Ostfriesland: Erinnerungen an die Zukunft
Passender kann ein Ort für eine solche Feier nicht sein als die Dokumentationsstätte Tidofeld. Foto: Werner Jürgens
Mit viel Prominenz aus Politik und Kirche wurde gestern in der Gnadenkirche in Tidofeld der Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Unter den Ehrengästen waren unter anderem die SPD-Politiker Johann Saathoff, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, und der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur, Falko Mohrs. Auch der scheidende 1. Vorsitzende des Vereins der Gnadenkirche, Dr. Helmut Kirschstein, ergriff das Wort und gab den Staffelstab an seinen designierten Nachfolger, den Superintendenten Christian Neumann, weiter.
„In Ostfriesland dürfte es kaum einen Ort geben, der für eine solche Veranstaltung besser geeignet wäre als unsere Dokumentationsstätte zu Flucht, Vertreibung und Integration“, betonte Dr. Helmut Kirschstein und nahm dabei Bezug auf die Eingangszeile der Nationalhymne. „Selbst wenn der deutsche Nationalfeiertag der glücklich vollzogenen Einheit von Ost und West zu verdanken sein mag, so ist er doch längst zu einem Tag der Besinnung auf die Einigkeit unserer Gesellschaft geworden. Einigkeit und Recht und Freiheit in einer Gesellschaft in der das Miteinander bedroht ist.“
Staatssekretär Johann Saathoff erinnerte sich daran, wie er einst bei seinem ersten Besuch in Berlin auf einem Holzpodest über die Mauer, die Deutschland seinerzeit noch teilte, schaute und das Brandenburger Tor lediglich aus der Ferne betrachten durfte. „Damals dachte ich: Du wirst niemals durch dieses Tor gehen können“, erzählte er. Heute aber kann er auf dem Weg von seiner Berliner Wohnung zu seinem Arbeitsplatz eben genau dieses Tor problemlos passieren, als hätte es niemals eine innerdeutsche Grenze gegeben. Auch Saathoff äußerte sich besorgt darüber, „dass sich die Demokratie auf einer schiefen Ebene befindet“, so der Staatssekretär. Während er gerade bei jungen Menschen das Gefühl habe, für sie sei Demokratie etwas Selbstverständliches, würden viele ältere Menschen Demokratie nicht mehr als Lösung sondern als Bestandteil eines Problems sehen.
Minister Falko Mohrs bezog sich in seiner Ansprache auf den historischen Hintergrund des Tags der deutschen Einheit. „In den ehemaligen westdeutschen Bundesländern vergisst man vielleicht schneller, dass ein großer Teil unserer Landsleute das Geschenk der freien Demokratie, das wir nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten bekommen haben, nicht hatten“, sagte Mohrs. „Die Menschen in der ehemaligen DDR mussten sich für ihre Freiheit einsetzen und dafür kämpfen. Teilweise mussten sie diesen Kampf mit ihrem Leben bezahlen. Die Mauer ist nicht einfach nur gefallen. Sie wurde eingedrückt und eingerissen von den Menschen in Ostdeutschland. Auch das ist etwas, das wir uns heute immer wieder vor Augen führen müssen. Ich glaube, wir sollten öfter daran zurückdenken, bevor wir den Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Reife für die Demokratie absprechen.“
Superintendent Christian Neumann schließlich hob die besondere Bedeutung der Gnadenkirche in Tidofeld als „Friedensstätte gegen das Vergessen“ hervor, indem sie „Geschichte durch die Geschichten der Menschen“ für die nachfolgenden Generationen lebendig halten würde.