Kolumbianische Flüchtlinge engagieren sich in Dornum

Von Keno Klaassen

Für Michelle Perez und Franklin Linero war die Zukunft lange ungewiss. Jetzt aber haben sie Anschluss gefunden.

Dornum Franklin Linero (31) und Michelle Perez (26) mussten 2022 aus Kolumbien flüchten. Dank viel Eigeninitiative und der Unterstützung der Dornumer ist es ihnen gelungen, sich ein neues Leben in ihrer neuen Heimat aufzubauen. Nun sind sie verlobt und planen, im nächsten Jahr in Dornum zu heiraten.

Perez arbeitete in Kolumbien als Journalistin, Linero war Hotelmanager. Wie sie dem KURIER erzählten, waren sie und ihre Familie ständig Bedrohungen und Kriminalität ausgesetzt. Sie mussten Schutzgeld zahlen, um in Ruhe gelassen zu werden. Mit der Coronapandemie verschlechterte sich ihre Lage nochmals: Das Paar konnte die Schutzgelder nicht mehr aufbringen.

Ihnen blieb keine andere Wahl, als zu fliehen. Zusammen mit Lineros Schwester und Perez‘ Eltern fanden sie zunächst Schutz in der Flüchtlingsunterkunft in Hesepe bei Bramsche. Später waren sie in Unterkünften in Hannover, Utlandshörn und Aurich untergebracht. „Das Leben in den Flüchtlingscamps war heftig“, berichtet der 31-Jährige betroffen. Viele verschiedene Kulturen trafen aufeinander, was oft zu gefährlichen Situationen führte. Die Erfahrung war sehr belastend. Beide nahmen in den Unterkünften stark ab: Michelle Perez verlor über zehn Kilogramm, Franklin Linero sogar über 15 Kilogramm.

Gute Integration zahlt sich aus

Bereits in den Flüchtlingsunterkünften machten die fünf Geflüchteten aus Kolumbien einen guten Eindruck. Perez erzählt, dass sie die Ersten waren, die damit begannen, das Geschirr zu spülen und aufzuräumen. Viele andere Flüchtlinge ahmten ihr Verhalten nach. Die Familie pflegte ein gutes Verhältnis zu den Mitarbeitern der Unterkünfte und diente als Vorbild.

Andere Geflüchtete verhielten sich weniger integrationsbereit: Es gab häufig Streit, Unordnung oder Drängelei an der Essensausgabe. Perez und Linero können ein solches Verhalten nicht nachvollziehen. Sie seien dankbar für die Hilfe, die sie erhalten haben, und versuchen mit aller Kraft, diese zurückzugeben.

Schließlich fand die Familie eine Wohnung in Nesse. Für fünf Personen erhielten sie 70 Euro zum Leben. Davon kauften sie sich Glasnudeln, um zu überleben. Die Wohnung war völlig leer. „Wir müssen hier weg“, war Lineros erster Gedanke. Er schrieb einen Facebook-Beitrag, um Menschen kennenzulernen und um Hilfe zu bitten. Er klingelte bei allen Nachbarn, um ihnen ihre Geschichte zu erzählen. Die fünf taten alles dafür, sich schnell zu integrieren und die Sprache zu lernen. Jeden Tag gingen sie zwei Stunden zu Fuß nach Dornum, um sich um bürokratische Angelegenheiten zu kümmern und das freie WLAN am Rathaus zu nutzen, um Kontakte zu knüpfen und in die Heimat zu telefonieren.

„Wir haben Anschluss gefunden“

Irgendwann lernte die Familie Anke Alfert, Dorfmoderatorin und Gründerin des Awo-Ortsvereins Dornum, kennen. Sie bot ihre Hilfe an. Die Familie war sehr überrascht, als sie von ihr fünf Fahrräder geschenkt bekamen. „Anke ist unser erster Engel“, sagt Linero mit einem Lächeln. „Wir waren und sind sehr dankbar und wollen auch etwas zurückgeben“, sind sich beide einig.

Die Familie engagierte sich stark. „Wir wollten unbedingt arbeiten“, erzählt Linero. Alle fanden schnell Anschluss und Arbeit. Dennoch blieb die Ungewissheit: Die Bürokratie in Deutschland dauere oft lange, und die Familie wusste nicht, ob sie bleiben dürfe. Trotzdem machten sie weiter, lernten jeden Tag Deutsch und erledigten alle notwendigen Aufgaben. Sven Jochems aus Dornum bot schließlich einen Sprachkurs an – allerdings waren mindestens elf Teilnehmer nötig. Linero erzählt, wie er nach Aurich fuhr und Fremde fragte, ob sie Interesse an einem solchen Kurs hätten. Dank seiner Initiative kam die benötigte Teilnehmerzahl zusammen, und der Kurs konnte starten. Anke Alfert ist begeistert: „Die Initiative der beiden ist sehr bewundernswert.“

Heute arbeitet Perez im Einzelhandel in Dornum. Zuvor musste sie täglich nach Aurich pendeln, doch inzwischen konnte sie den Standort wechseln. Franklin Linero macht eine Ausbildung zur Pflegefachkraft in Dornum. Der Beruf passt gut zu seinen Werten. „Ich möchte Menschen helfen“, betont er oft. „Nicht alle Ausländer sind fleißig, aber wir sind es. Wir haben Anschluss gefunden und sind stolz darauf.“

Nun sitzen die beiden im Vorstand der Arbeiterwohlfahrt Dornum: Linero als Beisitzer, Perez als Kassenwartin. Sie engagieren sich somit aktiv für die Gemeinde.

Wie sieht die Zukunft der beiden aus?

Michelle Perez und Franklin Linero möchten vorerst in Dornum bleiben, ihre Deutschkenntnisse weiter verbessern und ihre Ausbildungen abschließen. Sie planen, in Dornum zu heiraten, eine Familie zu gründen und ein eigenes Haus sowie eine Firma aufzubauen.

Definitiv wollen sie in Deutschland bleiben – ob das gelingt, ist jedoch noch nicht endgültig geklärt.