Norder trainiert Kollegen in Ruanda
In der Schule in Ruhango wird Frontalunterricht mit bis zu 60 Jugendlichen betrieben.
NordenAuf den Tischen stehen kleine Teller mit geschnittenem Gemüse: Möhren in Stiften, Gurken und Kartoffeln in Scheiben, Zwiebeln und Tomaten in Würfeln oder Zucchini in Streifen. Dr. Andreas Nommels aus Norden nimmt ein Messer und zeigt seinen Berufskollegen und -kolleginnen in Ruanda, auf welche Weise man das Gemüse zubereiten kann. Die Pädagogen schauen interessiert zu, denn das in dem gastronomischen Workshop Erlernte werden sie anschließend an ihre Schülerinnen und Schüler weitergeben.
Nommels war im Oktober drei Wochen lang an einer Schule in der Kleinstadt Ruhango in Ruanda tätig, und zwar im Auftrag des Senior Expert Services (SES) (siehe Kasten). Als der frühere Fachlehrer und Abteilungsleiter für Sozialpädagogik, Landwirtschaft, den Ernährungsbereich und die Öffentlichkeitsarbeit an der Conerus-Schule Norden (BBS) 2020 pensioniert wurde, hatte er sich beim SES für einen Auslandseinsatz beworben.
„Dort war man gleich interessiert, denn der SES macht sich das berufliche Wissen von Pensionären gern zunutze“, berichtet der 67-Jährige. „Ich wollte mich insbesondere im Bereich Landwirtschaft engagieren, denn das habe ich einmal studiert. Es gab auch schon die Zusage, in die Ukraine zu fahren, um dort die Duale Ausbildung für den Bereich Landwirtschaft aufzubauen. Durch den Krieg hat sich das dann zerschlagen“, sagt er.
2022 bot sich Nommels erneut beim SES an. Ein landwirtschaftliches Projekt stand nicht zur Verfügung. Stattdessen bat man den Norder, nach Tansania zu fliegen, um sich dort mit seinen Erfahrungen im sozialen Management an einer kleinen Schule mit 150 Schülern und zwölf Kollegen im Gastro-Bereich einzubringen. „Das habe ich dann auch getan“, erläutert er.
Methodentraining für den gastronomischen Sektor
Bei dem Auslandsprojekt in Ruanda ging es in diesem Jahr nun um Methoden-Training auf dem gastronomischen Sektor. Dies geschah auch in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Afrikanischen Jugendwerk. Die Teilnehmenden im Alter von bis zu 30 Jahren unterstützen dort in Afrika junge Menschen während oder nach ihrer Berufsausbildung.
„An dieser Schule in Ruanda sind 1500 Schüler, 600 davon allein im Gastro-Bereich. Beschult werden sie von 60 Lehrern, hinzu kommen 60 weitere Mitarbeitende im Verwaltungsbereich“, erklärt Nommels. Bei seiner Ankunft in Ruhango sei dort bereits ein SES-Team vor Ort gewesen. „Das hat uns noch eingewiesen, bevor es wieder abgereist ist.“ Der Norder gehörte zum Team „Küche“ und arbeitete mit drei anderen Kollegen zusammen. „Das war gut, so konnten wir uns austauschen“, sagt er. Anstrengend sei allerdings gewesen, dass die Fortbildung komplett auf Englisch erfolgen musste. „Das war eine Herausforderung“, gibt er zu.
Bevor das Team „Küche“ mit den Kursen begann, schaute es sich zunächst den Unterricht vor Ort an, um erste Eindrücke zu gewinnen und zu sehen, wie dort gearbeitet wird und was möglich ist und was nicht. „Dann wurde täglich zwei bis drei Stunden lang mit den Kollegen trainiert“, schildert Nommels den Ablauf. Manche Dinge seien in der Umsetzung schwierig gewesen, weil die Ausstattung dort im Vergleich zu Deutschland minimalistisch sei. „In den Klassen sitzen jeweils bis zu 60 Jugendliche an Schulbänken wie bei uns bis zu den 1960er-Jahren. Manche Praxisräume sind zu erkennen, weil entsprechende Geräte dort stehen, wie der Herd in der Küche. Die Theorieräume erkennt man aber nicht“, berichtet er. Die SES-Experten hätten deshalb empfohlen, daran etwas zu ändern.
Täglich haben sie ihre Kollegen in Ruhango zwei bis drei Stunden unterrichtet. Beim Thema „Station“ wurden zum Beispiel richtige Schnitttechniken beim Gemüse vermittelt. Dabei bauten sie verschiedene Stände auf, an denen die Schnitttechniken von Möhren, Gurken oder Tomaten gezeigt wurden. „Die Kollegen konnten von Stand zu Stand gehen und sich ausprobieren. Diese Lernübungen können sie dann später auch mit ihren Schülern machen“, erzählt der 67-Jährige. Bei weiteren Praxis-Schulungen seien zum Beispiel Cocktails kreiert und Speisen zubereitet worden. „Wir haben bei all dem immer Theorie und Praxis verbunden. Das ging ganz gut“, so Nommels. Manchmal habe es Probleme gegeben, weil in der Schule das Material nicht vorhanden sei. „Wir hatten ja nur eine Schultafel zur Verfügung. Deshalb haben wir den Kollegen Tipps gegeben, was man mit wenigen Mitteln anschaffen könnte, wie zum Beispiel ein Whiteboard in DIN-A-3-Größe. Das Geld dafür ist wohl vorhanden“ sagt der Senior-Experte.
Die Schulleitung und Lehrkräfte seien neuen Methoden gegenüber aufgeschlossen und hätten viel Interesse gezeigt, insbesondere auch an den praktischen Erfahrungen. Die meisten von ihnen seien sehr bemüht, den Unterricht abwechslungsreich zu gestalten und ihre Schüler auf das Berufsleben vorzubereiten. Die Einrichtung solle weiterentwickelt werden. In Planung seien der Aufbau eines Hotels, einer Milchfarm, die Neugestaltung eines Sportplatzes und die Erweiterung der Klassenräume.
An der Schule in Ruhango werde Frontalunterricht (in Theorie und Praxis) betrieben. Das sei bei der Größe der Klassen nur mit viel Disziplin möglich. Diese sei bei den Schüler/-innen auch sehr vorhanden, aber nicht angstbesetzt. „Sie akzeptieren die Erwachsenen als ihre Ausbilder und waren immer alle sehr nett zu uns“, betont Nommels. „Ich hatte nie das Gefühl, dass ich ein Exot bin, auch in Kigali nicht, und habe mich immer sicher gefühlt. „Wir wurden immer mit Respekt und Freundlichkeit behandelt“, sagt er und fügt hinzu: „Ich habe den Aufenthalt genossen, weil einem dort schnell bewusst wurde, in welchem Wohlstand wir in Deutschland eigentlich leben.“ Während in Deutschland schnell über den Öffentlichen Personennahverkehr gemeckert werde, sei es in Ruanda völlig normal, zwei Stunden zur Schule und wieder zurück zu gehen – und das durch bergiges Gelände.
Ruanda sei überhaupt ein sehr grünes und sauberes Land. Dies gelte auch für Kigali. Dort sei man – wie im gesamten Land – immer Straßenkehrern begegnet. „Man sieht keine Raucher und nur selten mal einen Hund oder eine Katze“, gibt der Norder seinen Eindruck wieder. „Und für mich als studierter Landwirt war verwunderlich, dass ich keinen Trecker oder Maschinen auf Feldern gesehen habe sowie Zugtiere. Die Leute machen dort alles mit der Hacke und ernten mit der Sichel. Das fand ich sehr erstaunlich“, berichtet der 67-Jährige weiter, der natürlich auch Ausflüge ins Land unternommen hat.
Die Zeit in Ruanda sei ein tolles Erlebnis gewesen, sagt Nommels, der sich gut vorstellen kann, noch drei bis vier Jahre als Senior-Experte tätig zu sein, wenn es seine Gesundheit zulässt. „Vielleicht fahre ich nächstes Jahr noch mal nach Ruanda. Die haben dort vor, eine Gastro-Küche aufzubauen. Das würde ich gern begleiten“, erzählt er. Dort habe man den Kontakt zu den jungen Leuten vom Jugendwerk, „und durch diesen Austausch kann auch ich noch viel Neues lernen“. Es könne aber auch sein, dass er in andere Länder reise, so Nommels. „Senioren, die helfen, werden überall gesucht.“