Kanzler im zweiten Versuch: Das sagen ostfriesische Bundestagsabgeordnete über den Dämpfer für Friedrich Merz
Böse Überraschung für Friedrich Merz (CDU): Im ersten Wahlgang verfehlte er die nötige Mehrheit. Foto: dpa
Ostfriesland Das gab es noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik: Friedrich Merz hat im ersten Kanzler-Wahlgang eine Mehrheit verfehlt. Obwohl die Abgeordneten von CDU, CSU und SPD mit 328 Stimmen über eine sichere Kanzlermehrheit verfügten, stimmten nur 310 Parlamentarier für Merz. Erst im zweiten Wahlgang, offenbar mit Unterstützung aus dem Lager der Linken und der Grünen, kam die Wahl mit 325 Stimmen zustande.
Direkt nach dem ersten Wahlgang äußerten sich ostfriesische Bundestagsabgeordnete – und zeigten sich größtenteils irritiert über das Scheitern.
SPD-Mann Johann Saathoff aus Pewsum sprach von einem historischen Einschnitt: „Das hat es noch nie gegeben und ich hätte gern darauf verzichtet.“ Die gescheiterte Wahl schade dem internationalen Ansehen Deutschlands, so der Parlamentarische Staatssekretär. Saathoff schließt aus, dass die fehlenden Stimmen aus der SPD stammen, und verweist auf breite Zustimmung zum Koalitionsvertrag sowie das Verantwortungsbewusstsein seiner Partei.
Auch die SPD-Abgeordnete Siemtje Möller (Varel) zeigte sich überrascht: „Dass Friedrich Merz heute im ersten Wahlgang nicht gewählt wurde, befremdet mich.“ Die Koalition habe einen Vertrag aus der politischen Mitte vorgelegt, der das Land voranbringen solle. Für Möller war klar: „Es geht jetzt nicht um persönliche Befindlichkeiten – sondern darum, unsere Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.“
Die CDU-Abgeordnete Anne Janssen aus Wittmund stellte klar, dass die Unionsfraktion geschlossen hinter Merz stehe. In der Fraktion habe es Ovationen im Stehen für ihn gegeben. „Jetzt sind alle gefordert, ihrer Verantwortung für Deutschland gerecht zu werden“, so Janssen. Der erste Wahlgang dürfe nicht zu weiterem Stillstand führen: „Die Lösung der Probleme in unserem Land duldet keinen Aufschub und keine Taktiererei.“
Anja Troff-Schaffarzyk (SPD) aus Uplengen sieht im gescheiterten ersten Wahlgang eine Belastung für das Vertrauen in die Demokratie: „Die Nichtwahl von Friedrich Merz hat unnötige Unsicherheit erzeugt. Ich bin erleichtert, dass er im zweiten Anlauf gewählt wurde. Jetzt liegt es an ihm und der Koalition, diesen Fehlstart wettzumachen. Wir als SPD-Fraktion werden alles dafür tun, das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der politischen Mitte wiederherzustellen.“
Ganz anders fiel die Bewertung durch Martin Sichert (Wilhelmshaven) von der AfD aus. Für ihn war das Scheitern von Merz im ersten Wahlgang ein Ausdruck des Misstrauens gegenüber dem Kanzlerkandidaten und dem Koalitionsvertrag: „Mit dem Bruch der Wahlversprechen, mit dem scharfen Kurs der Ausgrenzung der AfD und mit der Besetzung der Minister anhand von Quote anstatt von Kompetenz hat Merz offensichtlich den Bogen überspannt.“ Die AfD sei grundsätzlich gesprächsbereit und wolle Verantwortung übernehmen.