Fledermäuse in Gefahr: So engagieren sich Bürger für den Schutz der Nachttiere
Ein braunes Langohr im Flug – so erkennt man Fledermäuse nur, wenn man ganz viel Glück hat.
Norden Die Tierwelt ist bedroht. Zahlreiche Arten kämpfen um ihre Existenz. Und das sind nicht nur Elefanten und Tiger in fernen Ländern, auch heimische Tiere wie die Atlantische Kegelrobbe oder der Feldhamster stehen auf der Roten Liste. Viele Menschen haben begriffen, dass die Tierwelt geschützt werden muss, wenn sie erhalten bleiben soll.
Um aber zu wissen, was zu schützen ist, muss erst mal erfasst werden, welches Tier wo lebt. In Niedersachsen sind dafür über 3000 Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich unterwegs und melden ihre Beobachtungen nach den Kriterien des Tierarten-Erfassungsprogramms an die Fachbehörde für Naturschutz, wo die Daten aufbereitet und ausgewertet werden. Ein wichtiger Beitrag für den Naturschutz. Aber – zum Glück – nicht der einzige.
Ein Auge für bedrohte Nachttiere
Im Altkreis Norden ist beispielsweise Brigitte Hartmann für den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) aktiv. Sie setzt sich seit langer Zeit für Fledermäuse ein. Aus gutem Grund: Die nachtaktiven Säuger kämpfen ebenfalls um ihre Existenz. Die Hufeisennase ist laut WWF beispielsweise vom Aussterben bedroht. Hartmann weiß, dass in den vergangenen Jahren zwölf Fledermausarten in der Region nachgewiesen wurden.
Von der winzigen Wasserfledermaus bis zum großen Abendsegler. Ob sie alle noch immer dort sind, kann sie nicht sagen. Hartmann organisiert allerdings Nachtwanderungen durch den Lütetsburger Forst. Bislang haben die Teilnehmer – Kinder und Erwachsene – immer Fledermäuse sehen können, wurden dabei an das Thema herangeführt und berichteten von eigenen Begegnungen mit den faszinierenden Nachttieren.
Willkommen in der Bathöhle
Theodor Poppen sieht ebenfalls immer Fledermäuse. Er agiert als einer von 75 Fledermaus-Regionalbetreuern und ist in den Landkreisen Aurich, Leer und Wittmund sowie der Stadt Emden aktiv. Sein Engagement geht aber weit über das eines „normalen“ Ehrenamtlers hinaus. Zwischen 3000 und 4000 Kilometern fährt er jährlich durch die Region, um verletzte Fledermäuse zu bergen und aufzupäppeln.
Das macht er seit diesem Jahr an einem ganz besonderen Ort: Im Keller der Integrierten Gesamtschule (IGS) in Emden wurden ihm Räumlichkeiten überlassen, die zuvor als Möbellager genutzt wurden. In Eigenregie baute Poppen alles um und kann verletzte Fledermäuse nun in drei Volieren versorgen. Auf dem Weg dorthin passiert man eine symptomatische Fußmatte, darauf das bekannte Superhelden-Logo und der Spruch: „Welcome to the Batcave“.
Poppens Fledermaushöhle beinhaltet ein kleines Büro für die Verwaltung. In einem Raum züchtet er Mehlwürmer; sie zu kaufen, wäre auf Dauer zu teuer. Aber die Zucht ist langwierig, dauert mehrere Monate. Und Theodor Poppen steht erst am Beginn seiner Zucht.
Das Herzstück seines Kellers sind aber die Volieren. Zwei große, in der – nach Geschlecht getrennt – große Fledermäuse beherbergt werden, in der Mitte eine für kleinere Tiere. Hierhin brachte Poppen sie, nachdem sie halb erfroren in Haustüren oder durch Renovierungsarbeiten verletzt in Fensterkästen gefunden wurden.
In ihren Notunterkünften nisten sie sich ein, werden von Poppen gefüttert und trainiert, bis sie wieder ins Freie können. „Fledermäuse müssen zur Genesung fliegen“, erklärt Poppen. Er macht im Gang vor den Volieren entsprechende Übungen. Die Tiere müssen fit für die Freiheit sein. Draußen ist es gefährlich.
Die intensive Landwirtschaft raubt Lebensraum, moderne Häuser bieten kaum noch Unterschlüpfe, viele Orte sind in der Nacht zu hell. Dazu kommt das Verschwinden von Insekten. Poppen schätzt, dass in den vergangenen 30 bis 40 Jahren drei Viertel der Fledermäuse verschwunden sind, auch, weil die schiere Insektenmasse fehlt.
Alles andere als Teufelswesen
Wie man helfen kann? Nordens Nabu-Team um Brigitte Hartmann rät dazu, Gärten mit Pflanzen zu verschönern, die nachts ihre Düfte ausströmen, welche Nachtfalter anlocken – eine Hauptnahrungsquelle für Fledermäuse. Auch müsste nicht jeder Rasen tipptopp sein. Laub- oder Steinhaufen seien keine Unordnung, sondern ein Anreiz für die Nachttiere, die einst als Teufels- oder Hexenwesen verschrien waren und noch immer mancherorts ein schlechtes Image haben.
Theodor Poppen kann dem aber nur widersprechen. „Das sind unheimlich freundliche Wesen“, erklärt er. Dass sie bei einer ersten Begegnung die Flügel aufschlagen und das Maul aufreißen, sei verständlich. Zum einen, um dem Fremden zu drohen, zum anderen, weil sich Fledermäuse über ausgestoßene Töne orientieren. Wie sollten sie mit geschlossenem Maul Töne machen?
Wenn Poppen seine Findlinge drei- bis viermal aufgesucht hat, kennen sie ihn und werden zutraulich. In seiner „Bathöhle“ beherbergt er aktuell 30 Tiere. Sechs weitere pflegt er in seiner Wohnung; diese müssen zusätzlich gefüttert werden.
Das kann er in Emden zeitlich nicht bewerkstelligen. Poppen zeigt private Bilder, die ihn im heimischen Sessel zeigen. Auf der Brust liegt eine Fledermaus, erschöpft nach einer Fütterung. Das ginge aber nur, weil sie ihn kenne und er ohnehin rundherum geimpft sei. Eine Privatperson sollte niemals eine Fledermaus so nah an sich heranlassen.
Kein Besuch im Streichelzoo
Auch darum arbeitet Poppen in der Schule nahezu allein. Während Brigitte Hartmann Fledermauswanderungen mit bis zu 30 Personen anbietet (wobei das Interesse immer höher ist), ist sein Keller eigentlich Sperrzone. In der IGS gibt es zwar eine Fledermaus-AG, nach unten dürfen die Schüler, vor allem klassenweise, aber nicht. Für die Tiere würde es zu laut werden, zudem würden zu viele verschiedene Duftstoffe die Tiere verwirren.
Nur wenige Tage nach dem Gespräch mit dem KURIER-Redakteur erhält Poppen einen Anruf. In einem Fotogeschäft im Neuen Weg in Norden wurde ein Langohr gefunden. Poppen setzt sich ins Auto; seine Volieren bekommen Zuwachs.