Geld im Kochtopf: 83-Jährige hilft bei Festnahme von Betrügern
Sie geben sich als Polizeibeamte aus und setzen ihre Opfer unter Druck: Die Wittmunder Polizei klärte jetzt einen Fall auf – und das hatte Folgen. Foto: dpa
Blomberg Mit äußerst perfiden Maschen versuchen Betrüger immer wieder, an Geld und Wertsachen vor allem älterer Menschen zu kommen. Anfang September hatten es solche Täter auf eine Seniorin aus Blomberg abgesehen. Doch der Coup ging gründlich schief. Zu verdanken war dies aufmerksamen und gedankenschnell agierenden Angehörigen der 83-jährigen Blombergerin und dem cleveren Agieren der Wittmunder Polizei.
Es war gerade Zeit für die abendliche „Tagesschau“, als bei der Seniorin das Telefon klingelte. Es meldete sich ein angeblicher Polizeibeamter. Er eröffnete der Blombergerin, dass in ihrer Nachbarschaft etwas Schlimmes passiert sei und deshalb ihre Wertsachen bei ihr nicht mehr sicher seien. Um diese „schlimme“ Nachricht zu untermauern, wurde der Hörer auch an angebliche Kollegen des Anrufers übergeben. Was genau passiert sein soll, sagten die Anrufer nicht, sondern ließen die 83-Jährige darüber im Ungewissen. Damit wurde die Unsicherheit der Blombergerin erhöht. Über eine Stunde lang wurde sie in dem Telefonat unter Druck gesetzt, der bei ihr immer weiter anwachsende Hektik zur Folge hatte.
So wundert es nicht, dass die 83-Jährige den Anweisungen der falschen Polizisten Folge leistete, auch wenn diese Anweisungen für einen Außenstehenden äußerst absurd klingen. Sie sollte ihr Bargeld in Alufolie wickeln, in einen Kochtopf legen und mit einem Deckel versehen, durch den man nicht hindurchsehen kann. Den Kochtopf sollte die Seniorin sodann vor ihre Haustür stellen, alle Türen und Fenster schließen und alles blickdicht machen.
Die 83-Jährige tat alles, was die falschen Polizisten ihr sagten. Aber sie tat auch etwas, was nicht im Sinne der mutmaßlichen Betrüger war: Sie sprach mit Angehörigen. Die waren gleich alarmiert und riefen die echte Polizei an.
Die Wittmunder Polizei reagierte schnell und pfiffig. Es wurden Zivilkräfte des Einsatz- und Streifendienstes zum Tatort entsandt. Doch es war kein Einsatz mit großem Tamtam, sondern still und leise rückten die Beamten an – und legten sich auf die Lauer. Denn der Kochtopf stand noch vor der Tür. Gegen 22 Uhr erschienen dann drei männliche Personen. Als sie sich der Haustür näherten, um den Kochtopf einzukassieren, wurden sie selbst einkassiert. Die eingesetzten Beamten nahmen die drei Männer fest, die angaben, sich nur rein zufällig auf der Auffahrt zu befinden. Diese Ausrede verfing bei den echten Polizisten aber nicht. Sie griffen zu echten Handschellen, die sich um die Handgelenke der Tatverdächtigen schlossen.
Bei den drei Männern handelte es sich um einen 16-jährigen Jugendlichen und einen 28-Jährigen aus Emden sowie einen 25-jährigen Polen. Gegen den 28-Jährigen wurde inzwischen Haftbefehl erlassen. Der Pole soll untergetaucht sein. Nach ihm wird gefahndet.
Mit der Festnahme war die polizeiliche Arbeit aber nicht getan, sondern fing jetzt erst richtig an. Ermittlungen erbrachten den Verdacht, dass die Festgenommenen und weitere mutmaßliche Komplizen für weitere gleich gelagerte Taten verantwortlich sein könnten. Die Zentralstelle zur Bekämpfung besonderer Betrugsphänomene übernahm die Federführung bei den Ermittlungen. Bislang schreibt man der Bande elf Taten von Hannover bis Oldenburg zu. Allein in Ostfriesland soll die Bande nicht nur in Blomberg, sondern auch in Marienhafe und Norden tätig gewesen sein. Insgesamt soll die Bande Geld und Schmuck im Wert von rund 180000 Euro erlangt haben.
Es folgten am 23. Oktober unter anderem in Emden und Südbrookmerland umfangreiche Durchsuchungen und Festnahmen. Gegen einige Verdächtige wurden Haftbefehle erlassen. Ein 24-jähriger mutmaßlicher Täter versuchte, sich dem Zugriff der Polizei durch den Sprung aus einem Fenster im ersten Obergeschoss zu entziehen. Er verletzte sich dabei und musste im Krankenhaus behandelt werden.
Die Ermittlungen dauern weiter an. „Man muss jedem einzelnen Beschuldigten die Beteiligung an konkreten Taten nachweisen“, verwies Staatsanwalt Christian Bagung, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Osnabrück, auf die Langwierigkeit solcher Ermittlungen. Er selbst hat in ähnlichen Betrugsfällen gearbeitet, in denen es um angebliche Gewinnversprechen von angeblichen Anwälten und Notaren ging, und die Anklage vertreten. Deshalb weiß Bagung auch, wie sehr die Opfer unter Druck gesetzt werden und wie groß die Scham ist, auf die Betrüger hereingefallen zu sein. „Einige Opfer haben sogar Suizid begangen, weil sie sich hoch verschuldet oder sich zu sehr geschämt haben“, sagte der Staatsanwalt. Deshalb sei es immer wichtig, die echte Polizei einzuschalten – im Idealfall schon dann, wenn die Betrüger den Kontakt suchen.