Hager taucht vor Gericht mit 2,4 Promille auf
Hage Als Richter Demarczyk den Kläger für seine Zeugenaussage aufrufen lässt, bleibt es still im Verhandlungszimmer des Amtsgerichts Norden. Dass vor Gericht nicht jedermann ganz pünktlich zur Verhandlung erscheint, ist keine Seltenheit. Dass der Zeuge kurz darauf mit 2,4 Promille am Mittwochmorgen in den Gerichtssaal spaziert, ist da schon seltener.
Begonnen hatte die Verhandlung gestern um 9.30 Uhr. Einem 29-jährigen Hager wurde vorgeworfen, einen 53-jährigen Mann – ebenfalls aus Hage – körperlich misshandelt und verletzt zu haben. Anfang November des vergangenen Jahres suchte der Kläger eigenen Angaben zufolge das Haus des 29-Jährigen auf, um ihm einen Brief vorbeizubringen. Als dieser bemerkt, dass der Briefkasten kaputt ist, klingelt der 53-Jährige bei dem Hager. Der macht die Tür auf und schlägt umgehend auf den Rentner ein – so die Schilderung des 53-Jährigen. Der Hager soll zahlreiche Hämatome am gesamten Körper davongetragen haben.
Der 29-Jährige bestritt die Anschuldigungen des Rentners. Seiner Aussage zufolge habe er dem Mann zwar die Haustür geöffnet, die Tür mit den Worten „Du kommst hier nicht rein“ jedoch umgehend wieder zugeschlagen. Der 53-Jährige sei daraufhin ins Straucheln geraten und fiel hinten über.
Der erste Streit entsteht beim Containern
Doch warum kam es überhaupt zu der Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern? Der 29-Jährige und der 53-Jährige gerieten schon einmal aneinander, als sie sich beim sogenannten Containern trafen. Dabei werden Waren mitgenommen, die Supermärkte zuvor in ihren Containern entsorgt hatten. Da sich der Rentner dabei sehr egoistisch verhalten habe, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Erwachsenen. Darüber hinaus habe der 29-Jährige das Handy des Hagers zerstört, was ihn zusätzlich verärgerte.
Der Richter vernahm während der Verhandlung zunächst den Angeklagten. Als der Kläger nicht erschien, um seine Aussage zu tätigen, ließ Demarczyk den 53-Jährigen polizeilich vorführen. Die Beamten trafen den Hager in seiner Wohnung zwar an, der Polizei gegenüber gab er jedoch an, seinen Schlüssel verloren und deshalb nun in seiner Wohnung eingeschlossen zu sein. Das Schloss wurde daraufhin aufgebohrt und der Hager am Amtsgericht Norden abgesetzt. Als die Beamten bei dem Rentner kurze Zeit später einen Atemalkoholtest durchführten, stellten sie einen Wert von 2,4 Promille fest.
Kläger erkennt Angeklagten nicht wieder
Der Richter entschied nach einigen Tests, den Zeugen trotzdem zu befragen. Nachdem er sich über den Angeklagten im Raum wunderte und ihn für den falschen Mann hielt, kamen Demarczyk und der Staatsanwaltschaft Zweifel an der Schilderung des Zeugen. Darüber hinaus fiel es dem 53-Jährigen schwer, die Tat zu rekonstruieren, da er diese während seiner Aussage des Öfteren mit anderen Ereignissen mischte.
„Ich weiß nicht, was passiert ist“, sagt der Richter. Die Aussagen des Klägers sowie die Aussage des Angeklagten seien konstant und auch größtenteils glaubwürdig gewesen. „Aber ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass der Zeuge vernehmungsfähig gewesen ist und wann er es sein könnte. Er hat erhebliche Schwierigkeiten gehabt, kognitiv etwas zu leisten.“ Der Richter fürchtete zudem, dass er Taten und Personen durcheinandergebracht haben könnte, da er den Angeklagten im Gerichtssaal zunächst nicht erkannte. „Ich habe erheblich Zweifel, ob es sich so zugetragen hat. Und dann muss ich Sie freisprechen“, begründet Demarczyk das Urteil des Gerichts. Auch die Staatsanwaltschaft sowie die Verteidigung forderten den Freispruch des 29-Jährigen.