Landwirte-Lobbyistin klagt: „Alle wollen nur noch günstig!“
Maren Ziegler vom Landwirtschaftlichen Hauptverein Emden-Norden sagt, was passieren würde, wenn Staat und Europäische Union alle Zuschüsse für die Landwirte streichen würden.
Maren Ziegler
Von Stefan Bergmann
Norden Maren Ziegler ist die Geschäftsführerin des Landwirtschaftlichen Hauptvereins für den Bereich Norden und Emden.
Haben Sie berechtigte Hoffnung, dass die Landwirte in dieser Sparrunde ungeschoren davonkommen?
Realistisch betrachtet, nein. Alle müssen ihren Teil zum Sparen beitragen, das ist uns bewusst. Es wurde bereits im Agrarsektor deutlich gekürzt, zum Beispiel bei der Förderung des ländlichen Raums. Aber, dass ein so kleiner Teil der Bevölkerung einen unverhältnismäßig hohen und zusätzlichen Anteil dazu beitragen soll, ist nicht fair. Es gibt im Gegenzug keine Entlastungen.
Ist Cem Özdemir für Sie Verbündeter oder Gegner? Und warum?
Das ist eine gute Frage. Er sollte als Landwirtschaftsminister eigentlich unser Verbündeter sein. Er sagt, er sei es, aber die Ergebnisse zeigen irgendwie ein anderes Bild. Wir hoffen, dass er sich – nach der Ansage am Montag – für uns stark macht.
Auf welche der Vergünstigungen, die gerade zur Rede stehen, könnte man am ehesten verzichten?
Beide Aspekte, Agrardiesel und Kfz-Steuer, sind uns wichtig. Die Landwirtschaft hat die gesetzten Klimaziele erreicht, warum sollten sie dafür bestraft werden. Und es gibt nun mal noch keine bezahlbaren praxistauglichen Alternativen für dieselbetriebene Maschinen.
Welchen Stellenwert nehmen die Vergünstigungen denn ein im Einnahmeportfolio der Höfe? Es gibt ja auch noch die EU-Subventionen und eben die normalen Erträge.
Das lässt sich pauschal schwer beziffern. Man darf nicht vergessen, dass Bedingungen für den Erhalt der Zahlungen einzuhalten sind. Diese höheren Auflagen verursachen Kosten. Verbraucher sind nicht bereit, das monetär zu honorieren, daher greift der Staat ein. Es entstehen erhebliche Wettbewerbsnachteile für die deutschen Bauern, wenn steuerliche Vergünstigungen gestrichen werden und Landwirte in anderen europäischen Ländern diese weiterhin erhalten. Ihre Kosten werden dadurch reduziert, sie können ihre Erzeugnisse im offenen Binnenmarkt günstiger anbieten. Das wiederum wirkt sich dann auf die Absatzzahlen unserer Lebensmittel aus.
Kritiker sagen, wenn eine ganze Branche nur durch vielfältige Subventionen am Leben erhalten werden kann, dann läuft etwas schief. Was läuft schief?
Läuft etwas schief, oder müssen wir uns die Historie und Zielsetzung vielleicht mal genauer anschauen? Nach dem Zweiten Weltkrieg so im Wirtschaftswunder sollte die Landwirtschaft gestärkt werden, um ausreichend Lebensmittel zu bezahlbaren Preisen erzeugen zu können. Der technische Fortschritt sorgte dafür, dass das so gut gelang, dass Überschüsse entstanden. Die europäische Agrarpolitik sorgte mit Marktordnungen für eine weitere Verzerrungen des Marktes. Landwirte sind in diesem System nicht reich geworden, sie haben dafür arbeiten müssen. Für die Bevölkerung sind die Preise für Lebensmittel niedrig geblieben, das heißt für den Einkauf von Lebensmittel werden nur noch zwölf Prozent des Einkommens benötigt.
Andererseits produzieren Landwirte so viel Fleisch, dass Tausende von Tonnen exportiert werden – bis nach China. Warum ist das so?
So einfach ist das nicht. Man muss da schon genauer hinschauen. Ja, es wird Fleisch exportiert, aber auch importiert. Bei Schweinefleisch haben wir einen Selbstversorgungsgrad von über 100 Prozent. Wir essen aber überwiegend nur die Edelteile wie Filet oder Kotelett. Davon erzeugen wir zu wenig und müssen importieren. Das, was wir hier zu viel haben (Pfötchen zum Beispiel) wird in anderen Ländern gern verzehrt und hier nachgefragt.
Warum kriegt es Deutschland eigentlich nicht hin, Landwirten im Rahmen normaler marktwirtschaftlicher Prozesse genug Geld für Lebensmittel zu zahlen?
Weil man sich ganz gut daran gewöhnt hat, dass Lebensmittel günstig sind, die Wertschätzung dafür ist gering. Die meisten haben kaum noch einen Bezug zur Lebensmittelerzeugung und können sich kaum vorstellen, was für eine Arbeit und ein Wissen dahinter steckt. Jeder, der versucht Gemüse im eigenen Garten zu ziehen, wird nachvollziehen können, wie mühselig das ist und ist dankbar, sich nicht allein vom eigenen Gemüse ernähren zu müssen. Speziell im Bereich der Lebensmittelvermarktung ist der Organisationsgrad extrem hoch. Nur fünf Unternehmen bedienen 80 Prozent des Marktes. Das ist politisch so gewollt. Ein Handel auf Augenhöhe ist dadurch nicht immer gewährleistet.
Was würde passieren, wenn von heute auf morgen alle Zuschüsse von allen Stellen gestrichen würden?
Es würde einen beschleunigten Strukturwandel geben. Viele Höfe werden aufgegeben. Ländereien werden nicht mehr bewirtschaftet, Landpreise und Pachterlöse verfallen, es werden weniger Lebensmittel erzeugt, sie werden teurer, es muss mehr importiert werden, wir werden von anderen Ländern abhängig und noch abhängiger von guten Ernten. Beim Thema Kleidung haben wir gesehen, wie sich das entwickeln kann. Produktion im Ausland, kaum überprüfbare Standards und Erzeugerbedingungen, das findet keiner schön, aber es ändert nichts daran.