Hohe Strompreise: Lies schlägt Industrie-Alarm
Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies nimmt die Bundespolitik in die Verantwortung, umgehend niedrigere Strompreise zu ermöglichen. Foto: Till Oliver Becker
Daran, dass der Elektromobilität die Zukunft gehöre, ließ Olaf Lies keine Zweifel. Dafür und für die dazugehörige Infrastruktur sei Emden geradezu prädestiniert. “Stadt und Region bieten das Potenzial, das für einen fast schon geschlossenen Wertschöpfungskreislauf benötigt wird“, so Lies. Dass es bisher allerdings an Fortschritten im Bereich der Transformation zu einer modernen, grünen Industrie mangelt, sichtbar zum Beispiel an der erfolglosen Diskussion um die Ansiedlung einer Batteriefabrikation, dafür sei ein massiver Standortnachteil verantwortlich: der im Weltvergleich sehr hohe Preis für Energie in Deutschland.
Fast nirgends ist Energie so teuer wie in Deutschland
Durchschnittlich 46,27 Eurocent pro Kilowattstunde zahlten die Kunden zur Jahresmitte 2023 bei einem jährlichen Stromverbrauch von 3500 Kilowattstunden. Das geht aus einer Analyse des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft hervor. Zwar zahlen Industrie und Gewerbe aufgrund höherer Abnahmemengen etwas weniger als Endverbraucher, trotzdem sind diese Preise im globalen Vergleich mit die höchsten. Das, so Lies, verhindere Investitionen und vertreibe letztendlich sogar Arbeitgeber.
In den Räumen der Emder IG Metall führte der niedersächsische Wirtschaftsminister gestern im Beisein der Emder IG Metall-Geschäftsführerin Franke Helmerichs, des zweiten Bevollmächtigten Thomas Preuß, des Gewerkschaftssekretärs Henrik Köller sowie des Emder Oberbürgermeisters Tim Kruithoff, des Emder VW-Betriebsratsvorsitzenden Manfred Wulff und des SPD-Landtagsabgeordneten Mathias Arends seine Gedankengänge genauer aus.
Lies setzt Bundespolitik unter Handlungsdruck
Das geriet letztendlich auch zur Kollegenschelte, schließlich setzt sich der Strompreis, den die Industrie, aber auch Gewerbe und Haushalte, bezahlen, zu mehr als der Hälfte aus Steuern und Abgaben zusammen. Olaf Lies: „Wir benötigen dringend einen konkurrenzfähigen Industrie-Strompreis. Nicht erst 2030, wenn der Preis durch die dann ausgebauten Erneuerbaren Energien eh niedriger ist, sondern am besten sofort.“ Dieser Strompreis müsse bei etwa fünf oder sechs Eurocent pro Kilowattstunde liegen – einem Bruchteil des heutigen Betrags also.
Die nötigen Subventionen dafür lägen bei fünf bis sieben Milliarden Euro jährlich, schätzt der Minister. „Nicht dauerhaft, sondern für eine Übergangszeit von einigen Jahren“, erklärte Lies und betonte, dass hierbei Einigkeit herrschen müsse. Die derzeitige Kontroverse, so der SPD-Politiker, sei urgefährlich und würde niemandem helfen.
Gemeinsame Ziele von Politik und Wirtschaft
Mit Seitenblick auf Emdens Oberbürgermeister Tim Kruithoff bekräftigte Lies seine Entschlossenheit: „Hier greifen VW, Land, Stadt und Gewerkschaft ineinander. Zusammen bekommen wir die unausweichliche Transformation des Industriestandorts Emden hin.“ Worte, die Kruithoff gern vernommen haben wird, schließlich sind mehr als 40 Prozent der Emder Arbeitnehmer im Bereich des produzierenden Gewerbes tätig.
Rysumer Nacken idealfür Industrieansiedlung
Am Beispiel des Rysumer Nackens, der aufgrund seiner geografischen Lage sehr gut für die Ansiedlung einer Batteriefabrik und entsprechender Zulieferindustrien geeignet sei, wird Kruithoff deutlich. Die Stadt Emden könne die Voraussetzungen dafür nicht allein schaffen, stellte Kruithoff fest. Neben der Unterstützung der Landesregierung brauche es dringend auch eine grundsätzliche Entscheidung des Bundes, in welche Richtung es gehen soll: „Zukunftstechnologien oder Deindustralisierung?“
Diese Gedanken beschäftigen auch die IG Metall-Chefin Helmerichs: „Es ist fünf vor Zwölf für Standortentscheidungen. Es ist jetzt wichtig, endlich Verlässlichkeit für Investitionen herzustellen.“