Kein Schutz vor dem Wolf auf dem Deich
Sie fressen sich langsam bis zum Fährhaus und zum Jachthafen durch und ahnen nicht, dass in Arle vor einigen Tagen vermutlich ein junger Wolfsrüde gesichtet wurde. Foto: Oldewurtel
Norden/LIS – Erst vor wenigen Tagen sind die Schafe auf den Deich getrieben worden, nun sorgt die Nachricht einer Wolfssichtung in Arle (wir berichteten) bei Schäfern für schlaflose Nächte. „Das ist katastrophal“, sagte der Arler Züchter Janko Schneider gestern im KURIER-Gespräch. Er erinnert sich noch gut an 2018, als es zu Übergriffen auf Tiere am Deich gekommen war. Die gab es bislang noch nicht. Die Tiere am Deich zu schützen, sei aber auch so gut wie unmöglich, sagte der Schäfer der Deichacht Norden.
Das bestätigte auch Rendant Johann Oldewurtel. „Konkret am Deich können wir nichts tun.“ Hier sei ein wolfssicheres Einzäunen nicht möglich. Es sei aber auch nicht die erste Sichtung, die es im Altkreis gegeben habe. Jetzt heiße es abwarten.
Denn die Schafe wieder zurück in ihre Stallungen zu bringen, ist undenkbar. „Die Schafe aus dem Heidekreis sind jetzt hier und die gehen auch nicht zurück“, so Oldewurtel. Gleiches gilt für Schneiders Tiere. „Das sind Weidetiere, die müssen raus“, betonte der Schäfer. Er halte sie nur während der Geburt der Lämmchen im Stall, danach kommen sie zur Sicherung des Bollwerks wieder auf den Deich. Hier ist allerdings nur ein Grundschutz mit Elektrozäunen mit einer Höhe von rund 90 Zentimetern möglich. Um den Tourismus nicht zu beeinträchtigen, seien andere Zäune nicht denkbar, erklärte Schneider. „Das ist ein Witz. Da springt ein Wolf locker drüber“, glaubt der Schäfer.
Er fordert von der Politik eine klare Position zum Thema Wolf. „Entweder man will Weidehaltung oder man will so ein Raubtier hier haben.“ Beides zusammen gehe nicht. Und so wie der Zustand aktuell sei, könne es nicht weitergehen. Zudem seien die Entschädigungen bei nachgewiesenen Übergriffen durch Wölfe ebenfalls „ein Witz“, betonte der Schäfer. Er selbst habe Zuchtschafe, die rund 1000 Euro pro Stück kosten. Bei einem Wolfsriss bekäme man aber nur einen Bruchteil des Geldes erstattet. Zudem sei die Herde, wenn erst einmal ein Wolf in dieser gewütet habe, nicht mehr zu gebrauchen. „Die kann man dann nur noch schlachten.“
Die Forderung des CDU-Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Ulf Thiele, dürfte der Schäfer daher begrüßen. Dieser hatte sich am Mittwoch für die Einrichtung einer 50 Kilometer breiten Schutzzone gegen Wölfe entlang der Küsten- und Flussdeiche ausgesprochen. Anlass sind die jüngsten, mutmaßlich von mindestens einem Wolf begangenen Risse in einer Schafsherde am Emsdeich in Mitling. Im März waren dabei rund zwei Dutzend Tiere ums Leben gekommen oder mussten wegen ihrer schweren Verletzungen eingeschläfert werden. „Wir müssen die Schafe, die mit der Beweidung der Deiche zum Hochwasserschutz entscheidend beitragen, indem sie die Grasnarbe kurz halten und zugleich festigen, besonders schützen“, ist Thiele überzeugt. „Und das geht nach meiner festen Überzeugung nicht anders, als durch eine mindestens 50 Kilometer breite Schutzzone landeinwärts, in der Wölfe konsequent vergrämt oder entnommen werden müssen“, fordert der Politiker.
„Wir dürfen in diesem Bereich keine territorialen Wolfsrudel dulden“, stellte Thiele klar. „Anders lassen sich die Schafherden nicht schützen“, denn weder Schutzzäune noch Hütehunde könnten an den Deichen eingesetzt werden. Hütehunde wären zwar für Wölfe gefährlich, aber auch für Wanderer und Spaziergänger.
Derzeit gibt es in Niedersachsen rund 230 Wölfe, die in 26 Rudeln leben, zehn Wolfspaare und einen Einzelwolf. Etwa alle drei Jahre verdoppelt sich die Zahl der Tiere, die streng geschützt sind. „Das soll auch grundsätzlich so bleiben“, betonte Thiele. „In Fällen wie dem Küstenschutz müssen aber andere Prioritäten gesetzt werden.“
Schäfer Janko Schneider aus Arle hofft unterdessen, dass das Tier möglicherweise schon weitergezogen ist. „Ein Wolf legt in einer Nacht eine Strecke von bis zu 80 Kilometern zurück. Der kann also schon längst in Oldenburg sein.“ Ganz sicher ist er sich dessen allerdings nicht. Deshalb bleibt es für ihn vorerst bei schlaflosen Nächten.