Das Finale ist das Ziel. Nachdem Henrik Janssen im vergangenen Jahr bei EM und WM enttäuschte, will er heute in Budapest ins Finale der Weltmeisterschaft einziehen. Foto: Iris Hensel
Einen Ehrenpreis für mustergültige Organisation wird Henrik Janssen wohl niemals einheimsen. Beim Telefonat mit dem KURIER muss er das Handy erst einmal auf Freisprechen einstellen, weil er „noch eben die Tasche packen und anschließend duschen muss“. Schließlich kam am Mittwoch der Abflug zur Weltmeisterschaft nach Budapest ungefähr so unerwartet wie das nächste Weihnachtsfest. „Ich bin schon ein wenig verpeilt“, lacht der 25-Jährige, dem beim Blick ins geräumige Zimmer, das er beim Pre-Camp des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) in Erding allein nutzen durfte, das schlechte Gewissen befällt. „Ziemliches Durcheinander hier“, räumt er ein. Der gebürtige Norder Diskuswerfer in Diensten des SC Magdeburg erreichte aber rechtzeitig den Treffpunkt zum Flieger von München in die ungarische Hauptstadt, wo er Sonnabendabend gefordert ist. Janssen will die Qualifikation überstehen, um Montagabend im Finale der besten zwölf noch einmal sechs Versuche zu erhalten. Bei der 19. Weltmeisterschaft dürften die Medaillen für das DLV-Aufgebot rar gesät sein. Die Gold-Hoffnungen ruhen fast allein auf den breiten Schultern des Speerwerfers Julian Weber. Diskuswerferin Kristin Pudenz, die wie Henrik Janssen in Potsdam trainiert, wird der Sprung auf das Treppchen ebenso wie Hochspringer Tobias Potye zugetraut. Mit der zweifachen Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo fällt dagegen eine Medaillenbank aus. Auch Stabhochspringer Kanda Lita Baehre, 5000-Meter-Läuferin Konstanze Klosterhalfen oder Hindernisläuferin Lea Meyer mussten absagen. Die Ungarn sind überaus erfahrene Gastgeber. Sie haben schon mehrere Europameisterschaften sowie zweimal die Hallen-Weltmeisterschaften ausgerichtet. Für die WM hat man für 310 Millionen mal eben am östlichen Ufer der Donau ein 35000 Zuschauer fassendes Stadion aus dem Boden gestampft. „Ich freue mich riesig auf die Titelkämpfe“, sagt Henrik Janssen, 2,02 m groß und 125 Kilogramm schwer, im Interview.
Nach der Weltmeisterschaft in den USA und der Europameisterschaft in München ist die WM in Budapest das dritte sportliche Highlight in gerade einmal zwölf Monaten für dich. Was hat sich seitdem geändert?
Durch die WM- und EM-Teilnahmen habe ich reichlich internationale Erfahrungen gesammelt, die mir im vergangenen Jahr noch gefehlt haben. Dazu kamen anschließend noch einige Wettkämpfe, bei denen ich mich mit der Weltspitze gemessen und konstant gut geworfen habe. Man kennt sich inzwischen. Es ist längst nicht mehr so verkrampft wie letztes Jahr. Dazu kommt die Tatsache, dass ich mich nach der Ausbildung zum Bundespolizeibeamten ganz auf den Sport konzentrieren kann.
Sind die vielen Ausfälle im internen Kreis der Athletinnen und Athleten ein Thema?
Alle wissen natürlich Bescheid. Aber darüber wird wenig gesprochen. Jeder ist da doch eher auf sich fokussiert. Dass Deutschlands Medaillenspiegel nicht allzu krass ausfallen wird, dürfte klar sein.
Du bist am Sonnabend gleich zum Auftakt gefordert. Spürst du da einen besonderen Druck, ganz nach dem Motto, dass ein gelungener Start die Mannschaft beflügeln könnte?
Nein, es ist ja auch erst einmal nur die Qualifikation. Ich glaube nicht, dass das irgend jemandem einen Schub verleiht, wenn ich da durchrutsche.
Wie verlief die Vorbereitungsphase? Gab es Probleme?
Insgesamt lief es sehr gut. Im Trainingslager in Latsch hätte ich mir den Finger ein wenig lädiert, aber das ist ausgestanden. Bundestrainer Jörg Schulte ist mit meinem Zustand sehr zufrieden und ist optimistisch.
Welche Weite wird nötig sein, um ins Finale einzuziehen?
Ich denke, dass gute 63 Meter reichen sollten, um unter die letzten zwölf zu kommen.
Und was ist für eine Medaille nötig?
Die werden die 70-Meter-Werfer Kristjan Ceh, Daniel Ståhl und Miklas Alekna wohl unter sich ausmachen, auch wenn die im Stadion wohl nicht Bestweite erzielen. Ich tippe, dass für Bronze hohe 69 Meter geworfen werden müssen.
Wie lautet deine Zielsetzung?
Ich weiß, was ich kann. Wenn ich mein Potenzial abrufe, bin ich im Finale dabei und habe noch einmal sechs Versuche. Platz acht wäre ein Traum.
Welchen Stellenwert besitzt die WM in Budapest im Hinblick auf die Olympischen Spiele nächstes Jahr in Paris?
Einen sehr hohen. Schließlich werden in Ungarn reichlich Punkte für die Weltrangliste verteilt. Deshalb wäre Platz acht, der zudem die Chance eröffnet, in der Diamond League zu starten, klasse.
Wie sieht es mit Unterstützung aus der Heimat auf der Tribüne aus?
Meine Frau hat leider keine Zeit, weil sie noch mündliche Prüfungen absolvieren muss. Aber vier Freunde aus Magdeburg reisen an und werden sicherlich wieder ein Plakat im Stadion anbringen.