Mit dem ID.7 hat Volkswagen (fast) alles richtig gemacht

Von Stefan Bergmann

Fahrspaß, Technik und Solidität: Mit dem neusten Emder Modell zeigt Volkswagen, dass der Konzern mit der Konkurrenz mithalten kann. Dabei hat man aus Fehlern gelernt und ein Auto auf die Straße gesetzt, das so ziemlich alle Wünsche von Otto-Normal-Fahrer erfüllt.

Wo früher Birnen glimmten, sind heute LED-Paneele verbaut, dreifach hintereinander geschachtelt. Das Licht strahlt so auch zur Seite.

Emden Man muss schon lange suchen, ehe man wirklich etwas entdeckt, was nicht so gelungen ist.

Vielleicht die Türöffner innen. Tolles Design, aber nur mit spitzen Fingern zu betätigen, weil sie so klein und rutschig sind. Der Rest ist: nahezu perfekt.

Für eine Pressefahrt hatte VW Emden am Freitag einige ID.7-Limousinen hergerichtet. Die Fahrer: Journalisten aus der Region. Keine Profi-Auto-Tester, die ewig über Rekuperationsquoten oder Hochvolt-Netze fachsimpeln können. Normale Autofahrer halt, so wir der Autor dieses Textes.

Was musste VW für herbe Kritik für seinen ID.3 einstecken: Zu teuer, schlecht ausgestattet, zu viel graues Plastik, unübersichtliche Elektronik. Und der ID.4 war nur ein bisschen besser. „Wir haben in dem ID.7 vieles vom Kundenfeedback auf den ID.3 und ID.4 umgesetzt“, sagt Thorsten Klein. Er ist Leiter der Qualitätssicherung in Emden.

Das Ergebnis: Mit dem ID.7 hat Volkswagen jetzt umgesetzt, was der Konzern für sich beansprucht: Ein Auto auf der Höhe der Zeit, technisch ausgereift, ein bisschen sexy, aber ohne Schnickschnack. Mit einer soliden Innenausstattung, mit einigen netten Spielereien und viel Farbe - ohne aber damit zu protzen. Beispiel: Der Name des Sprachassistenten lautet „Ida“. Altbackener geht es nicht. Kann man aber ändern. Wichtig ist: Er funktioniert.

VW kann auch Fahrspaß

Jann Nanninga hat ihn mitentwickelt. Er arbeitet für die Qualitätssicherung und testet neue Modelle, bevor sie in Serie gehen: Funktioniert alles so, wie die Entwicklungs-Ingenieure sich das vorgestellt haben? Er ist naturgemäß begeistert vom ID.7: „Man hat einen enormen Fahrspaß. Es gibt einen wunderschönen, großen Bildschirm. Dazu das Ambi-Light rundherum - es ein rundum schönes und gelungenes Fahrzeug.“

Und das ist vielleicht die Nachricht des Tages: VW kann auch schön. Kann auch Fahrspaß. Das war nicht immer so. Einen großen Teil trägt der Fahrassistent bei, der autonomes Fahren des Levels 3 ermöglicht - und damit mindestens auf Tesla-Niveau ist: Das Auto steuert selbstständig über die kurvigen Straßen der Krummhörn. Hält Abstand, bremst, beschleunigt, nimmt die Kurven von selbst. Das klappt ziemlich perfekt, so dass man schnell geneigt ist, sich während der Fahrt mit anderem zu beschäftigen. Doch umso eindringlicher erinnert einen das Fahrzeug daran, wenigstens ab und an die Hände ans Lenkrad zu legen. Blinken, piepen, kurzer Bremsruck und dann packt der Gurtstraffer zu und rüttelt so lange unangenehm am Gurt, bis man entweder wieder wach ist oder verstanden hat: Man sollte immer alles im Griff haben.

Früher oft ein Problem, auch bei VW: Im unübersichtlichen Computermenü werden Standardeinstellungen so tief versteckt, dass man sie kaum findet, schon gar nicht während der Fahrt. Das hat sich gebessert. Zum einen kann man sich das Display so einstellen, dass die Lieblingsfunktionen auf der ersten Ebene liegen. Zum anderen kann man das auch alles ignorieren und Ida einfach sagen, was man will.

Würdiger Nachfolger des Passat

Der ID.7 hat gute Chancen, zum perfekten Auto für den deutschen Obere-Mittelklasse-Markt zu werden. Technisch ausgereift, aber nicht überkandidelt. Modern, aber nach einer halben Stunde sitzen die meisten Handgriffe. Und, was vielleicht das wichtigste ist im Alltagsleben: Innerhalb von zehn Minuten ist der Wagen auf 80 Prozent aufgeladen. Das macht ihn tauglich für längere Fahrten. Stundenlange Lade-Pausen sind nicht mehr nötig. Der Neue schickt sich an, zum würdigen Nachfolger des Passat zu werden.

Volkswagen hat einiges richtig gemacht. „Wir sind zum Erfolg gezwungen“, sagt Emdens Werksleiter Uwe Schwartz nach der Ausfahrt vor den Journalisten. Die ID.7-Limousine ist bereits im Verkauf, ab dem Sommer kommt der Tourer dazu, also die Variant-Version des E-Autos. Er wird bereits produziert für die Showrooms der Händler. Beim Passat lag das Verhältnis Limousine zu Kombi etwa bei ein Drittel zu zwei Drittel. Ähnliches erwartet Schwartz auch für den ID.7 Tourer. „Das wird unser Volumen-Modell“, sagt er.

Und der ID.7 ist auch ein wichtiger Schritt, um das Werk auszulasten. Dies werde wohl noch nicht 2024 passieren. Man stelle sich auf ein schwieriges Jahr unter nicht ganz einfachen Rahmenbedingungen ein und hofft, im Zwei-Schicht-Betrieb täglich wenigstens 700 bis 800 Autos - ID.4 und ID.7 - ausliefern zu können. Ab 2025 wünsche man sich den Drei-Schicht-Betrieb.

Am Donnerstag nächster Woche läuft der letzte Passat in Emden vom Band. „Da fließen Tränen“, sagt Schwartz.

Vielleicht tröstet ja der ID.7.