Gemeinsamer Lebensweg trotz Wachkomas
Obwohl es schon länger keine Aussicht auf eine Besserung gibt, möchte Juliane ihrer Frau ein möglichst normales und vollfüllendes Leben bieten.
Ohne funktionierende Klimaanlage ist die Autofahrt für Uda Siebels zu belastend. Da bleibt nur die Fahrt mit dem Taxi. Ein benachbarter Kfz-Meister versucht jetzt zu helfe
Norden Das ist Liebe: Juliane und UdaSiebels, ein Paar, unternehmen gemeinsam Reisen, wandern in der Natur, essen in Restaurants und besuchen Cafés – eine alltägliche Aktivität für viele Menschen. Jedoch hat Uda seit über 28 Jahren kein Wort mehr gesagt – sie liegt im Wachkoma. Ein Zustand, den sie nach einem Herzstillstand im Juli 1995 erlitt. Vor 28 Jahren. Kann das die Liebe überstehen?
„Ich kann mir ein Leben ohne Uda gar nicht vorstellen“, sagt Juliane. Sie ist mittlerweile 73 Jahre alt und am 5. September feierte Uda ihren 70. Geburtstag. Juliane erlernte die notwendigen Fähigkeiten, um Uda zu pflegen, einschließlich der Handhabung von medizinischen Geräten wie einem Katheter und einer Magensonde. Besonders der Wechsel der Trachealkanüle, die zur Beatmung in einem Luftröhrenschnitt eingesetzt wurde, habe Juliane am Anfang Überwindung gekostet. Aber sie ist bei der Pflege ihrer Frau so routiniert, dass sie diese auch bei längeren Aufenthalten in Krankenhäusern übernimmt.
24/7 Pflege seit 1995
Uda konnte kurz vor Weihnachten 1995 nach Hause zurückkehren. Seitdem übernimmt Juliane rund um die Uhr die Pflege ihrer Partnerin. Uda erhält verschiedene Therapien, darunter Krankengymnastik, Ergotherapie und Orophaziale Therapie. Um die Pflege sicherzustellen, wurden spezielle medizinische Hilfsmittel benötigt, darunter ein anpassbares Bett, eine Pflegedusche, ein hydraulisch verstellbares Duschbett, ein Lifter und eine speziell gefertigte breitere Bobathbank für die Therapien.
Das Haus musste ebenfalls den Bedürfnissen von Uda angepasst werden, was einen mehrjährigen Umbau erforderte. Das Haus wurde so gestaltet, dass alle Räume für Uda zugänglich sind, um ihr ein möglichst normales Leben zu ermöglichen.
Eingespielter Alltag
Auch der Tagesablauf hat sich rund um die Bedürfnisse der Apallikerin entwickelt. Denn Uda muss in regelmäßigen Abständen umgelagert werden und Nahrung in kleinen Dosen über die Magensonde zugeführt bekommen.
Für eine normale Arbeit bleibt Juliane im Alltag keine Zeit. „Die Pflege ist manchmal wie ein 16-Stunden-Arbeitstag“, sagt Juliane. Aber sie könne es sich auch nicht mehr anders vorstellen: Denn sobald sie länger von ihrer Frau getrennt ist, macht sich die gelernte Fernsehtechnikerin und Friseurin zu große Sorgen um ihr Wohlergehen. Das Gleiche gilt auch andersherum. „Man merkt, wenn Juliane länger weg ist“, bestätigt Udas Physiotherapeutin Julia Saathoff, „dann zeigt Uda Stressreaktionen.“ Saathoff macht bereits seit mehreren Jahren regelmäßig Übungen mit Uda, sodass sie beweglich bleibt.
Kaputte Klimaanlage
Für den Alltag spielt auch bei Siebels das Auto eine wichtige Rolle. Denn ohne können die Termine in Kliniken oder bei Fachärzten nur mit längerer Vorplanung und der Hilfe von Taxifahrten oder Krankentransporten stattfinden. Das erschwert den Alltag ungemein, und Juliane musste bereits Kliniktermine verschieben, da kein passendes Taxi zur Verfügung stand.
Der VW Bulli, der die beiden schon lange begleitet, wurde extra umgebaut, damit auch Uda bequem mitfahren kann. Vor Kurzem ist jedoch die Klimaanlage ausgefallen und die großen Temperaturschwankungen im Auto machen Uda zu schaffen. Daher ist Juliane aktuell auf der verzweifelten Suche nach einer Kfz-Werkstatt, die die benötigten Ersatzteile beschaffen kann. Denn durch die langen Lieferzeiten für Ersatzteile sei es sehr schwierig, die Klimaanlage zu reparieren.
„Wir bleiben zusammen“
Als der KURIER vor 20 Jahren schon einmal mit Juliane gesprochen hatte, gab es noch Hoffnung, dass Uda wieder aufwacht. Etwas von der Hoffnung sei zwar noch da, aber die Welt habe sich verändert. „Uda kennt weder den Euro noch das Internet“, sagt Juliane, „auch ihre eigenen Enkelkinder hat sie noch nie gesehen.“ Es sei sehr viel, das sie neu lernen müsste und sie wahrscheinlich überfordern würde. Ihre Enkel, die mittlerweile 16 und 17 sind, seien trotzdem mit ihr aufgewachsen, haben auch bei der Pflege mitgeholfen und haben viel direkten Kontakt zu ihr.
Uda in ein Pflegeheim zu geben, ist für Juliane unvorstellbar. Juliane hat sich zwar verschiedene Einrichtungen angesehen, aber „ich will nicht, dass sie in ein Zimmer gestellt wird und man sie einfach vergisst“. Denn die letzten Worte, an die sich Juliane von Uda erinnert, ist der Wunsch: „Lass mich nicht allein!“ Und diesen Wunsch erfüllt sie ihr.
Nur das Alter mache Juliane mittlerweile zu schaffen, daher soll es in Zukunft zumindest nachts einen zusätzlichen Pfleger geben, um sie zu unterstützen.