Müllsammelplätze sorgen weiter für Unmut im Landkreis
Einige von Wolfgang Janßens (Mitte links) Nachbarn müssen die Tonnen deutlich weiter schieben als die angegebenen 100 Meter. Foto: Daja Ecke
Norden Geschockt war das Ehepaar Kipp, als sie den Brief vom Landkreis Aurich geöffnet hatten. 219 Euro und 13 Cent sollen sie bezahlen, dafür dass sie Widerspruch gegenüber der Zuweisung eines Stellplatzes für die Abfallentsorgung eingelegt haben. Damit stehen sie aber nicht allein da: Aus 60 verschiedenen Straßen sind Widersprüche beim Landkreis eingegangen. Der Grund? Seit Ende vergangenen Jahres müssen viele Stichstraßenanwohner ihre Mülltonnen an die nächst-größere Straße bringen, was besonders Ältere und Eingeschränkte vor große Herausforderungen stellt.
Klare Zahlen gefordert
Aus Sicht des Landkreises geht damit die Debatte um das Rückfahrgebot langsam zu Ende – aber nicht aus Sicht der Betroffenen, die sich zusammen gegen das Gebot wehren. Auf die Frage, wie viele Widersprüche gegen diese Regelung eingegangen sind, gibt es konkrete Zahlen: Rund 60 von 900 Straßen sind mit den neuen Auflagen nicht einverstanden, was etwa einem Zehntel der von dem Verbot tangierten Straßen entspricht.
In etwa einem Drittel der betroffenen Straßen konnten bereits Lösungen gefunden werden, die das Rückwärtsfahren überflüssig machen, sodass effizient nur noch 600 Straßen betroffen sind. Diese Lösungen reichen von nachträglich geschaffenen Wendemöglichkeiten bis hin zur Anpassung der Touren.
Ein Kritikpunkt der Bürger betrifft die beachtliche Gebühr von über 200 Euro für einen Widerspruch. Der Widerspruch sei dabei ein Rechtsbehelf, der geprüft werden müsse. Kosten trage die unterlegene Partei, es sei denn, der Widerspruch weise auf Unrechtmäßigkeiten hin, wie der Pressesprecher des Landkreis Aurich, Rainer Müller-Gummels, auf KURIER-Anfrage mitteilt. Und aus Sicht des Landkreises sei die Zuweisung eines neuen Stellplatzes rechtens.
Warum zudem nur eine Frist von sieben Tagen zur Zahlung angemahnt wird, erklärt der Landkreis als Entgegenkommen. Ohne eine solche Frist wäre die Zahlung sofort fällig. Viele Betroffene hätten sich dadurch eingeschüchtert gefühlt, erklärt der Sprecher des Seniorenbeirats Norden, Holger Korn. Denn wer nicht innerhalb einer Woche zahle, müsse mit Mahngebühren rechnen. Während alternative Lösungen geprüft wurden, ergab sich, dass der Einsatz kleinerer Fahrzeuge oder eines Hol- und Bringdienstes erhebliche Mehrkosten verursachen würde. Die Anschaffung, der Lohn und der Betrieb von kleineren Abfallfahrzeugen würden die Bürger des Landkreises etwa das drei- bis fünf-fache der Kosten der regulären Abfuhr je Behälterleerung kosten. „Für einen durchschnittlichen Haushalt im Landkreis Aurich mit elf Leerungen von Rest- und Bioabfall und jeweils 13 Leerungen der Gelben und der Altpapiertonne würden so jährliche Zusatzkosten von 400 Euro anfallen“, so der Pressesprecher.
Auch mit Assistenzsystemen dürfen Abfallsammelfahrzeuge nicht rückwärt fahren. Das sieht die Bürgerinitiative jedoch anders. Aus ihrer Sicht sieht die Verordnung vor, dass bei ausreichender Absicherung dies weiterhin möglich sei. Auch die berechneten Kosten können sie sich nicht erklären, und der Landkreis zeige ihnen sich zu undurchsichtig, was die Berechnung betrifft.
Gemeinsam vor Gericht
Daher will diese jetzt unter Wolfgang Janßen schauen, ob gemeinsam der Rechtsweg beschritten werden sollte. „Wir fordern daher auf, sich bei uns zu melden“, sagt Janßen, um ein Stimmungsbild zu erhalten. Wenn sich genug für eine Infoveranstaltung interessieren, werde man gemeinsam versuchen, die Anordnung des Landkreises zu kippen. Denn besonders Ältere seien mit der neuen Regelung auf Unterstützung angewiesen oder müssen teilweise mehr als doppelt so viel Zeit einplanen wie zuvor. Erreichbar ist Wolfgang Janßen unter der Telefonnummer 04931/9198863.
Für mobilitätseingeschränkte Bürger gibt es keine Fördermöglichkeiten seitens des Abfallwirtschaftsbetriebs. Auch vom Landkreis gebe es derzeit noch keine Unterstützung, bestätigt Müller-Gummels. Die Konsequenzen für diejenigen, die ihre Tonnen nicht an den vorgesehenen Ort bringen, sind dabei ganz einfach: Die Behälter können nicht geleert werden und der Müll sammelt sich.