeckt er schließlich die Handgranate. Er fragt seine Frau daraufhin, ob die Granate echt sei. Als sie dies bejaht, richtet er sich an sie mit den Worten: „Sieh zu, dass das wegkommt.“

Als Zeuge sagte gestern auch der Nachbar der 43-Jährigen aus. Er konnte einige Theorien der Klägerin bestätigen – einige Aussagen der Frau aber auch wieder entkräften. Am Ende waren sich Verteidiger, Staatsanwaltschaft und Vorsitzender einig: Der 54-Jährige wird freigesprochen. „Wir können es niemandem zuordnen. Im Zweifel müssen wir Sie freisprechen“, richtet sich Meyer an den Angeklagten. „Aber es ist erschreckend, dass im Wohnhaus, in dem auch Kinder leben, eine Granate liegt. Da hätte richtig was passieren können.“

„Handgranate wäre auf jeden Fall noch detoniert“

Zuvor berichtete der Vorsitzende des Amtsgerichts Norden von den Untersuchungsergebnissen des Landeskriminalamts. Es habe sich bei der Waffe um eine Splitterhandgranate M75 gehandelt. Diese ist eine jugoslawische Handgranate, welche für den Einsatz in nichtoffenen Gebieten wie Schützengräben, Wäldern und Bunkern konzipiert wurde. Der Körper ist mit 3000 Stahlkugeln mit jeweils 2,5 bis 3,0 Millimetern Durchmesser ausgekleidet. Der Zünder hat eine Auslösezeit von 3,0 bis 4,4 Sekunden. Es befindet sich ein „hochbrisanter Sprengstoff“ in der Granate. „Die Handgranate wäre auf jeden Fall noch detoniert“, sagt Meyer. „Sie haben Glück gehabt.“

Während der Verhandlung ging es zudem um den Besitz von Munition und Platzpatronen eines Sturmgewehrs. Auch diese wurden im Anbau des Dornumer Hauses gefunden. Der Angeklagte räumte ein, dass die Übungsmunition ihm gehöre. Sie stammten aus alten Bundeswehrzeiten und er habe nicht gewusst, dass diese noch in seinem Besitz seien. Während der Übungen vor gut 30 Jahren habe er die Munition in seiner Hemdtasche aufbewahrt. Diese nahm er zum Waschen regelmäßig mit nach Hause, weshalb sich die Munition dort schließlich sammelte. Dafür muss der 54-Jährige nun eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro zahlen und trägt die Kosten des Verfahrens.

Ex-Ehepaar befindet sich im Rosenkrieg

Dieser Prozess soll nicht der erste und mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht der letzte des Düsseldorfers bleiben. Denn wegen zahlreicher Vergehen, die der 54-Jährige seiner Ex-Frau zufolge begangen haben soll, muss sich der Angeklagte vor Gericht verantworten. Darunter Nötigung und Betrug. Auch soll er seiner Ex-Frau zufolge bereits versucht haben, ihr Haus „in die Luft zu sprengen“ und sie probierte, ein Tierhalteverbot gegen ihn zu erwirken. „Sie versucht mir immer wieder, durch Unwahrheiten das Leben schwer zu machen“, äußert sich der Angeklagte. „Ich habe teilweise gar keinen Überblick mehr. Es ist sehr ermüdend.“ Sehr lange ging es nicht gut mit dem Eheglück in Dornum. Nach einem guten halben Jahr zog der 54-Jährige aus dem gemeinsamen Heim wieder aus.