Minister Lies fordert einen „volks-elektrifiziertes“ Auto, das sich jeder leisten kann
Olaf Lies am Montag im VW-Werk: Es muss „endlich ein bezahlbarer Volkswagen kommen“, der mit Strom fährt.
Emden/Hannover Wirtschaftsminister Olaf Lies kennt Volkswagen sehr genau; das Land hält Anteile und Lies saß lange im Aufsichtsrat. Er ist studierter Elektrotechniker.
Herr Lies, man weiß, dass Sie Ihren Dienstwagen auch häufig selbst fahren und nicht immer mit Fahrer unterwegs sind.
Ja, an den Wochenenden fahre ich immer selbst. Ich mache das sehr gerne.
Ich habe mit Ihrem Fahrer gesprochen, er freut sich sehr auf den ID.7 und Sie offenbar auch. Aber normalweiser sind Politiker doch eher in großen Staatskarossen unterwegs. Warum jetzt ID.7?
Das entscheidet jeder selbst. Aber es ist ein großes, angenehmes und praktisches Auto. Aber es ist mir auch wichtig, dass E-Mobilität nicht etwas ist, über das ich nur rede, sondern das ich auch lebe.
Es ist ein High-End-Auto, aber Otto-Normalverbraucher kann sich so ein Auto für rund 70000 Euro kaum leisten. Was muss die Automobilindustrie und Volkswagen speziell tun, damit die E-Mobilität beim normalen Menschen ohne großes Portemonnaie ankommt?
Der ID.7 und auch sein Vorgänger, der Passat mit Verbrennungsmotor, ist immer ein Mittelklasse-Auto im höheren Preissegment gewesen. Der ID.7 startet jetzt bei rund 53000 Euro. Das ist schon nah dran an den mittleren Turbodieseln. Mit günstigerem Strom sind wir dann schnell bei einer Gesamtrechnung, bei der E-Mobilität nicht nur konkurrenzfähig, sondern auch dauerhaft günstiger wird. Und da natürlich nicht alle zu Hause an der eigenen PV-Anlage kostenlos laden können, ist es jetzt unsere zentrale Aufgabe, in Deutschland für günstigeren Strom zu sorgen – übrigens auch ein Konjunkturprogramm für die Wärmepumpen, made in Niedersachsen, und die Wirtschaft insgesamt. Gleichzeitig bleibt es aber auch dabei: Wir brauchen ein volks-elektrifiziertes Auto, den elektrischen Volkswagen, der sich an die Breite der Bevölkerung richtet. Da ist der ID.3 bestimmt ein Anfang, aber noch nicht das Preissegment, das sich viele vorstellen. Ich bin mir sicher: Das wird beim ID.2, der demnächst kommt, anders sein. Er wird ein attraktives Auto in einem unterem Preissegment. Und man muss ja auch nicht kaufen, man kann ja auch leasen. Auch das kann ein interessantes Modell sein für alle, die sich noch nicht ganz sicher sind bei der E-Mobilität, aber sie vielleicht mal testen möchten.
Sie haben am Montag bei der Übergabe Ihres Dienstwagens ein leidenschaftliches Plädoyer für die E-Mobilität gehalten. Ist das wirklich so sicher?
Da schaue ich immer als Ingenieur drauf: Welchen Sinn sollte es haben, wenn ich drei- oder viermal soviel Energie benötige, um beispielsweise einen synthetischen Kraftstoff herzustellen, und ihn dann mit einem Motor fahre, der einen Wirkungsgrad von etwa einem Drittel eines Elektromotors hat. E-Mobilität ist nicht nur attraktiv und angenehm, sondern auf Dauer auch günstiger. Und ja, im Moment sind die Kosten noch hoch. Aber wir werden in eine Phase kommen, in der sich diese Frage auch gar nicht mehr stellt. Die Industrie arbeitet an günstigeren Modellen, wir als Politik an günstigerer Energie und an den richtigen Bedingungen für den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Es wird die günstigste Form der Mobilität sein.
Die Strategie der Hersteller, erst einmal hochpreisig mit riesigen Autos in die E-Mobilität einzusteigen, weil man mit ihnen die besten Margen erzielen kann – und sich erst danach um die günstigen Modell zu kümmern: Ist das aus politischer Sicht die richtige Strategie?
Man wünscht sich beides. Aber Technologie hat ihren Preis, und auch die Batterien waren natürlich gerade am Anfang ihrer Entwicklung nicht wirklich preisgünstig. Wenn man Marge generieren will, dann kann man das zunächst über die teureren Fahrzeuge machen. Gleichzeitig wird Innovation immer auch für die margenträchtige Oberklasse entwickelt, um dann in der Breite eingesetzt zu werden. Aber E-Mobilität macht sich gerade auf den Weg, immer günstiger und damit auch für weit mehr Menschen immer interessanter zu werden. Deswegen wünsche ich mir, dass wir – parallel zu den jetzt schon stattfindenden Preisreduzierungen bei Batterien – endlich auch zu einem echten bezahlbaren Volkswagen für ganz viele kommen.
Als Land Niedersachsen sind Sie Gesellschafter bei VW. Gucken Sie manchmal heimlich auf die anderen Hersteller – Stellantis, die Chinesen – weil die ja einiges anders machen und manchmal auch besser, Stichwort Preis und Technologie. Die deutschen Hersteller werden dagegen oft als etwas träge wahrgenommen.
Ich glaube nicht, dass wir träge sind. Ich war von 2013 bis 2017 im Aufsichtsrat von VW, und in dieser Zeit wurden die maßgeblichen Entscheidungen zur E-Mobilität getroffen. Niemand kann sich vorstellen, in welch kurzer Zeit dann diese Autos entstanden sind. Darin ist eine unheimliche Dynamik und es hat sich in den letzten Jahren extrem beschleunigt. Allen Debatten zum Trotz: Dieser Weg war strategisch nachvollziehbar und richtig. Und er wird weiter beschritten. Elektrischer Antrieb geht einher mit Digitalisierung mit neuer, guter Software und starker Reichweite – diese Autos stehen für die Zukunft unserer individuellen Mobilität.
VW in Emden wird 60 Jahre. Wollen Sie gratulieren?
Es ist eine echte Erfolgsgeschichte, die aber auch viele Automobil-Krisen erlebt hat. Ich kenne viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und die machen sich Sorgen, ob das alles so funktioniert. Unsere Aufgabe als Politik ist es jetzt, Orientierung und Verlässlichkeit zu geben. Wir müssen dafür sorgen, dass es funktioniert. Und das wird es. Denn den Mutigen gehört die Zukunft und bei Volkswagen in Emden sind sie mutig.