Saathoff über Saathoff: Politiker aus Leidenschaft
Johann Saathoff ist als waschechter Ostfriese entschlossen, sich ein weiteres Mal mit der SPD in Berlin für seine Heimat einzusetzen.
Ostfriesland Normalerweise sieht man sein eigenes Gesicht nicht an jeder Straßenlaterne des Wohnortes. Für Johann Saathoff aber ist es derzeit normal. Er will im Februar zum vierten Mal in seiner politischen Karriere für die SPD in den Bundestag einziehen. Dazu hat er sich nach reiflicher Überlegung und in Absprache mit seiner Frau bewusst entschlossen. Weil er die Demokratie in Gefahr sieht.
Saathoff an jeder Ecke, an jeder Laterne
Diese Entscheidung bedeutet, dass in den Straßen von Pewsum, Saathoffs Wohnort, jetzt an jeder Ecke sein Gesicht zu sehen ist. Das gehöre dazu, sagt er. Aber er möge das eigentlich nicht. Die Plakate lösten bei ihm ein „Gefühl der Verletzbarkeit“ aus. Weniger für sich selbst, als für seine Familie.
Heute sind seine fünf Kinder erwachsen, doch Saathoff erinnert sich an die Zeit, in der sie noch zur Schule gingen. Da wunderten sie sich, dass die Plakate verschmiert und verschandelt wurden. Es gab Menschen, die mit politischen Entscheidungen des Vaters nicht zufrieden waren. Damit mussten sie leben. Und standen dennoch immer hinter ihm. Sie wussten: Politik war stets seine Leidenschaft. Sein Hobby, wie er sagt.
Sohn eines Hafenarbeiters
Ja, der Sohn eines Hafenarbeiters fahre auch gern Motorrad, interessiere sich für die Sterne und den Weltraum. Aber Politik sei immer der Fokus gewesen. Daher mache es ihm nichts aus, wenn er 15 Stunden am Stück arbeiten müsse.
Bereits seine Eltern waren in der SPD, er gehörte den Falken, also der Sozialistischen Jugend Deutschlands, an. Da gab es Freizeitangebote und Zeltlager, es wurde politisch diskutiert. Wenn er seinen Kindern davon berichtete, konnten sie Letzteres kaum glauben. Heute, weiß Saathoff, sei es schwierig, junge Leute zu motivieren.
Er wollte immer relevant sein für seine Partei
Für Johann Saathoff war nie die Frage, ob er Politik oder etwas anderes machen solle. Einmal in die SPD eingetreten, blieb er der Partei stets treu. Andere Interessen hinderten ihn nie daran. Bei ihm lief immer alles parallel. An eine Krise im Alter von über 20 Jahren erinnert er sich dennoch: Damals verhinderten Parteistatuten, dass er und ein junger Genosse einen Vortrag halten konnten. Der Freund verließ daraufhin die SPD, Saathoff nicht. „Jetzt erst recht“, meinte der damalige Verwaltungsfachwirt und brachte sich noch mehr ein, um relevanter für die Partei zu werden.
Mit Erfolg: Er stieg intern auf und ließ sich 2003 zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister der Krummhörn wählen. 2013 gelang der Sprung in den Bundestag. 2017 und 2021 erlangte er jeweils das bundesweit beste Erststimmenergebnis.
22 Wochen in Berlin, den Rest in Ostfriesland
22 Sitzungswochen weilt er seitdem in der Regel jährlich in Berlin. Die Liste seiner Aufgaben waren bisher breit gefächert. Er kümmerte sich beispielsweise um Wirtschaft, Energie und Ernährung, agierte und agiert als Staatssekretär. Eine Aufgabe, die ihm besonders in Erinnerung geblieben ist, ist die des Russlandbeauftragten. Er hatte das Amt bis 2021 inne und erinnert sich, dass in diese Zeit die Konflikte um den Berliner Tiergartenmord und die Debatte um den Umgang Russlands mit dem Oppositionspolitiker Alexei Nawalny fielen. Saathoff erzählt, er habe mit Spionen im Flugzeug gesessen, die ihn überwachten. Angst habe er aber nie gehabt. „Man muss angstfrei Politik machen“, sagt er.
Deutschlandweit bekannt wurde Johann Saathoff, als er im März 2018 eine Bundestagsrede teilweise auf Plattdeutsch hielt. Damit kommentierte er einen Antrag, Deutsch als Landessprache im Grundgesetz festzuschreiben. YouTube-Videos, in dem man ihn mit seinem Pilsumer-Leuchtturm-Anstecker am Anzug vor den Abgeordneten proten hört, wurde über eine Million mal aufgerufen. Und es zeigt, was er trotz aller Berliner Aktivitäten ist: Ostfriese.
Man muss seine Ideen ordentlich vermitteln, da reichen keine Schlagworte
Er sei in erster Linie Wahlkreisabgeordneter, sagt Saathoff. Er schaue hin, was gut laufe, und wo man etwas verbessern müsse. Ja, gibt er zu, es gäbe auch immer wieder Fehler. Die müsse man dann korrigieren. Dass es Menschen gibt, die ernsthaft denken, Politiker säßen zusammen, um sich auszudenken, was das Leben verschlechtere, findet er absurd. Nur müsse man schauen, dass man seine Ideen ordentlich vermittele. Und da reichten Schlagworte oft nicht aus.
Ein Beispiel: Saathoff will sich dafür einsetzen, dass man „respektvoll von der Rente leben“ könne. Was das bedeute? Mit Geld allein sei das nicht gemacht, antwortet er und erzählt von seinem Vater, der Doppelschichten schob, um den Kindern ein gutes Leben zu ermöglichen. Als die Rente kam, sah er, dass stets nur eine Schicht angerechnet worden sei. „Das ist nicht respektvoll“, sagt der Sohn und kämpft dafür, dass es anderen besser geht.
Ob die Bürgerinnen und Bürger seiner SPD noch mal folgen werden, ist unklar. Aber Saathoff plädiert: „Messt uns nicht an dem, was war. Messt uns an dem, was wir wollen!“