Hintergrund:Die Hälfte des Einkommens eines Landwirtes zahlen andere
Ackerbau in Norden: Die Landwirte leben und arbeiten in einem Geflecht von Regelungen, Anforderungen, Verbote und Wünschen. Doch dafür bekommen sie jedes Jahr Millionen an Zuschüssen. Auch in Ostfriesland.
Ostfriesland Die Proteste der Landwirte in Ostfriesland und Deutschland ebben nicht ab. Häfen werden blockiert, vorher waren es Straßen und ganze Orte, inzwischen werden auch Medien blockiert, die angeblich falsch, zuwenig oder nicht genehm berichten .
Die Kürzung von Subventionen war der Anlass, inzwischen sind die Landwirte umgeschwenkt auf die Forderung „Die Ampel muss weg“, und sie haben es geschickt geschafft, ihren Protest auf andere Berufsgruppen zu übertragen, so auf den Mittelstand und viele andere, die sich benachteiligt fühlen.
Eine E-Mail stellte eine wichtige Frage
Die E-Mail, die im Postfach des KURIER landete nach einem Bericht über die Blockadeaktion Emden, war eindeutig: Der Landwirt XX, der dort gerade als Anführer stehe und ausbleibende Zahlungen beklage, bekomme jedes Jahr 77000 Euro von der EU für seinen Hof in Hinte. Ob das wohl nicht genug sei? Den Namen des Betroffenen nennen wir hier nicht.
Das diese Höhen der Zahlungen für jeden einzelnen Empfänger öffentlich sind, ist der EU zu verdanken. Landwirte, die von ihr Geld bekommen – und das sind so ziemlich alle – müssen es sich gefallen lassen, dass Ihre Namen und die Summen öffentlich einsehbar sind. Nachzulesen auf der Internetseite www.agrar-fischerei-zahlungen.de
Also klagen die Landwirte auf hohem Niveau und kämpfen für Zuschüsse, die andere Berufsgruppen gerne hätten?
54 Millionen jedes Jahr nach Ostfriesland
Fast scheint es so. Denn nicht nur, dass die EU jedes Jahr rund 54 Millionen Euro an die ostfriesischen Landwirte schickt, kommt noch hinzu, das diese in den vergangenen Jahren glänzend verdient haben.
Laut Deutschen Bauernverband und dem Fachmedium agrarheute.com stieg der Gewinn pro Betrieb im Jahr 2023 auf 132.000 Euro. Das sei ein Plus von 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ganz klar: Die Landwirte profitierten von hohen Lebensmittelpreisen aufgrund der Ukraine-Krise. Doch inzwischen sind die Erlöse wieder im Sinkflug.
Etwa die Hälfte des Gewinns bei Landwirten stammt aus Subventionen,, das berichtet das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. Fallen die Steuervergünstigungen für Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiungen für landwirtschaftliche Geräte weg – wie hoch wären dann die Mehrbelastungen? Der Bundesverband Lohnunternehmen hat es ausgerechnet. Ihm zufolge soll die Kfz-Steuer demnächst pro Traktor und Jahr 700 Euro, Großtraktoren sollen 1500 Euro an Steuer kosten. Die Mehrkosten hat die Bundesregierung allen Protesten zum Trotz nicht zurückgenommen.
Steuer auf Diesel wird in etwa halbiert
Etwas anders sieht es bei den Diesel-Subventionen aus. Sie sollen auch fallen, das aber langsam Zug um Zug.
Zurzeit wird Diesel mit 47 Cent pro Liter versteuert, teilt dazu das Landwirtschaftsministerium Niedersachsen mit. Bauern zahlen zurzeit rund 21 Cent weniger Steuer pro Liter. Der Verband der Lohnunternehmer rechnet für einen Betrieb mit 100 Hektar Fläche mit Mehrkosten von etwa 3000 Euro pro Jahr.
Angesichts der beispielhaften Subventionssumme von unserem Beispiel, dem protestierenden Landwirt aus Hinte – und einem Durchschnittsgewinn von über 100000 Euro: Ist das ein Zuviel an Mehr?
Zum einen: Der Gewinn eines Betriebes ist nicht das, was wirklich überbleibt. Aus der Summe müssen beispielsweise Investitionen bezahlt werden, Löhne für Arbeitnehmer, die Zahlungen für die Altersabsicherung. Subventionen sind zudem an Bedingungen geknüpft. Natürlich müssen Subventionen versteuert werden. Ob dies immer in Gänze geschieht, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Der Bundesrechnungshof erhob 2019 den Vorwurf, dass „Empfänger von Agrarsubventionen diese Gelder“ eben „nicht ordentlich versteuern“. Diesem Vorwurf widersprach der Bauernverband naturgemäß.
Subventionen sind an Bedingungen geknüpft
Laut Bauernverband seien Subventionen aber auch daran geknüpft, dass Bauern Maßnahmen für „Umwelt und Biodiversität“ umsetzen, beispielsweise Flächen brachliegen lassen. Der Landwirtschaftliche Hauptverein formuliert es drastischer: Mehr Tierwohl, mehr Umweltschutz, kein Pflanzenschutz mehr: „Die Anforderungen, die Politik und Gesellschaft an die Landwirte stellen, haben mittlerweile ein Ausmaß angenommen, das nicht mehr bezahlt, geschweige denn gewertschätzt wird“, sagt Maren Ziegler vom Verein in Aurich. Dieser Vorstoß habe das Fass zum Überlaufen gebracht. Letztlich sollen Subventionen aber bewirken, das die bäuerliche, oft noch familiäre Landwirtschaft in Deutschland und Europa erhalten bleibt und die Preise für Lebensmittel aus heimischer Erzeugung nicht durch die Decke schießen.
Die beiden Subventionen, die nun zur Streichung anstehen, sollen deutsche Bauern wettbewerbsfähiger gegenüber ihren Kollegen in Europa machen.
Es bleibt jedoch das Gefühl bei vielen: Landwirte kämpfen mit ihrer starken Lobby im Hintergrund um Subventionen, die andere gern hätten – und um Streichungen, die marginal sind.