Ostfriesland: Die eigenen Eltern mit dem Messer angegriffen

Von Martina Ricken

Das Landgericht Aurich. Foto: Ute Bruns

Aurich Es floss viel Blut, als ein 30-jähriger Wittmunder im April auf seine eigenen Eltern einstach. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte in Tötungsabsicht handelte und erhob deshalb Anklage wegen versuchten Totschlags vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Aurich. Allerdings muss das Schwurgericht nicht nur klären, ob der Wittmunder die Tat im Sinne der Anklage begangen hat, sondern auch die Frage beantworten, ob er dafür strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Denn der Iraner soll zur Tatzeit wegen einer paranoiden Schizophrenie nur vermindert schuldfähig gewesen sein.

Am Abend des 23. April gab es zwischen dem Angeklagten und seinen Eltern wieder einmal Streit. Zunächst ging es um seine Rauchgewohnheiten, dann um eine halbleere Flasche Shampoo. Es waren also Bagatellen. Dann forderte der Angeklagte seine Eltern auf, sich von der im Iran lebenden Familie Geld schicken zu lassen. „Die Familie im Iran hat größeres Vermögen. Der Vater ist daran beteiligt, hat das Geld aber nicht angefordert“, trug der Verteidiger in der Einlassung im Namen seines Mandanten vor. Der Wittmunder habe dann auch noch gehört, wie die Eltern sich über ihn unterhielten und forderten, dass er aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen solle. „Ich weiß nicht, was dann passiert ist. Daran habe ich keine Erinnerung“, so die Einlassung des Angeklagten über seinen Verteidiger.

Das weitere Geschehen hatten die Eltern gegenüber der Polizei und dem Ermittlungsrichter am Amtsgericht Wittmund geschildert. Demnach sei der Sohn zunächst ins Bad gegangen. Dann soll er zurückgekehrt sein und auf Kopf und Hals des auf dem Sofa sitzenden Vaters eingestochen haben. Als die Mutter ihn vom Vater fortziehen wollte, wurde auch sie mit dem Messer attackiert und verletzt. Vor dem Landgericht wollten die Eltern nicht aussagen.

Aber es gab Zeugen, die einige Beobachtungen nach der Tat gemacht hatten. So war eine Nachbarin auf den Lärm in der Wohnung unter ihr aufmerksam geworden und hatte die Schreie der Mutter gehört. Als sie vom Balkon herunterschaute, sah sie die blutüberströmten Eltern, die fortliefen und von ihrem Sohn verfolgt wurden.

Die Eltern retteten sich in ein Nachbarhaus und klingelten an der Tür eines Bewohners. „Ich habe gerade Fußball geguckt und wollte schnell weitergucken, deshalb habe ich die Tür schnell geöffnet“, berichtete der 31-jährige Helfer. Erst erschrak er und bekam Angst, als er den stark blutenden Mann sah. Dann kam auch die Mutter des Angeklagten in sein Blickfeld, die ebenfalls verletzt war und blutete. Er ließ die Verletzten herein und verschloss die Tür. „Die Frau sagte: ‚bitte Hilfe, Sohn kommt, Messer‘“, erinnerte sich der Zeuge. Seine Lebensgefährtin rief Polizei und Rettungsdienst an. Der Mann kümmerte sich vor allem um den verletzten Vater. „Er hat sich zweimal an seinem Blut verschluckt und bekam keine Luft mehr“, erzählte der Wohnungsinhaber. Ich habe ihn wieder aufgesetzt. Er hat Blut ausgespuckt.“ Der Mann sei in einem sehr schlechten Zustand gewesen.

Einer inzwischen eingetroffenen Polizeibeamtin kam der Angeklagte unterdessen auf dem Gehweg ruhig entgegen. „Er sagte, er sei auch verletzt worden und riss sein T-Shirt hoch. Da war aber nichts zu sehen“, berichtete die Polizistin. Wenig später wurde der 30-Jährige festgenommen, zunächst zur Wittmunder Dienststelle und dann zur psychiatrischen Klinik in Bad Zwischenahn gebracht. Ein Streifenbeamter begleitete den Transport im Rettungswagen. „Der Angeklagte fragte, was mit seinen Eltern sei. Das klang aber ganz neutral, nicht besorgt. Als ich ihm sagte, dass sie verletzt im Krankenhaus seien, aber noch lebten meinte er, dann sei ja alles in Ordnung und man könne ihn jetzt gehen lassen“, erinnerte sich der Beamte.

Der Prozess wird fortgesetzt.