Mannheimer erinnert in Norden an die Demokratie

Von Christian Schmidt

Dr. Tim B. Müller mahnte vor 50 Zuhörern, die Demokratie zu bewahren.

Norden Zum Tag der Deutschen Einheit begrüßte die Dokumentationsstätte Gnadenkirche Tidofeld den Mannheimer Historiker Dr. Tim B. Müller. Dieser sprach am Donnerstag vor rund 50 Besucherinnen und Besuchern über 75 Jahre Staatsgründung und Grundgesetz. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die zweite deutsche Demokratie, wurde vier Jahre nach der Kapitulation des Deutschen Reiches und dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes am 8. Mai 1949 verabschiedet und am 23. Mai verkündet. Müller erinnerte in seinem Vortrag an die Demokratiewerdung und skizzierte die großen Entwicklungslinien seit der ersten Beratung der vier Mütter und 61 Väter des Grundgesetzes am 1. September 1948. Von vornherein wurde die Menschenwürde, die sich dann auch im Artikel 1 niederschlug, gemeinsam mit den darauf aufbauenden Grundrechten in den Mittelpunkt gerückt. Dies stelle laut Müller eine Selbstverpflichtung dar, die für diese Demokratie von Anfang an da war und an der sich die Realität immer wieder, auch heute, orientieren, messen und kritisieren lassen muss. Demokratie sei nicht nur eine Regierungsform, sondern auch eine „Lebensform“, die von den Bürgern aktiv gestaltet werden muss, sagte Müller. Eine Verfassung allein stelle noch keine Demokratie dar, Demokratie würde letzten Endes von Menschen gemacht.

Jetzt ist Mut gefragt

Als weiteren Erfolgsfaktor der bundesdeutschen Demokratie benannte Müller die Erinnerungskultur, die die eigene Geschichte von Vernichtungskrieg und Völkermord als Teil der demokratischen Kultur angenommen hat und aufarbeitet. Dies steuere viel zur Begründung der Menschenwürde als Alltagswert bei. Müllers Appell zum Ende lautete: „Im Alltag ist unser Mut gefragt. Mut, Zivilcourage, Eintreten für die Menschenwürde – das ist von jedem von uns gelebte Demokratie.“

In zwei Begrüßungsreden vorab hatten Superintendent Christian Neumann, 1. Vorsitzender der Gedenkstätte, und die die neue Regionalbischöfin des Sprengels Ostfriesland-Ems, Sabine Schiermeyer, gesprochen. Neumann stellte den Nationalfeiertag und seine Entstehungsgeschichte in den Mittelpunkt, während Schiermeyer den Abend mit einem theologischen Impuls bereicherte. Besonders berührt zeigte sich die Regionalbischöfin von der Ausstellung der Dokumentationsstätte: In ihr entdeckte sie sogar die Lebensgeschichte ihrer Nachbarin aus Bad Essen, bei der sie als Kind ein- und ausgegangen ist.

Die Dokumentationsstätte Tidofeld hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Gastredner begrüßen dürfen. So waren bereits der syrisch-palästinensische „Pianist aus den Trümmern“, Aeham Ahmad, Gábor Lengyel, Rabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover, oder der niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur, Falko Mohrs, zu Gast.