Frühes Platt macht schlau

Von Till Oliver Becker

Frühes Platt macht schlau

Zweitsprache Plattdeutsch soll Teil der frühkindlichen Bildung sein, so die Landschaft. Foto: privat

Kinder, die mit Plattdeutsch und Hochdeutsch gleichzeitig aufwachsen, profitieren davon in vielerlei Hinsicht – nicht nur sprachlich, sondern auch in ihrer persönlichen Entwicklung. Das hebt die Ostfriesische Landschaft in einer aktuellen Positionierung hervor. Grietje Kammler, Leiterin des Plattdüütskbüros, erklärt: „Je früher Kinder mehrsprachig erzogen werden, desto mehr können sie davon profitieren.“

Mindestens zwei Sprachen ab Kleinkindalter

Unter „früher mehrsprachiger Erziehung“ versteht man, dass Kinder mindestens zwei Sprachen schon ab dem Kleinkindalter oder spätestens in den ersten Schuljahren regelmäßig hören und sprechen. Diese sogenannte „Immersion“ – wörtlich: Eintauchen – ermögliche es Kindern, Sprachen fast nebenbei und ohne klassischen Unterricht zu lernen, ähnlich wie sie ihre Muttersprache erwerben.

Kammler verweist auf eine Reihe von positiven Effekten, die Studien zufolge mit der frühen Mehrsprachigkeit einhergehen. Kinder, die bis zum neunten Lebensjahr mit mehreren Sprachen aufwachsen, lernen später leichter weitere Sprachen. Grund sei, dass sich das Sprachzentrum im Gehirn anders und umfassender entwickele, wodurch neue Sprachen einfacher integriert werden könnten.

Auch in der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit seien diese Kinder oft gewandter, weil sie ein breiteres Repertoire an Formulierungen beherrschten und flexibel zwischen den Sprachen wechseln könnten. Interessant ist laut Landschaft auch, dass die Muttersprache selbst davon profitiert: Kinder müssen beim Übersetzen zwischen den Sprachen bewusst über Wörter und Satzstrukturen nachdenken, was die Sprachbeherrschung insgesamt schärfe.

Darüber hinaus nennen die Fachleute auch noch weitere Vorteile: Mehrsprachige Kinder zeigten eine höhere Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit, da sie gewohnt seien, zwischen unterschiedlichen Sprachsystemen zu wechseln. Sie entwickelten zudem ein besseres analytisches Denkvermögen, weil ihr Gehirn beim täglichen Sprachgebrauch mehrere kognitive Areale aktiviere.

Auch soziale Fähigkeiten werden gefördert

Auch soziale Fähigkeiten werden nach Einschätzung der Landschaft gefördert. „Wenn Kinder im Kindergarten oder in der Schule gemeinsam eine Sprache lernen, stärkt das das Gemeinschaftsgefühl“, heißt es in der Mitteilung. Zudem seien mehrsprachig aufwachsende Kinder offener für andere Kulturen und Sprachen und nähmen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Sprachen bewusster wahr.

Besonders geeignet für die mehrsprachige Erziehung sei in Ostfriesland das Plattdeutsche, betont Kammler. Zum einen, weil es hier weit verbreitet und für viele Erwachsene leichter zu sprechen sei als eine Fremdsprache. Zum anderen, weil Kinder dem Plattdeutschen auch im Alltag immer wieder begegneten – etwa bei Nachbarn, in Vereinen oder auf dem Markt – und so einen natürlichen Bezug zur Region entwickelten. „Neben den Bildungsvorteilen entwickeln die Kinder zusätzlich ein regionales Bewusstsein“, sagt Kammler. Plattdeutsch sei nachweislich ein identitätsstiftender Faktor für Ostfriesland.

Zweite Sprache ist keine

Überforderung

Eltern bräuchten sich laut Kammler keine Sorgen zu machen, ihre Kinder mit einer zweiten Sprache zu überfordern. „Im weltweiten Vergleich ist Mehrsprachigkeit die Regel und Einsprachigkeit die Ausnahme“, erklärt sie. Ihr Appell: „Sprechen Sie so viel Plattdeutsch wie möglich mit Ihren Kindern oder Enkeln. Sie tun ihnen damit in vielerlei Hinsicht etwas Gutes.“