Krummhörner gründen Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit
Ein Konzert von Rechtsextremen habe sie „kalt erwischt“, sagen die Initiatoren. Die Schrecksekunde hat etwas ausgelöst in ihnen. Die Mitglieder des neuen Bündnisses sehen sich in der Mitte. Weit entfernt von Rechtsaußen - und Linksaußen.
Jürgen Neubert, Jochen Risto und Bürgermeisterin Hilke Looden stellten das neue Bündnis gemeinsam vor.
Krummhörn „Wir wollen kein weiteres Salz in die Wunde streuen“, sagte Jochen Risto und nickte kaum merklich. Zusammen mit Jürgen Neubert und Krummhörns Bürgermeisterin Hilke Looden (parteilos) präsentierte der Pewsumer am Montag im Rathaus die Pläne für die Gründung eines neuen Bündnisses gegen Extremismus. Kein weiteres Salz, das bedeutet für die Initiatoren, dass sie überzeugen wollen statt auszuschließen. Argumente statt der Keule. „Wir müssen und wollen hier in der Krummhörn miteinander auskommen“, führte Risto weiter aus. Überhaupt zähle der positive Ansatz – für Demokratie und Weltoffenheit, nicht gegen etwas. Das sei den Gründern wichtig.
Rechtsextremes Konzert als Auslöser
Den Anlass für diesen Schritt lieferte ein Konzert mit Rechtsextremen Anfang August in Canum. „Das hat uns alle kalt erwischt.“ Rechtsextreme in der Krummhörn? Davon hatte man bis dahin nichts gewusst oder bemerkt. Umso größer war das Entsetzen darüber und die Bereitschaft, sich zu positionieren. Zu der kurzfristig einberufenen Mahnwache waren gut 250 Menschen gekommen. Diesen Elan wolle man beibehalten und nutzen: „Aus der Mahnwache soll etwas Dauerhaftes entstehen“, sagte Risto.
Das neue Bündnis verortet sich in der gesellschaftlichen Mitte. „Extremismus ist generell ein Problem, nicht nur Rechtsextremismus“, wusste Hilke Looden und betonte, dass man keinen Anlaufpunkt für Linksextreme bieten werde. Die Bürgermeisterin der Gemeinde war nicht nur die Gastgeberin des Gesprächs, sondern will sich auch aktiv in das neue Bündnis einbringen. Den Rückhalt ihres Gemeinderats hat sie, schließlich hatte der sich noch im August deutlich gegen menschenfeindlichen Extremismus positioniert. Auch deshalb hatte sie das Rathaus als Ort dieses Gesprächs angeboten, auch wenn das Bündnis keine offizielle Einrichtung der Verwaltung sein wird.
Der Name ist nicht in Stein gemeißelt
Der Name des Zusammenschlusses stehe übrigens noch gar nicht fest. „Das ist bisher lediglich ein Vorschlag“, sagte Risto und betonte, dass hier bei der Gründung noch Veränderungen geschehen könnten. Oder auch später, denn vorerst sei man ein loses Bündnis, kein eingetragener Verein. Bisher habe man 14 Mitstreiter um sich gesammelt, gab Neubert Auskunft. 30 seien ein erstes Ziel, „50 oder sogar mehr wären großartig“.
Neubert und Risto erläuterten schließlich die Aufgaben, die das Bündnis erfüllen werde. Ein Gesprächspartner wolle man sein, eine Anlaufstelle für besorgte Mitmenschen. Man werde sich um Aufklärung und politische Bildung bemühen und darum, die notwendigen Lehren aus der Historie zu ziehen.
Gründung am Vorabend des Schicksalsdatums
Entsprechend wurde das Gründungsdatum nicht zufällig gewählt. Am 8. November ab 18.30 Uhr trifft man sich in der Mensa der IGS. Am Vorabend des Schicksalstags der Deutschen also, wie der 9. November bezeichnet wird. Mehrmals fanden an diesem Tag einschneidende Ereignisse statt, die die Zukunft Deutschlands bestimmten. 1938 zum Beispiel die Reichspogromnacht, bei der bewaffnete Schlägertrupps der Nationalsozialisten im ganzen Land nicht nur Synagogen, sondern auch jüdische Geschäfte und andere Einrichtungen angezündet und niedergebrannt haben. Diese Nacht gilt als offizielles Signal zum größten Völkermord der Geschichte, dem Holocaust. Im Jahr 1989 dagegen fiel an diesem Tag die Berliner Mauer, das Symbol der Trennung Deutschlands. Mit diesem Ereignis endete faktisch die SED-Diktatur in der DDR. Vorangegangen waren in ganz Osteuropa zunehmende Proteste und Demonstrationen der Menschen gegen Sozialismus und Kommunismus und die damit verbundenen Unfreiheiten.