Ministerpräsident Stephan Weil nennt Bedingungen für die Rettung der Meyer Werft
Ministerpräsident Stephan Weil: „Das Land hat kein Interesse, sich operativ bei der Meyer Werft zu betätigen.“
Ostfriesland Die Meyer Werft steckt in der wohl tiefsten Krise ihres Bestehens. Um weitere Kreuzfahrtschiffe bauen zu können, benötigt sie 2,77 Milliarden Euro – vor allem in Form von Bürgschaften, um die nötigen Kredite absichern zu können. Der Hilferuf hat Hannover erreicht und wurde von dort auch schon weitergeleitet an den Bund. Ministerpräsident Stephan Weil muss das Thema zur Chefsache machen“, forderte die CDU-Opposition. Im Interview mit dem KURIER spricht der „Chef“ nun zum Thema Meyer Werft und die Chancen und Gefahren:
Herr Weil, in der Bankenkrise gab es den Spruch: „too big to fail“. Die Commerzbank war beispielsweise viel zu groß und wichtig, um sie scheitern zu lassen. Also schoss der Staat Millionen zu. Ist die Meyer Werft auch „too big to fail“?
Ich würde das so nicht ausdrücken, das war eine andere Zeit. Aber richtig ist: Die Meyer Werft spielt für die regionale Wirtschaft im Emsland, in Ostfriesland und darüber hinaus eine enorm wichtige Rolle. Es geht um Tausende von direkten und indirekten Arbeitsplätzen. Sie alle generieren eine hohe Kaufkraft, und davon leben noch viele andere Menschen. Deswegen nehmen wir das sehr ernst. Und wenn wir eine berechtigte Chance sehen zu helfen, dann werden wir das gern tun.
Welche Bedeutung hat Meyer in der deutschen Werftindustrie?
Die gesamte Werftindustrie in Deutschland ist sehr eng miteinander verbunden. Wenn eine Werft ein Schiff baut, dann arbeiten da oft andere Werften mit. Und für Deutschland ist die Werftindustrie eine ganz wichtige Branche.
Ein gängiger Vorwurf lautet: „Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert“. Finden Sie, dass dies auch bei Meyer zutrifft?
Nein, das ist jedenfalls nicht der Grund für unsere Bemühungen. Wir wollen Arbeitsplätze erhalten. Und wir wollen eine wichtige wirtschaftliche Grundlage für das Emsland und Ostfriesland bewahren. Das ist es, was uns treibt. Ob bei der Meyer Werft in den vergangenen Jahren wirklich großartige Gewinne abgefallen sind, weiß ich nicht. Die Werft ist schon seit längerem in schwierigem Wasser.
Während der Corona-Pandemie kam der Werftbetrieb fast zum Erliegen, die Nachfrage brach ein. Der derzeitige Kurs der Diversifikation: Geht er in die richtige Richtung?
Ja, das ist mit Sicherheit notwendig und ein richtiger Wechsel der Strategie. Aber klar ist auch: Die Kreuzfahrtschiffe werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Sie haben mit Abstand die höchste Wertschöpfung.
Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, aber trotzdem tut sich ein solches Finanzloch auf. Was ist das schiefgelaufen?
Es ist eine Mischung von internen und externen Faktoren. Vor allem ist es der Umstand, dass Werften Schiffe erst einmal vorfinanzieren müssen während des Baus. Und das belastet kleinere und mittlere Unternehmen sehr. Das ist ein Teil der Problematik, aber nicht der einzige.
Es gibt einen Sanierer in der Geschäftsführung. Er will rund 400 Arbeitsplätze abbauen. Ist das eine mögliche Lösung angesichts dieser Summe?
Unter den vielfältigen Gründen für die jetzige Krise ist die Zahl der Arbeitsplätze mit Sicherheit kein wichtiger. Es war aus meiner Sicht nicht besonders klug, zunächst einen Arbeitsplatzabbau zu fordern. Die Probleme liegen woanders.
Wie hat sich die Gewerkschaft aus Ihrer Sicht bisher geschlagen im Kampf um die Meyer Werft?
Die IG Metall verhält sich ausgesprochen verantwortungsbewusst. Es ist für uns auch nützlich, dass sie viel Erfahrung mit Werften hat, die in Schwierigkeiten sind. Die IG Metall ist gerade ein sehr wichtiger Partner für uns.
2,77 Milliarden Euro – das ist unfassbar viel Geld. Woher wollen Sie das nehmen?
Wir müssen genau hinschauen: Es geht um Brückenfinanzierungen für die Zeit, wenn die Schiffe gebaut werden, aber noch nicht abgeliefert und voll bezahlt sind. Man muss in dieser Zeit die Liquidität und Handlungsfähigkeit des Unternehmens wahren. Wie das gelingen kann, darüber sprechen wir gerade. Was wir aber unbedingt brauchen, ist eine gutachterliche Bestätigung, dass die Werft eine wirtschaftliche Perspektive hat. Ansonsten wird sich die öffentliche Hand nicht engagieren können.
Ist diese Expertise in Arbeit?
Ja, es wird daran gearbeitet.
Haben Sie schon mit Bundesfinanzminister Christian Lindner telefoniert und ihn um Geld gebeten?
Wir sind in engen Verhandlungen mit dem Bund, vornehmlich mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Es muss allen klar sein: Der Bund muss mitmachen, das Land alleine wird es nicht schaffen.
Vor einigen Jahren hat Meyer in einer Pressemitteilung einmal geschrieben: „(Wir) sind seit 220 Jahren ohne Aufsichtsrat erfolgreich gewesen und werden es auch zukünftig sein“. Welch‘ eine fatale Fehleinschätzung, oder nicht?
Auch die innere Struktur des Unternehmens wird sich für die Zukunft verändern müssen. Und nach unserer tiefen Überzeugung und nach allen Gepflogenheiten gehört ein Aufsichtsrat nun einmal dazu.
Ist Meyer eigentlich noch ein deutsches oder ein luxemburgisches Unternehmen? Die Familie Meyer hatte den Sitz ihrer Holding in dieses Land verlegt – um Mitbestimmungsrechte auszuhebeln.
Das stimmt und ist deswegen auch Teil der Gespräche. Deswegen möchte ich da nicht in Details gehen.
Das hat Ihr Wirtschaftsminister Olaf Lies allerdings schon getan. Er fordert, dass die Meyer Werft ihren Unternehmenssitz wieder nach Papenburg verlegt. Sonst gibt es keine Hilfe.
Olaf Lies ist tief in der Sache drin und weiß genau, wovon er redet. Dem muss ich nichts hinzufügen.
Wie hilfreich ist es, dass die Meyer-Söhne aus der Geschäftsführung aussteigen, dass der Patriarch Bernard Meyer das operative Geschäft verlässt? Stimmt die Richtung?
Es gibt ein neues Management und das ist eine wesentliche und wichtige Voraussetzung für eine Lösung. Ich habe einen guten Eindruck von dem neuen Vorstand. Wir reden offen und klar miteinander.
Ist das Szenario, dass das Land als Gesellschafter einsteigt, vom Tisch?
Im Moment ist überhaupt noch nichts vom Tisch. Aber eine Lösung haben wir eben auch noch nicht. Das Land hat aber sicher keinen Ehrgeiz, sich operativ zu betätigen.
Was sagt Ihr Bauchgefühl: Wird es ein gutes Ende nehmen?
Ach, mein Bauchgefühl ist gerade mit der Fußballeuropameisterschaft beschäftigt. Die Werft ist keine Bauchfrage, sondern eine Kopffrage.
Na gut, was sagt Ihr Bauchgefühl: Wird Deutschland Europameister?
Schau‘n mer mal, hat Franz Beckenbauer gesagt. Ich fand die Spanier zuletzt sehr eindrucksvoll. Aber das deutsche Team kann mich sehr gerne noch weiter positiv überraschen!