Plädoyer für Kompromisse
Unser Leser Carl-Heinz Dirks hat eine klare Meinung zum Vorschlag der „Jungfräiske Mäinskup“. Foto: privat
Eine Rechtschreibung kann auf einigermaßen vernünftigen Schreibregeln basieren oder auf Tradition. Beispiele für das Erstere sind Italienisch und Niederländisch, für das Zweite Englisch und Französisch. Hochdeutsch liegt irgendwo dazwischen.
Grundlegend gilt: Schreiben ist nicht Sprechen – und Buchstaben sind keine Laute.
Beispiele: Hand klingt wie „Hant“, doch schreiben wir wegen der Verwandtschaft mit „Hände“ auch Hand mit einem D. Bunt dagegen mit „t“ wegen „bunte“ – und Bund mit „d „wie „Bünde, bündeln“ – einleuchtend.
Wo aber liegt das Problem, dass die Schreibung die Aussprache nur ansatzweise wiedergibt? Der Mensch kann etwa 120 Laute erzeugen. Davon werden in den meisten Sprachen nur die Hälfte genutzt (wir Deutschen verwenden nicht das englische „th“ und nicht die französischen Nasale). Also: Wir brauchen etwa 60 Laute, verfügen aber nur über 30 Buchstaben – und das auch nur dann, wenn wir ß, ä, ö, ü als Buchstaben betrachten.
Wir basteln uns deshalb Hilfskonstruktionen: Der Anfangslaut von „Schule“ hat keinen Buchstaben, der das Sch wiedergibt, für den Schlusslaut von „Buch“ müssen wir uns mit zwei Buchstaben „ch“ behelfen, die aber bei „Dich“ wiederum ganz anders klingen.
Etwa 60 Laute, etwa 20 Buchstaben… aber es gibt ja Alternativen! Die Internationale Lautschrift zum Beispiel hat 130 Zeichen. Das ist ziemlich viel, aber verglichen mit dem Chinesischen (ursprünglich 40000 Zeichen, jetzt „nur noch“ etwa 2000) ist das eher wenig. Allerdings ist die Lautschrift doch ziemlich verwirrend.
Also beschließen wir, dass wir am besten doch das lateinische Alphabet benutzen, mit all seinen Schwächen.
Warum ist jegliche Alternative unklug? Weil wir alle in der Schule mit der hochdeutschen Rechtschreibung groß geworden sind und deshalb hochdeutsche Texte einigermaßen oder auch sehr gut lesen können. Ein Hauptgrund dafür ist der Gewöhnungseffekt: Wir erkennen die Wortbilder wieder.
Und wenn wir Schreibenden es den Lesern leicht machen wollen, sollten wir uns genau darum bemühen: Dass die Leserinnen und Leser es leicht haben beim Lesen. Ansonsten passiert dies: Sie lesen es nicht. Und das wäre schade, denn es gibt inzwischen eine ansehnliche Literatur auf Plattdeutsch, sowohl von der Menge her als auch von der Qualität. Und die Ostfriesische Landschaft hat mehrfach Arbeitsgruppen eingesetzt, um die ostfriesische plattdeutsche Schriftsprache zu regeln, und dabei ist ein vorbildhaftes Regelwerk entstanden.
Man hat sich in langen Diskussionen geeinigt auf eine Schreibweise, die einen Kompromiss darstellt, und jeder darf und soll so reden, wie er und sie es gelernt haben in ihrem Elternhaus, ihrem Dorf, ihrem Kuntrei. Das hochdeutsche Wort „Schule“ soll als Beispiel herhalten: „School“ in Aurich und im Brookmerland, „Schkaul“ in Emden. „Schkoel“ in Petkum, „Schkjaul“ im Rheiderland, „Schööl“ oder „Schkööl“ auf dem Fehn, und ungezählte weitere Varianten. Also schreiben wir in ganz Ostfriesland: „School“.
Die anderen Niederdeutschen von Oldenburg und Münster bis Flensburg und Greifswald beneiden uns um unsere geregelte Rechtschreibung. Ein jeder, der die plattdeutsche ostfriesische Sprache und Kultur fördern will, sollte unsere durchdachte vereinbarte Schreibweise als das nehmen, was sie ist: Ein Regelwerk, das hier und da vielleicht noch ein wenig zu verbessern sein mag.
Und ansonsten meine ich: Bei der „Jungfräiske Mäinskup“ handelt es sich um „Kükens, de willen de Henn noch wat lehren“.