Klootschießer werden immer seltener
Beim Silvester-Werfen am 30. Dezember in Utgast gibt es einen sorgenvollen Blick in die Zukunft.
„Wir müssen es einfach nur machen.“ Der Wunsch von Ehrenfeldobmann Gerd Wessels, den Kloot zur Hand zu nehmen, erfüllt sich immer seltener. Foto: Tebben-Willgrubs
Utgast Beim Silvester-Klootschießen der Ostfriesen am 30. Dezember (Sonnabend) ab 13.30 Uhr auf dem Gerd-Gerdes-Platz in Utgast dürften auch die alten Haudegen wie Ehrenfeldobmann Gerd Wessels aus Gründeich, Ex-Europameister Karl Kleemann oder der langjährige Landesjugendwart Eilert Taddigs vorbeischauen. „Der Termin ist eine gute Tradition bei uns. Da gibt es viel zu erzählen“, sagt der aktuelle Feldobmann Erhard Gerjets aus Moordorf. Über frische Heldentaten der Klootschießer allerdings gibt es kaum etwas zu berichten. Gezielte Vorbereitungen auf den winterlichen Feldkampf, wo bei ausreichend Kahlfrost der prestigeträchtige Ländervergleich gegen die Oldenburger ansteht, gibt es nicht mehr.
Mit ihrer traditionsreichen, anspruchsvollen Disziplin passen die Klootschießer ideal in die KURIER-Serie „Sportspezialisten“. Nach Sprint und Sprung katapultieren sie die Klootkugel mit ihrem typischen Rundschlag vom Sprungbrett aus auf große Weiten. Eigentlich gingen die Feldkampf-Vorbereitungen nach alter Schule immer schon vor den stillen Tagen im November bei den Ostfriesen los. Doch ob wie früher sonnabendnachmittags in Utgast, freitagabends beim Flutlichtwerfen in Dunum oder sonnabendvormittags an wechselnden Standorten wie Tannenhausen, die Teilnahme ließ stetig nach. „Wir haben die Resonanz abgefragt. Für den Aufwand, den wir betreiben, lohnte es sich nicht. So haben wir kein Kadertraining mehr“, erklärt Gerjets. Nur Jelde Eden aus Willmsfeld, Florian Eiben aus Leerhafe und Timon Claassen aus Uttel hätten bei den Männern Interesse bekundet.
Gemeinsam mit Landesjugendwart Egon Allgeier verweist Gerjets auf die drei EM-Qualifikationswerfen, die nach einer witterungsbedingten Absage am 6. Januar in Bohlenbergerfeld beginnen. Beide sind gespannt auf die Teilnahme der Ostfriesen. „Die Werfer sind damit sowieso im Training“, sagt Allgeier. Bei den Jugendlichen führt der Südarler Hauke Roolfs als Aushängeschild die ostfriesische Auswahl an. Der EM-Medaillenkandidat wäre bei einem Feldkampf auch im Aufgebot der Männer gefragt.
Viele milde Winter haben allerdings immer wieder die Pläne der Klootschießer durchkreuzt. Weil zu häufig anhaltende Minusgrade fehlten, mussten die „Flüchter“ auf ihren Saisonhöhepunkt vor großem Publikum verzichten. Viele Jugendliche verpassten so ein prägendes Sporterlebnis. In Zeiten von anhaltend sinkenden Mannschaftszahlen im Boßeln und immer kleineren Teams hier bis hin zu Vierer-Aufgeboten schrumpft die Gruppe der Klootschießer als geschätzte Spezialisten im Friesensport immer mehr. Auch Experten, die den Nachwuchs schulen könnten, werden immer weniger.
Früher musste Sonnabend für Sonnabend um einen ehrenvollen Platz im Länderaufgebot gekämpft werden. Diese Zeiten sind lange vorbei: „Ich habe sieben, acht Werfer auf dem Zettel, die ich anrufen könnte“, sagt Landesjugendwart Allgeier. „Bei den Männern wird es schwierig“, sagt Feldobmann Gerjets. Schon bei Landes- und Verbandsmeisterschaften im August gab es nur sechs beziehungsweise vier ostfriesische Männer-I-Starter. Beim Feldkampf sind sieben Werfer und drei Ersatzleute gefragt. „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, blickt Gerjets sorgenvoll in die Zukunft. „Wir haben schon überlegt, die Mannschaftsstärke auf fünf Werfer zu senken.“ Ein Feldkampf für Junioren, der früher als Tummelplatz für junge Talente bei den Männern diente, ist längst gestrichen. Fällt der Winter-Feldkampf witterungsbedingt wieder aus, schlägt der Landesfeldobmann einen Mannschaftsvergleich im Sommer mit der Hollandkugel vor – in Zeiten von Klimawandel dürfte das eine häufige Alternative werden. Ach, ja: Bei der EM im Mai in Neuharlingersiel wäre die Pleite von Meldorf wettzumachen. bup